Im Grunde ist die Geschichte ein Trauerspiel. Helmut Kohl, der Kanzler der Einheit und Ehrenbürger Europas, sitzt fast sprachlos in seinem Bungalow - abgeschottet oder beschützt von seiner Frau Maike; je nach Sichtweise. Der 86-Jährige kann sich zum Lauf der Welt schon lange nicht mehr so erklären, wie er es gerne möchte. Im vergangenen Sommer sah sich Kohls Frau sogar bemüßigt, ein Interview zur Frage zu geben, ob Kohl der Griechenland-Hilfe zugestimmt hätte.
Was Kohl denkt, erfährt man oft nur noch über seine Frau oder seinen Lieblingsjournalisten von der Bild-Zeitung.
Genau deshalb ist es auch im aktuellen Fall schwer, die wahren Absichten Kohls zu ergründen. Trifft er Viktor Orbán, den scharfen Kritiker Angela Merkels, um sich von der Flüchtlingspolitik der Kanzlerin zu distanzieren? Oder freut sich Kohl einfach, dass ihm ein alter Bekannter den Hof machen will?
Als Orbán das erste Mal Ministerpräsident wurde, war Kohl noch Kanzler. Vor zwei Jahren pries der Ungar den Deutschen als "großen Gestalter der Geschichte des 20. Jahrhunderts"; so jemanden trifft man gern. Vielleicht stimmt aber auch, was einige in Berlin raunen: dass Kohls Frau das Treffen eingefädelt habe, weil sie Merkel nicht leiden könne.
Was auch immer hinter dem Treffen Kohls mit Orbán steckt, Merkel kann es nicht gefallen. Denn es wird in der Öffentlichkeit als deutliche Kritik an der Kanzlerin verstanden werden.
