Baden-Württemberg:Bundestagsabgeordneter verlässt AfD nach Querelen bei Parteitag

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Es gehe ihm ausdrücklich nicht um einen Rechtsruck in der AfD, sagt der Bundestagsabgeordnete Thomas Seitz über seinen Austritt aus der Partei. (Foto: Carsten Koall/dpa)

In seiner Abschiedserklärung spricht Thomas Seitz von einem Gefühl des "puren Ekels" vor seiner Ex-Partei. Außerdem kritisiert er ein "System Günstlingswirtschaft" und Parteichefin Alice Weidel.

Von Roland Preuß und Philipp Saul

Die AfD-Fraktion im Deutschen Bundestag schrumpft erneut. Nach der Bundestagswahl im Herbst 2021 war sie mit 82 Mitgliedern in die Legislaturperiode gestartet, jetzt zählt sie nur noch 77 Mandatsträger. Grund ist das Ausscheiden des Abgeordneten Thomas Seitz aus Südbaden aus Partei und Bundestagsfraktion. Er trete mit Wirkung zum 31. März aus, teilt Seitz auf seiner Internetseite und seinen Social-Media-Kanälen mit. Er hadere damit, wozu sich die Partei entwickelt habe, schreibt Seitz, er spricht von einem "System Günstlingswirtschaft" und kritisiert scharf Alice Weidel, die Co-Vorsitzende von Partei und Bundestagsfraktion.

Ausschlaggebend für den Austritt sei demnach der Sonderparteitag der AfD in Baden-Württemberg Ende Februar. Bereits während der Versammlung habe er das dringende Bedürfnis gehabt, sofort aus der Partei auszutreten, habe dies aber über Wochen zurückgestellt, und noch immer sei er innerlich zerrissen. "Aber das vorherrschende Gefühl ist immer noch das des puren Ekels vor meiner eigenen Partei", schreibt Seitz. Anders als bei vorherigen Austritten, wie etwa der Bundestagsabgeordneten Joana Cotar, stört Seitz nach eigenen Worten nicht der Rechtsruck der Partei oder die Nähe von Führungsfiguren zu Russland. Seitz kündigte an, sein Mandat als fraktionsloser Abgeordneter weiter wahrzunehmen.

Ein Parteitag, der von Chaos und Tumult geprägt war

Der Parteitag der AfD Baden-Württemberg am 24. und 25. Februar in Rottweil war von Chaos geprägt. Im Landesverband tobt ein Machtkampf zweier Lager. Die Vorstandsmitglieder stritten auf offener Bühne darüber, ob die Veranstaltung abgehalten werden kann. Es standen im Saal zu wenig Plätze zur Verfügung, es gab tumultartige Szenen. Alle Anwesenden mussten zunächst noch einmal aus der Stadthalle heraus, um die, die nicht stimmberechtigt sind, auszusortieren. Der Versammlungsleiter hatte den Parteitag zunächst für geschlossen erklärt.

So als wäre nichts gewesen, ist Seitz zufolge ein zweiter Parteitag eröffnet worden, um zu wählen und die Satzung zu ändern. Das Führungsduo, der Bundestagsabgeordnete Markus Frohnmaier und der Landtagsabgeordnete Emil Sänze, hatten sich bei der Wahl im Amt behaupten können. Seitz spricht in seiner Erklärung von einem "Putsch der Vorsitzenden". Auch andere Teilnehmer des Landesparteitags übten nach der Versammlung Kritik. Einige Mitglieder forderten eine Wiederholung und Neuwahl des Landesvorstands. Frohnmaier und Sänze gelten als Vertreter des Lagers um AfD-Chefin Weidel. Diese gehört dem Landesverband Baden-Württemberg an und hatte ebenfalls an dem Parteitag teilgenommen.

Seitz wirft Weidel vor, sie habe die Täuschungen durch AfD-Kandidaten für die Europawahl auf dem Parteitag vergangenen Sommer in Magdeburg ignoriert und fördere ohne Rücksicht auf Regeln ihre eigenen Leute. "Wenn die AfD nur dazu taugt, den schwarzen, roten und neuerdings grünen Filz durch blauen Filz zu ersetzen, dann braucht es keine AfD", schreibt Seitz. Er frage sich, "ob ein Weidel-Clan nicht noch viel schlimmer wäre als der Habeck-Clan", erklärt Seitz in Anspielung auf Filz-Vorwürfe gegen Habecks Ministerium, die zum Rücktritt seines Staatssekretärs Patrick Graichen geführt hatten.

In der AfD-Bundestagsfraktion zeigte man sich am Montag überrascht von dem Austritt. "In der Fraktion gab es keine Konflikte, Seitz war nicht isoliert", sagte ein Sprecher der SZ. "Nun wäre es konsequent, wenn Herr Seitz auch sein Mandat zurückgeben würde." Der AfD-Landesvorsitzende Frohnmaier forderte Seitz im SWR ebenfalls auf, "sofort sein Mandat niederzulegen".

Seitz will Mitarbeitern Bewaffnung ermöglichen

Seitz ist in der Vergangenheit mehrfach öffentlich aufgefallen. Nach rassistischen Äußerungen entschied ein Gericht 2021, dass er nicht mehr als Staatsanwalt arbeiten darf. Er war 2018 aus dem Beamtenverhältnis entfernt worden. Mitte März hatte der 56-Jährige Aufregung ausgelöst, als er aus seiner Sicht unzureichende Bewaffnungsmöglichkeiten für Mitarbeiter des Bundestages auf dem täglichen Arbeitsweg kritisierte.

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