Europawahl 2024:AfD überprüft Lebensläufe ihrer Kandidaten

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Rücktritt nach dem Aufritt? Der AfD-Kandidat Arno Bausemer steht unter Verdacht, seinen Lebenslauf aufgehübscht zu haben. (Foto: Hendrik Schmidt/DPA)

Weil zwei der Bewerber auf der Europawahlliste ihren Werdegang geschönt haben könnten, lässt die AfD sich nun von allen Zeugnisse vorlegen. Unstimmigkeiten könnten teure Folgen haben.

Von Tim Frehler

Zwei Wochenenden hatte sich die AfD Zeit genommen, um ihre Kandidatenliste für die Europawahl aufzustellen. Nun bringen mögliche Falschangaben in den Lebensläufen zweier Bewerber die Partei in die Bredouille - womöglich muss sie sogar ihre gesamte Liste neu wählen.

Auf ihrer Wahlversammlung in Magdeburg fragte die AfD alle Bewerber für das Europaparlament, ob sie eine Berufsausbildung oder ein Studium abgeschlossen haben. Arno Bausemer, Listenplatz zehn, beantwortete die Frage mit "ja". Recherchen des Portals T-Online legen jedoch nahe, dass diese und weitere Angaben in Bausemers Lebenslauf mindestens aufgehübscht sind.

Mary Khan-Hohloch, Listenplatz 14, gibt auf der AfD-Homepage an, "erfolgreich Religionswissenschaft und Öffentliches Recht (Bachelor of Arts)" studiert zu haben. Auch daran hegen AfD-Mitglieder T-Online zufolge Zweifel. Ebenso an Khan-Hohlochs Angabe, sie verfüge über vier Jahre Berufserfahrung.

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Eine gewählte Kandidatenliste lässt sich nicht einfach aufschnüren

Die Parteispitze will diese Vorwürfe nun untersuchen. Alle 35 Kandidaten sollen dem Bundesgeschäftsführer der Partei und zwei Vertrauenspersonen bis zum 11. September Unterlagen zu den von ihnen gemachten Angaben über ihren Berufs- oder Studienabschluss vorlegen. Das Ergebnis der Prüfung soll dem Bundesvorstand am 18. September vorgestellt werden. Noch nicht geklärt ist allerdings, wie die AfD damit umgeht, wenn sich herausstellt, dass die Angaben der Bewerber der Prüfung nicht standhalten - und wenn auch bei weiteren Kandidaten Zweifel aufkommen.

Personen nachträglich von der Liste nehmen, das gehe nicht, sagt die Rechtswissenschaftlerin Sophie Schönberger. "Wenn man einfach Kandidaten streicht, darf der Bundeswahlleiter die Liste nicht annehmen", sagt Schönberger. Ihrer Ansicht nach können auch einzelne Plätze nicht neu gewählt werden, schließlich hänge bei einer Listenwahl ja alles miteinander zusammen. Die Wahl für Platz eins hat Auswirkungen auf die Abstimmung zu Platz zwei und so weiter. "Das ist ein einheitlicher Vorgang, der braucht eine einheitliche Legitimation", sagt Schönberger. Man könne ihn zwar wiederholen, aber nicht wieder aufschnüren.

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Die AfD war vor Jahren schon einmal mit einem ähnlichen Fall konfrontiert: Vor der Landtagswahl 2014 in Sachsen belegte Arvid Immo Samtleben Listenplatz 14, bis ihn Vertrauensleute der Partei von der Liste strichen. Dagegen legte Samtleben Beschwerde ein. Der sächsische Verfassungsgerichtshof rügte die Streichung 2018 als Wahlfehler: Die Vertrauenspersonen hätten die Liste nicht am Parteitag vorbei ändern und der Wahlausschuss nur die ursprüngliche Liste zulassen dürfen, sagte die Vorsitzende Richterin damals. Die Landtagswahl blieb jedoch gültig.

Es dürfte also schwer werden für die AfD, die mutmaßlichen Hochstapler von der Liste zu bekommen, ohne diese komplett neu zu wählen. Das wiederum wäre mit riesigem Aufwand und hohen Kosten verbunden. "Eine etwaige Rücknahme einzelner Kandidaten" sei "bislang überhaupt nicht thematisiert worden", teilte die AfD auf Anfrage mit.

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