Antidiskriminierungsbeauftragte:"Das ist kein Minderheitengesetz"

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"Es geht nicht um einzelne kleine Gruppen", sagt Ferda Ataman, Unabhängige Bundesbeauftragte für Antidiskriminierung. (Foto: Michael Kappeler/dpa)

Verbände kritisieren das Gleichbehandlungsgesetz schon länger, auch die Regierung will es reformieren. Ferda Ataman fordert weniger rechtliche Hürden, um gegen Diskriminierung vorzugehen - und einen stärkeren Blick auf Polizei und staatliche Behörden.

Von Simon Sales Prado

Diskriminierung ist in Deutschland verboten. Das ist so im Grundgesetz verankert, im Gleichbehandlungsgesetz ist das Verbot von Diskriminierungen sogar noch weiter gefasst. Weil das aber nicht alle Menschen ausreichend vor Ungleichbehandlung schützt und selbst diejenigen, die geschützt werden, ihre Rechte oft nicht wahrnehmen, möchte die Bundesregierung die Gesetzesgrundlage überarbeiten. Das ist im Koalitionsvertrag vereinbart.

Ferda Ataman, die Unabhängige Bundesbeauftragte für Antidiskriminierung, hat nun Vorschläge für die Reform vorgestellt und an das Justizministerium gesendet. Sie will im Gesetz mehr Diskriminierungsmerkmale verankern, rechtliche Hürden für Betroffene abbauen und den Wirkungsbereich auf staatliche Stellen ausweiten. Ataman kennt das Gleichbehandlungsgesetz gut, als Leiterin der Antidiskriminierungsstelle ist es die Grundlage ihrer Arbeit. Sie sagt: "Wir haben eines der schwächsten Antidiskriminierungsgesetze in Europa."

"Das derzeitige Gesetz enthält eine Reihe von Schwachstellen"

Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz - kurz: AGG - ist seit 2006 in Kraft. Verboten werden darin Ungleichbehandlungen aufgrund von Geschlecht, Religion, Weltanschauung, Behinderung, Alter, sexueller Identität, ethnischer Herkunft sowie aus rassistischen Gründen. Es gilt auf dem Arbeitsmarkt und bei sogenannten Geschäften des täglichen Lebens - dazu gehören etwa Einkäufe, Restaurantbesuche oder Bankangelegenheiten. Ataman würde den Wirkungsbereich gerne auf staatliche Stellen ausweiten, sie spricht von einer Vorbildfunktion. "Es kann nicht sein, dass an Ämter und Polizei oder die Justiz andere Maßstäbe und Erwartungen angelegt werden als an Wirtschaftsunternehmen oder einen Supermarkt."

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Immer mehr Betroffene wenden sich an die Antidiskriminierungsstelle. Die Bundesbeauftragte Ferda Ataman will auch Menschen beraten können, die im Kontakt mit Ämtern, Schulen, Justiz oder Polizei zurückgesetzt wurden.

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Als das Gleichbehandlungsgesetz eingeführt wurde, hatten kritische Stimmen vor Prozessfluten und Klagewellen gewarnt. Eingetreten ist das Gegenteil. Bis heute gehen nur relativ wenige juristische Verfahren vom AGG aus, so Bernhard Franke. Der ehemalige Leiter und frühere Chefjurist der Antidiskriminierungsstelle hat die Entwicklung des Gesetzes aus der Nähe begleitet. Er sagt: "Das derzeitige Gesetz enthält eine Reihe von Schwachstellen, die es Betroffenen erschwert, Ansprüche aus dem Gesetz geltend zu machen."

Diskriminierung soll in Zukunft nur noch glaubhaft gemacht werden

Gründe seien etwa die kurze zweimonatige Frist, um Ansprüche geltend zu machen, oder die langwierigen juristischen Prozesse, die Betroffene individuell bestreiten müssen. Beides möchte Ataman ändern. Genauso wie den Nachweis von Diskriminierungen: Bisher müssen Betroffene belegen, dass sie ungleich behandelt wurden. Wird eine Bewerbung ohne Begründung abgelehnt, ist der Grund für die Absage aber oft nicht nachvollziehbar. Ataman schlägt deswegen zwei Änderungen vor: Betroffenen soll ein Auskunftsrecht eingeräumt werden, außerdem sollen sie die Diskriminierung in Zukunft zudem nur noch glaubhaft machen müssen. Das heißt: Eine große Wahrscheinlichkeit, dass diskriminiert wurde, könnte dann genügen.

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Ataman möchte zudem die im Gesetz verankerten Diskriminierungsmerkmale erweitern. Zuletzt habe es immer mehr Anfragen bei ihrer Stelle gegeben, die nicht von bisherigen Kategorien gedeckt wurden. So sollen auch Ungleichbehandlungen aufgrund von Staatsangehörigkeit oder Elternschaft berücksichtigt und Diskriminierungen aufgrund von chronischen Krankheiten, der Geschlechtsidentität oder des Alters klarer benannt werden. "Das ist kein Minderheitengesetz, es geht nicht um einzelne kleine Gruppen, es geht am Ende darum, dass alle Menschen alle Möglichkeiten haben und fair behandelt werden."

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