Gleichbehandlungsgesetz:"Ich würde mir wünschen, dass wir die Debatte sachlich führen"

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"Ich finde es gut, dass endlich über das Antidiskriminierungsrecht in Deutschland debattiert wird", sagt die Unabhängige Antidiskriminierungsbeauftragte. (Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa)

Ferda Ataman möchte es Betroffenen leichter machen, Diskriminierungen vor Gericht zu belegen. Aus FDP und Union kommt Kritik an den Reformvorschlägen. Die gehe allerdings an der Sache vorbei, so die Antidiskriminierungsbeauftragte.

Von Constanze von Bullion und Simon Sales Prado, Berlin

Wer keine Wohnung findet wegen eines türkisch klingenden Namens, wer bei einer Bewerbung aufgrund seine Alters abgelehnt wird oder wegen eines Rollstuhls, soll bessere Chancen erhalten, gegen Diskriminierung zu klagen. So wurde es im Koalitionsvertrag beschlossen. "Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) werden wir evaluieren, Schutzlücken schließen, den Rechtsschutz verbessern und den Anwendungsbereich ausweiten", heißt es da. Ferda Ataman, die Anti-Diskriminierungsbeauftragte des Bundes, will diese Reform nun umsetzen. Ihren Vorschläge allerdings folgte scharfe Kritik. Ataman gibt sich nun kämpferisch.

"Ich finde es gut, dass endlich über das Antidiskriminierungsrecht in Deutschland debattiert wird. Ich würde mir aber wünschen, dass wir die Debatte sachlich führen und Menschen respektvoll begegnen, die sich trauen, Diskriminierung anzusprechen", sagte sie der SZ. Die Kritik an ihren Plänen aus FDP und Union gehe an der Sache vorbei, meint Ataman.

"Deutschland hat eines der schwächsten Antidiskriminierungsgesetze in Europa"

Die Antidiskriminierungsbeauftragte hatte Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) Vorschläge geschickt, wie das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) reformiert werden soll, um ihm mehr Durchschlagskraft zu verleihen. Es schützt vor Benachteiligung wegen des Geschlechts, der sexuellen Identität, der Religion und rassistischen Zuschreibungen, aber auch vor Zurücksetzung wegen des Alters, ethnischer Herkunft oder einer Behinderung, und zwar am Arbeitsplatz, im Restaurant, bei der Kontoeröffnung oder der Wohnungssuche.

Antidiskriminierungsbeauftragte
:"Das ist kein Minderheitengesetz"

Verbände kritisieren das Gleichbehandlungsgesetz schon länger, auch die Regierung will es reformieren. Ferda Ataman fordert weniger rechtliche Hürden, um gegen Diskriminierung vorzugehen - und einen stärkeren Blick auf Polizei und staatliche Behörden.

Von Simon Sales Prado

Staatliche Diskriminierung allerdings, also etwa auf der Polizeiwache oder in Schulen, erfasst das AGG nicht. Ataman will das ändern. Zudem fordert sie längere Klagefristen für Betroffene. "Deutschland hat eines der schwächsten Antidiskriminierungsgesetze in Europa", so Atman. Wer sich hier gegen Diskriminierung wehren wolle, stoße "gegen eine Mauer von Hindernissen" - oder erhalte nach endlosen Verfahren eine Summe, die "nicht einmal die Anwaltskosten deckt".

"Das Papier von Frau Ataman ist gesellschaftlicher Sprengstoff", so eine FDP-Politikerin

Auf Widerstand allerdings stieß vor allem Atamans Vorschlag, den Nachweis von Diskriminierung zu erleichtern. "Das Erfordernis, eine Benachteiligung und Indizien nachzuweisen, sollte auf die Glaubhaftmachung herabgesenkt werden", hieß es in ihrem Papier. "Das heißt, dass die überwiegende Wahrscheinlichkeit genügt." Eine unzulässige Umkehr der Beweislast, meinen nun Kritiker. ,"Das Papier von Frau Ataman ist gesellschaftlicher Sprengstoff und sät Verunsicherung allerorten", sagte die FDP-Rechtsexpertin Katrin Helling-Plahr in der Bild-Zeitung. Ihr CDU-Kollege Günter Krings nannte das Vorhaben "absurd".

Ataman weist das zurück. Um eine Umkehr der Beweislast gehe es nicht, sondern um "Beweislasterleichterungen" für Betroffene. Diese stünden bereits seit 2006 in der Gesetzesbegründung zum AGG und sollen nun lediglich in den eigentlichen Gesetzestext aufgenommen werden. "Zum Beispiel eidesstattliche Versicherungen, Testing-Verfahren oder Statistiken können ihnen vor Gericht helfen und entsprechen europäischen Recht", so Ataman. Sei etwa in einem Unternehmen schon mal eine ungleiche Bezahlung der Geschlechter offengelegt worden, könne dies vor Gericht zu Gunsten einer Klägerin wegen Diskriminierung gewertet werden. Schon jetzt sei bei einer Beschwerde auch die Gegenseite in der Pflicht zu belegen, dass sie nicht diskriminiert.

Ataman will vor allem erreichen, dass diskriminierte Menschen von ihre Klagemöglichkeiten mutiger Gebrauch machen. Unterstützt werden ihre Pläne von einem Bündnis aus 100 zivilgesellschaftlichen Organisationen - darunter auch der Zentralrat der Muslime in Deutschland, der Lesben- und Schwulenverband, der Juristinnenbund und der Behindertenrat. Den Nachweis von Indizien, wie er bisher geregelt ist, bezeichnet die Gruppe in einer Stellungnahme als zentrales Problem bei der Durchsetzung des Antidiskriminierungsrechts. Nach Schätzungen, eine Statistik gibt es nicht, haben seit 2006 nur knapp 700 Menschen wegen Diskriminierung mit Hilfe des AGG geklagt, bei 316 000 zivil- und arbeitsrechtlichen Klagen insgesamt.

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