Migration:Mehr sichere Herkunftsländer in Nordafrika? Unwahrscheinlich

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Sollen aus Deutschland einfacher abgeschoben werden können: Migranten aus Marokko warten im Flüchtlingslager auf Lesbos auf die Weiterreise (Bild von 2015). (Foto: dpa)
  • Der Bundesrat stimmt am Freitag über den Vorschlag der Bundesregierung ab, Algerien, Tunesien und Marokko zu sicheren Herkunfstländern zu erklären. Dann könnten Asylsuchende einfacher dorthin abgeschoben werden.
  • Einige Bundesländer haben jedoch bereits signalisiert, dass sie dagegen stimmen werden. Andere haben noch nicht entschieden.
  • Menschenrechtsorganisationen kritisieren den Vorschlag, da es in allen drei Staaten Folter gebe.

Von Bernd Dörries, Josef Kelnberger, Susanne Höll, Thomas Hahn und Cornelius Pollmer

Vor einer Woche brannte in Düsseldorf eine Flüchtlingsunterkunft, zwei Marokkaner und zwei Algerier werden verdächtigt, die Messehalle angezündet zu haben. Es ist eine von Hunderten Straftaten, die in Nordrhein-Westfalen von Nordafrikanern begangen wurden. Trotz der Kriminalitätsprobleme sperren die Grünen in Düsseldorf sich aber dagegen, Algerien, Marokko und Tunesien als sichere Herkunftsländer einzustufen. Obwohl Innenminister Ralf Jäger (SPD) ein entschiedener Befürworter dieser Einstufung ist, wird das Land sich zumindest enthalten, wenn der Bundesrat an diesem Freitag über den Vorstoß der Bundesregierung abstimmt. Doch ohne Zustimmung von mindestens drei Ländern, in denen die Grünen mitregieren, gibt es dort keine Mehrheit dafür.

Aktuelle Zusammensetzung des Bundesrates (Foto: SZ-Grafik)

Baden-Württembergs grüner Ministerpräsident Winfried Kretschmann hat sich bislang noch nicht öffentlich erklärt. Der Druck aus der eigenen Partei ist groß, dem Gesetz nicht zuzustimmen. Wegen der Verfolgung von Homosexuellen in den Maghreb-Staaten sei die Lage anders als im Falle der Balkanstaaten. Ebenso groß ist der Druck vom Koalitionspartner CDU, zuzustimmen.

Die Frage ist ein Symbolthema für die CDU, besonders für Thomas Strobl, den stellvertretenden Regierungschef und Innenminister. Er pocht auf einen Passus im Koalitionsvertrag: Das Land werde zustimmen, falls die verfassungsrechtlichen Voraussetzungen vorliegen. Genau das hat Kretschmann bis zuletzt prüfen lassen. Seine Entscheidung will er an diesem Dienstag im Kabinett begründen.

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Hessen und Rheinland-Pfalz enthalten sich

Hessen wird sich ebenfalls enthalten müssen, auf Drängen des grünen Juniorpartners in der CDU-geführten Koalition. Die hessischen Grünen waren zwar dabei, als die Länder des Westbalkans zu sicheren Herkunftsstaaten erklärt wurden, wollen eine solche Einstufung der Maghreb-Staaten aber nicht mittragen. Die Lage der Menschenrechte sei dort deutlich schlechter als auf dem Balkan, heißt es. Anders als in Baden-Württemberg gibt es in Hessens Koalition aber keinerlei Streit. CDU und Grüne hoffen auf einen Vermittlungsausschuss, damit der Bund auf die Vorbehalte eingehen könne. "Dann muss endlich geredet werden", verlautet aus der Koalition.

Auch die Ampel-Koalition in Rheinland-Pfalz wird sich enthalten müssen: SPD und FDP sind dafür, die Grünen aber dagegen.

Auch aus dem Norden kann die Bundesregierung wenig Unterstützung erwarten. Schleswig-Holsteins Innenminister Stefan Studt (SPD) hat bereits im Landtag gesagt, dass das Land mit Nein stimmen werde. Die Koalition aus SPD, Grünen und Südschleswigschem Wählerverbund (SSW) sei sich "einig, dass es dem Bund nicht gelungen ist, überzeugend darzulegen, dass es sich bei den drei Staaten um sichere Herkunftsländer handelt", teilte ein Sprecher der Staatskanzlei mit.

Die rot-grüne Regierung in Bremen entscheidet erst an diesem Dienstag über ihre Abstimmungsverhalten. Allerdings werde der SPD-Bürgermeister Carsten Sieling "vorschlagen, im Bundesrat nicht zuzustimmen", sagte ein Senatssprecher.

Die rot-grüne Regierung in Niedersachsen will sich erst kurz vor der Sitzung des Bundesrats festlegen. Eine Sprecherin teilte mit: "Sofern bis dahin keine neuen Aspekte vorliegen, ist eine Enthaltung wahrscheinlich."

Auch in Hamburg hat sich die rot-grüne Koalition noch nicht entschieden. Die drei grünen Senatoren werden für ein Nein eintreten, während vom eher konservativ denkenden Bürgermeister Olaf Scholz Zuspruch für die Initiative des Bundes zu erwarten ist.

Sachsen-Anhalt und Thüringen enthalten sich

Im Osten sind die Grünen an zwei Landesregierungen beteiligt. Claudia Dalbert, grüne Umweltministerin in Sachsen-Anhalt, kündigte an, die schwarz-rot-grüne Landesregierung werde sich im Bundesrat enthalten, die Grünen seien "nicht zustimmungsfähig".

Ähnlich argumentieren die Grünen in Thüringen, wo sie Teil einer rot-rot-grünen Landesregierung sind.

Die Menschenrechtsorganisationen Amnesty International und Pro Asyl appellierten an die Ministerpräsidenten, die geplante Asylrechtsänderung im Bundesrat zu stoppen. Die Menschenrechtslage in den drei Maghreb-Staaten sei kritisch. Es gebe dort Folter, Oppositionelle würden unterdrückt und Homosexuelle verfolgt, heißt es in einem offenen Brief an die Länderchefs.

© SZ vom 14.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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