Antisemitismus:Jüdischer Student wird in Berlin attackiert und verletzt

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Seit dem 7. Oktober solidarisieren sich immer wieder Menschen mit Jüdinnen und Juden, wie hier in Berlin, gegen zunehmende antisemitische Gewalt. (Foto: Monika Skolimowska/DPA)

Ein Student schlägt einem Kommilitonen mehrfach ins Gesicht. Die Polizei spricht von einem Streit. War es ein antisemitischer Angriff?

Von Leopold Zaak

Am Samstag lief eine Polizeimeldung über die Nachrichtenticker: Zwischen zwei Studenten soll ein Streit über den Nahostkonflikt eskaliert sein. Ein 23-Jähriger mit propalästinensischen Einstellungen soll einen 30-jährigen jüdischen Kommilitonen ins Gesicht geschlagen und getreten haben.

Der 30-Jährige L. Shapira musste schwer verletzt ins Krankenhaus und operiert werden, der flüchtige Täter wurde später gefasst. Nun widersprechen die Angehörigen des Gewaltopfers der Darstellung der Polizei: Zwischen den Studenten habe es keinen Streit gegeben - der Täter habe unvermittelt zugeschlagen.

Auf X sagt der Bruder des Opfers: "Es gab keinerlei politische Debatte."

Der Bruder des Opfers, der Comedian Shahak Shapira, veröffentlichte Details zu dem Vorfall. Bei X schrieb er: "Es gab keinerlei politische Debatte." Täter und Opfer sollen sich in einer Bar begegnet sein - der Beschuldigte kannte den jüdischen Studenten offenbar, weil der propalästinensische Aktionen an der Freien Universität Berlin kritisiert und sich für die Belange jüdischer Studenten eingesetzt hatte. "Er wurde vom Angreifer in der Bar erkannt, dieser ist ihm und seiner Begleitung gefolgt, hat sie aggressiv angesprochen und ihm dann unangekündigt ins Gesicht geschlagen", schreibt Shapira weiter.

Shahak Shapira, Bruder des Opfers, ist Schriftsteller, Musiker und Comedian. (Foto: Gregor Fischer/DPA)

Die Familie des Opfers war wiederholt Ziel antisemitischer Angriffe

Auch die Mutter des Opfers äußerte sich entsprechend. Dem israelischen Portal Ynet sagte sie, ihr Sohn sei "als Zionist abgestempelt" worden. Der Täter habe ihren Sohn angeschrien, weil er sich für die Freilassung der Geiseln aus der Gewalt der Hamas einsetzte. Dann soll er plötzlich zugeschlagen haben. "Er war voller Hass", zitiert Ynet die Mutter des Opfers.

Der Staatsschutz beim Landeskriminalamt ermittelt nun in dem Fall. Er ist zuständig bei politisch motivierten Straftaten.

Die Familie des Opfers hat in der Vergangenheit bereits massive antisemitische Gewalt erfahren. Sein Großvater väterlicherseits, Amitzur Shapira, war Teil der israelischen Delegation bei den Olympischen Spielen in München 1972. Er und zehn weitere israelische Sportler und Trainer wurden von der palästinensischen Terrorgruppe "Schwarzer September" ermordet. Der Großvater mütterlicherseits hatte den Holocaust überlebt - als Einziger seines Familienzweigs. Sein Enkel L. Shapira wurde 2010 von einem Rechtsextremisten zusammengeschlagen, Shahak Shapira war 2015 ebenfalls Ziel eines antisemitischen Angriffs.

Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner: "Niederträchtiger Angriff"

Seit dem Überfall der Hamas auf Israel am 7. Oktober kommt es in Deutschland vermehrt zu antisemitischer Gewalt und zu Protesten gegen Jüdinnen und Juden - auch an der FU Berlin. Im Dezember hatten propalästinensische Studierende Vorlesungssäle besetzt, jüdischen Studierenden soll der Zutritt verweigert worden sein. Einer dieser Studierenden war offenbar L. Shapira.

Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU) sprach von einem "niederträchtigen Angriff", er forderte auf der Plattform X eine konsequente Bestrafung. Von der Leitung der FU Berlin erwarte er, gegen Antisemitismus vorzugehen und aktiv zu werden, "wenn sich solche Entwicklungen abzeichnen".

Die FU veröffentlichte zu dem Fall zunächst ein sehr allgemeines Statement: Man distanziere sich "von jeglicher Form von Hetze und Gewalt", heißt es in einem Beitrag bei X. Am Montag folgte dann ein zweites: Man verurteile den Angriff "auf das Schärfste" und prüfe juristische Schritte. Man sei "zutiefst entsetzt über den brutalen, mutmaßlich antisemitisch motivierten Angriff auf einen jüdischen Studenten unserer Universität", teilte Uni-Präsident Günter Ziegler mit. Auch werde geprüft, ob man gegen den Täter ein Hausverbot erwirken könne. Die Uni versicherte, alles zu unternehmen, um eine Bedrohung jüdischer Studierender auf dem Campus zu verhindern.

Korrekturhinweis: In einer früheren Version dieses Textes hieß es, Shapiras Angehörige hätten behauptet, L. Shapira sei verprügelt worden, weil er Jude sei. Das ist falsch. Shapiras Angehörige wollen sich vorerst zum Motiv der Tat nicht äußern. Der Text ist entsprechend geändert worden.

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