Sipri-Bericht:Friedensforscher warnen vor immer mehr einsatzfähigen Atomwaffen

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Kurzstrecken-Raketensysteme fahren während einer Probe für die Parade zum Tag des Sieges 2017 auf dem Roten Platz in Moskau. (Archivbild) (Foto: Valery Sharifulin/imago/ITAR-TASS)

Es gibt zwar weniger Atomwaffen auf der Welt - dafür sind mehr davon einsatzfähig. China baut sein nukleares Arsenal deutlich aus, aber auch Russland und die USA nehmen Modernisierungen vor, berichtet das Sipri-Forschungsinstitut.

Die Atomwaffenstaaten der Erde stärken angesichts des Kriegs in der Ukraine und der insgesamt verschlechterten Sicherheitslage auf der Welt ihre nuklearen Arsenale. Das geht aus dem Jahresbericht des Stockholmer Friedensforschungsinstituts Sipri hervor, den die unabhängige Organisation an diesem Montag veröffentlichte.

Zwar sei der globale Bestand der Atomsprengköpfe von Anfang 2022 bis Anfang 2023 weiter zurückgegangen - um knapp 200 auf schätzungsweise 12 512. Dafür habe die Zahl der einsatzfähigen Atomwaffen zu steigen begonnen, und zwar um 86 auf schätzungsweise 9576. "Die globalen Reduzierungen einsatzbereiter Sprengköpfe scheinen ins Stocken geraten zu sein, und ihre Zahlen steigen wieder", heißt es im Sipri-Bericht. Gleichzeitig hätten sowohl die USA als auch Russland - die beiden mit Abstand größten Atommächte der Erde - umfangreiche und kostspielige Modernisierungsprogramme auf den Weg gebracht.

Eigentlich sank die weltweite Zahl der Kernwaffen in den vergangenen Jahrzehnten kontinuierlich

Einen deutlichen Zuwachs der Sprengköpfe verzeichnet der Bericht in China. Die Forscher erwarten, dass das chinesische Arsenal weiter wächst, sodass das Land bis Ende des Jahrzehnts über mindestens so viele ballistische Interkontinentalraketen verfügen könnte wie die USA oder Russland. Auch Indien und Pakistan hätten 2022 neue Arten von nuklearen Trägersystemen eingeführt und weiterentwickelt. Die indischen Waffen seien nun auf größere Reichweiten ausgelegt, einschließlich solcher, die Ziele in ganz China erreichen könnten, vermuten die Forscher.

Seit Jahrzehnten sank die weltweite Zahl der Kernwaffen kontinuierlich. Der Rückgang liegt aber hauptsächlich daran, dass ausrangierte Sprengköpfe nach und nach von Russland und den USA demontiert werden. Die Friedensforscher schauen deshalb nicht nur auf die geschätzten Gesamtbestände, sondern auch auf die einsatzfähigen Arsenale.

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Mit Sorge verweist Sipri auf die allgemein verschärfte Rhetorik der Staaten in Bezug auf die Bedeutung von Atomwaffen. Auch Nordkorea betrachte sein militärisches Nuklearprogramm weiterhin als zentrales Element seiner Sicherheitsstrategie. Die Forscher schätzen, dass das Land inzwischen etwa 30 Sprengköpfe zusammengebaut hat und über genügend spaltbares Material für bis zu 70 Sprengköpfe verfügt.

"Wir driften in eine der gefährlichsten Perioden der Menschheitsgeschichte", sagte der Sipri-Direktor Dan Smith. Er forderte, die Nukleardiplomatie wiederherzustellen und die internationalen Kontrollen von Atomwaffen zu verstärken. Neun Staaten verfügen laut Sipri über Atomwaffen: Neben Russland und den USA, China, Indien und Nordkorea sind es Frankreich und Großbritannien sowie Pakistan und Israel. Deutschland besitzt keine Atomwaffen.

© SZ/KIR/dpa/tpa - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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