Europawahl 2024:AfD hält an Schummel-Kandidaten fest

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Auf dem Weg nach oben trotz falscher Angaben zur Ausbildung? Arno Bausemer, Spitzenkandidat der AfD Sachsen-Anhalt für die Europawahl 2024. (Foto: Hendrik Schmidt/DPA)

Es gibt Zweifel an den Lebensläufen zweier Europawahl-Kandidaten der AfD. Die Parteispitze aber will ihre Kandidatur nicht für ungültig erklären - es geht um viel Geld.

Von Roland Preuß, Berlin

Die AfD will trotz mutmaßlich falscher Angaben zweier Bewerber an ihrer Kandidatenliste für die Europawahl kommenden Juni festhalten. Das erklärten die Parteichefs Alice Weidel und Tino Chrupalla am Dienstag. Damit will die Parteiführung offenbar verhindern, dass durch einen Ausschluss der Kandidaten ein neuer, teurer Parteitag nötig wird. Eine Wiederholung des Parteitags sei "weder angeraten, notwendig, noch verhältnismäßig".

Die AfD hatte sich nach Berichten über mutmaßliche Schummeleien im Lebenslauf Belege von allen 35 AfD-Kandidaten vorlegen lassen, am Montagabend beriet darüber der Bundesvorstand. Die Ergebnisse belegten "mit Ausnahme der beiden bekannten Fälle", dass alle Angaben zu Berufs- und Studienabschlüssen "der Wahrheit entsprechen", erklärten die Parteivorsitzenden.

Es war ein Praktikum, kein Berufsabschluss

Bei den Europawahl-Kandidaten Arno Bausemer und Mary Khan-Hohloch waren große Zweifel aufgekommen, ob sie beim Parteitag in Magdeburg ihren Lebenslauf richtig dargestellt haben. Die AfD hatte alle Kandidaten verpflichtet, vor der Abstimmung über die Listenplätze für die Wahl zum Europaparlament Angaben zu ihrem Lebenslauf zu machen, etwa, ob sie eine Berufsausbildung oder ein Studium abgeschlossen haben. Die Angaben wurden den Delegierten vor den Abstimmungen auf großen Bildschirmen gezeigt.

Bausemer hatte angegeben, eine Berufsausbildung abgeschlossen zu haben, auf der AfD-Internetseite der Kandidaten gibt er nach wie vor an, er habe "ein journalistisches Volontariat absolviert". Nach Recherchen von T-Online handelte es sich bei seiner Ausbildung allerdings lediglich um ein neunmonatiges Volontariatspraktikum, das er während seines Studiums beim MDR absolvierte und das dem Bericht zufolge laut MDR nicht als Berufsabschluss gilt. Bausemer erklärte auf Anfrage, er habe seiner Partei Ausbildungsplan, Ausbildungsvertrag und Volontariatszeugnis vorgelegt. Er werde "selbstverständlich für die AfD für das Europäische Parlament kandidieren". Chrupalla sagte dagegen auf Nachfrage im Bundestag: "Herr Bausemer hat keinen abgeschlossenen Berufsabschluss."

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Bei Mary Khan-Hohloch geht es um ihre Angabe, sie habe "erfolgreich Religionswissenschaft und Öffentliches Recht (Bachelor of Arts)" studiert, wie es bis heute auf der AfD-Kandidatenseite heißt. Schon während des Parteitages waren Zweifel daran - und an den angegebenen vier Jahre Berufserfahrung - laut geworden. Ein Antrag eines Delegierten, sie deshalb abzuwählen, war jedoch mit Hilfe von Partei-Co-Chefin Alice Weidel schnell niedergebügelt worden. Chrupalla deutet nun an, dass Khan-Hohloch erst im Nachhinein einen Studiennachweis beibringen konnte, wollte aber nicht bestätigen, dass dieser zum Zeitpunkt der Bewerbung noch nicht existierte. In der Erklärung heißt es: "Zur Zeit der Bewerbungsreden lagen keine berufs- oder studienqualifizierenden Abschlüsse vor." Khan-Hohloch habe aber mittlerweile einen Nachweis für ihr Studium vorgelegt. Khan-Hohloch hatte die Vorwürfe stets bestritten.

Die Basis wittert Vetternwirtschaft

Beide Fälle hatten Unmut an der AfD-Basis hervorgerufen. Es stand der Vorwurf im Raum, hier werde Vetternwirtschaft betrieben, Netzwerke schanzten sich lukrative Posten im EU-Parlament zu. Khan-Hohlochs Mann Dennis Hohloch sitzt im AfD-Bundesvorstand, der jetzt über das weitere Vorgehen bestimmte.

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Wäre die Kandidatur von Bausemer und Khan-Hohloch für ungültig erklärt worden, so hätte dies weitreichende Folgen gehabt. Nach Einschätzung von Juristen können einzelne Kandidaten nicht ausgetauscht werden, unter anderem, weil die Aufstellung der Bewerberlisten in der Regel austariert ist, zum Beispiel zwischen den Flügeln einer Partei. Es müsste die gesamte Liste mit 35 Kandidaten neu gewählt werden. Dazu benötigte die AfD Ende Juli und Anfang August in Magdeburg zwei volle Wochenenden, die Kosten beliefen sich Parteikreisen zufolge auf mehrere Hunderttausend Euro.

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