Asyl:"Wir haben keinen Grund, der Bundesregierung aus der Patsche zu helfen"

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Der Grüne Robert Habeck will verhindern, dass die Maghreb-Staaten zu sicheren Herkunftsländern erklärt werden. Und legt sich dafür mit Kretschmann an.

Interview von Thorsten Denkler

Der Grünen-Politiker Robert Habeck will zusätzliche sichere Herkunftsstaaten verhindern. (Foto: dpa)

Der schleswig-holsteinische Umweltminister Robert Habeck würde seine Grünen am liebsten auf ein klares Nein zur Ausweitung der sicheren Herkunftsländer auf Marokko, Tunesien und Algerien einschwören. Winfried Kretschmann, der grüne Regierungschef aus Baden-Württemberg verhandelt aber weiter. Habeck will Spitzenkandidat der Grünen für die Bundestagswahl 2017 werden.

SZ.de: Herr Habeck, an diesem Freitag wird voraussichtlich über die Einstufung der Maghreb-Staaten als sichere Herkunftsstaaten abgestimmt. Die meisten grün mitregierten Länder sperren sich. Drei müssten zustimmen. Wie geht das aus?

Robert Habeck: Die Bundesregierung hat ein Problem, weil ihr eine Niederlage droht. Sie wäre gut beraten, die Abstimmung zu verschieben. Die Bundesregierung muss erkennen, dass die Grünen mitgestalten wollen. Aber Mitgestalten heißt eben nicht, alles durchzuwinken, was aus dem Kanzleramt kommt. Koch und Kellner ist nicht.

Manche Grüne, vor allem Winfried Kretschmann, verhandeln dennoch weiter.

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Kurz vor knapp gibt es lauter Vorschläge und Angebote der Bundesregierung und hektisch einberufene Treffen. Reden kann man über vieles, aber der vorliegende Gesetzentwurf kann nicht gutverhandelt werden.

An den Maghreb-Staaten zeigt sich, wie problematisch das Instrument der sicheren Herkunftsländer ist. Wir haben keinen Grund, der Bundesregierung aus der Patsche zu helfen. Die Union scheint jetzt erst zu begreifen, welche Machtverschiebungen im Bundesrat stattgefunden haben. Die Grünen lassen sich nicht mehr am Katzentisch abspeisen, wenn es um wichtige Gesetzesvorhaben geht.

Die Behandlung von Homosexuellen in den Maghreb-Staaten Marokko, Algerien und Tunesien ist einer der größten Kritikpunkte. Wenn es da eine Sonderregelung gäbe, wäre dann nicht eine Zustimmung möglich?

Natürlich wäre das ein richtiger Schritt. In den Maghreb-Staaten geht es aber ja nicht nur um Homosexuelle. Menschen werden in diesen Ländern gefoltert, sie werden für Nichtigkeiten eingesperrt. Es kann schon als Vaterlandsverrat gelten, ein politisches Problem auszusprechen. Die Bundesregierung hat sich bis heute nicht einmal bemüht, diese Zweifel an der Menschenrechtslage auszuräumen.

Dann kann es noch klappen bis Freitag?

Der Gesetzentwurf, der auf dem Tisch liegt, kann bis Freitag nicht gut werden. Wir haben einfach zu viele schlechte Erfahrungen mit dieser Bundesregierung gemacht. Wir haben gesehen, was aus der versprochenen Gesundheitskarte geworden ist. Ich werde also nicht aufgrund von wagen Zusagen und Protokollerklärungen irgendetwas durchwinken. Die Frage der Menschenrechte lässt sich auch nicht in einer Protokollerklärung lösen.

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Nur kommen kaum Leute nach Deutschland, die politisch verfolgt werden.

Ich streite nicht ab, dass die allermeisten, die aus dem Maghreb hierherkommen, keinen berechtigten Anspruch auf Asyl haben. Und auch nicht, dass es erstrebenswert ist, zu schnelleren Verfahren zu kommen, die für alle Klarheit bringen.

Das führt aber zu dem eigentlichen Problem. Das Asylrecht ist im Moment die einzige Chance für Menschen in Not, nach Europa und Deutschland zu kommen. Wenn es eine Frage gibt, die über den Tag hinausgeht, dann die, wie wir eine regulierte Einwanderung für Menschen in Not ermöglichen und gleichzeitig ein leistungsfähiges Asylsystem haben, für all die Menschen, die vor Krieg und Verfolgung fliehen. Das zu beantworten, ist die eigentliche politische Aufgabe.

Sie haben im letzten Herbst der Ausweitung der sicheren Herkunftsländer auf Länder des Westbalkan zugestimmt. Was ist heute anders?

Das war damals eine schwierige, aber richtige Entscheidung. Die Menschenrechtslage in den Westbalkan-Staaten ist eine andere, auch, wenn nicht alles gut dort ist. Es wurden außerdem legale Wege der Zuwanderung geschaffen. Es gab Hilfspakete für Sinti und Roma - also Verbesserungen in der Sache. Es zeigt doch, dass wir das sehr verantwortungsvoll beraten und nicht nach Schema F verfahren. Gerade weil wir beim westlichen Balkan zugestimmt haben, sage ich jetzt: Ich bin nicht überzeugt.

Winfried Kretschmann sagt: Das Verfahren bleibt ein individuelles. Und wer Anspruch auf Asyl hat, der wird Asyl bekommen.

Dass der Anspruch individuell ist, da hat er Recht. Aber der Status sicheres Herkunftsland steht eben dafür, dass alles in dem jeweiligen Land in Ordnung ist und es keinen Grund gibt, zu fliehen. Bei den Maghreb-Staaten bezweifeln das viele, ich auch. Winfried Kretschmann und ich haben da unterschiedliche Meinungen. Ich habe ihm früh gesagt, dass ich diesmal nicht zustimmen kann. Und das gilt ja für die Mehrheit der grün mitregierten Ländern. Wenn die Bundesregierung jetzt einen Rückzieher macht, liegt das daran, dass wir sagen, nein, so nicht.

Die Frage der sicheren Herkunftsstaaten ist der Union ein äußerst wichtiges Anliegen. Die Grünen wollen ab 2017 mitregieren. Gefährden Sie nicht ein mögliches schwarz-grünes Bündnis?

Ist mir egal. Solche parteitaktischen Fragen dürfen da keine Rolle spielen. Das Asylrecht steht im Grundgesetz, und mit dem Grundgesetz spielt man nicht. Das ist keine ideologische Frage und auch keine strategische Frage.

Die harsche Kritik der Union an den Grünen stecken Sie weg?

Locker. Jeder weiß, dass nach der Bundestagswahl völlig unklar ist, wer mit wem regieren wird. Aber wenn die Grünen sich schwarz machen müssen, um mit den Schwarzen regieren zu können, dann ist das genau die falsche Folgerung. Die Grünen würden jede Daseinsberechtigung verlieren. Kann sein, dass wir Partner in schwierigen Bündnissen werden, aber es kann nicht sein, dass wir unsere inhaltliche Entscheidungen jetzt darauf ausrichten.

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