Baden-Württemberg:AfD-Mitglieder wollen Landesparteitag wiederholen lassen

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Bei dem Streit geht es auch um ihre Interessen: AfD-Chefin Weidel während des Parteitags in Rottweil. (Foto: Christoph Schmidt/dpa)

Es waren chaotische Zustände Ende Februar: Der Parteitag der AfD im Südwesten stand kurz vor dem Abbruch. Drei Kläger wehren sich nun gegen die Wahl des neuen Landesvorstands. Darunter ist auch eine alte Bekannte.

Von Tim Frehler, München

Der Landesverband der AfD in Baden-Württemberg kommt nicht zur Ruhe. Wie aus einem anwaltlichen Schreiben, das der Süddeutschen Zeitung vorliegt, hervorgeht, beantragen mehrere AfD-Mitglieder, die Wahl des Landesvorstands beim Parteitag im Februar für unwirksam zu erklären. Die drei Antragssteller fordern "unverzüglich eine Wahlversammlung zur Wiederholung des Landesparteitages" und Neuwahlen.

Ende Februar traf sich die AfD in Baden-Württemberg zu einem außerordentlichen Parteitag in der Stadthalle in Rottweil. Hauptsächlich ging es darum, den Vorstand des Landesverbandes neu zu wählen. Im alten Führungsgremium standen sich zwei Lager unversöhnlich gegenüber: sieben Ehrenamtliche auf der einen, sechs Mandatsträger auf der anderen Seite. Zu letzteren gehörten auch die neuen (und alten) Landeschefs, der Landtagsabgeordnete Emil Sänze und der Bundestagsabgeordnete Markus Frohnmaier.

Die Wahl des Landesvorstands war ein Erfolg für Alice Weidel

Brisant an dem Streit ist, dass es sich in Baden-Württemberg um den Landesverband der AfD-Bundessprecherin Alice Weidel handelt, sie war hier selbst einmal Landessprecherin. Sänze und Frohnmaier gelten als ihre Vertrauten. Dementsprechend lag in der Wiederwahl der beiden in Rottweil auch ein Erfolg für die Parteichefin.

Der könnte nun in Gefahr geraten: Wie aus dem anwaltlichen Schreiben hervorgeht, konzentriert sich die Kritik der Antragssteller vor allem auf die Ereignisse am Samstagvormittag, dem ersten der beiden Tage, für die der Parteitag angesetzt war. Einlass und Akkreditierung in Rottweil begannen bereits um 8 Uhr, sodass die Stadthalle zum eigentlichen Beginn um 10 Uhr weitestgehend voll war. In der Kälte warteten aber immer noch Besucher auf ihren Einlass. Das führte zu Unstimmigkeiten.

So heißt es im Antrag an das Landesschiedsgericht: "Um 10:39 Uhr eröffnet Reimond Hoffmann den Parteitag und schließt diesen wieder". Hoffmann sei laut dem Schreiben zuvor als Mitglied des Landesvorstands zur Eröffnung des Parteitages zum Versammlungsleiter bestimmt worden. Die postwendende Absage habe bei den wartenden Mitgliedern draußen dazu geführt, dass diese den Heimweg angetreten hätten und somit nicht an der Abstimmung über den neuen Landesvorstand teilnehmen konnten.

Die Antragssteller begründen ihre Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Parteitages noch mit einem weiteren Punkt: Der Bundestagsabgeordnete Thomas Seitz habe in Rottweil mehrfach darauf hingewiesen, dass der Parteitag, zu dem ursprünglich eingeladen wurde, durch die Absage beendet wurde. Für den Parteitag, der anschließend stattgefunden habe, sei jedoch nicht ordnungsgemäß eingeladen worden - die Versammlung sei daher unrechtmäßig.

Am Mittwoch reagiert der Landesvorstand

Das Schreiben zur Anfechtung des Parteitages stammt vom 19. März. Knapp eine Woche später, am Mittwochvormittag, reagiert dann der Landesvorstand der AfD auf den Antrag an das Schiedsgericht. Um kurz vor elf Uhr wird ein Mitgliederbrief herumgeschickt, der der SZ ebenfalls vorliegt. "Es handelt sich aus Sicht des Landesvorstands um eine politische Intrige derjenigen Kräfte, die in Rottweil demokratisch unterlegen sind", schreiben die Mitglieder des nun amtierenden Landesvorstands.

Die Kritik, der Parteitag sei fortgesetzt worden, obwohl er schon für beendet erklärt wurde, will man im aktuellen Landesvorstand nicht gelten lassen. Reimond Hoffmanns Vorgehen, den Parteitag zu eröffnen und zu beenden, sei "offensichtlich rechtsmissbräuchlich" gewesen und könne "daher keinen Bestand haben". Außerdem habe Hoffmann selbst am weiteren Verlauf des Parteitages teilgenommen, heißt es in dem Rundbrief. Dem Vorwurf, Mitglieder seien abgewiesen worden, wird entgegnet: "Nach dem Herausbitten der nicht stimmberechtigten Gäste konnte zu jedem Zeitpunkt jedes Mitglied am Parteitag teilnehmen."

Das sind die Punkte, um die es vordergründig geht. Im Hintergrund der aktuellen Auseinandersetzungen läuft aber schon seit Längerem ein Streit zwischen Parteichefin Alice Weidel und dem Bundestagsabgeordneten Dirk Spaniel aus dem Wahlkreis Stuttgart. Während die beiden Landeschefs, Sänze und Frohnmaier, zum Weidel-Lager gerechnet werden, gilt Spaniel als Unterstützer der sieben Ehrenamtlichen aus dem alten Landesvorstand. Gegenüber dem Online-Portal The Pioneer, das am Mittwoch zuerst über die Anfechtungsklage berichtet hatte, bestritt Spaniel direkt an der Klage beteiligt zu sein.

Doris von Sayn-Wittgenstein gehört wohl zu den Klägern

Gleichwohl ist er aber Gegenstand des Mitgliederschreibens. Spaniel habe schon während des Parteitages "damit begonnen, nach potenziellen Mitgliedern zu suchen, die angeblich abgewiesen wurden", heißt es im Mitgliederbrief. Angefügt ist der Screenshot einer Chatnachricht, die Spaniel mutmaßlich am zweiten Tag des Parteitages verschickt haben soll und in der steht: "Ich bitte darum, dass sich alle bei mir melden, die gestern abgewiesen wurden oder gegangen sind, weil sie lange draußen in der Kälte warten mussten." Jörg Feuerbacher, einer der drei Antragssteller, sei "übrigens der Vorstandskollege von Herrn Dr. Spaniel in Stuttgart", schreibt der Landesvorstand.

Interessant ist auch, wer neben Feuerbacher zu den Antragsstellern gehört - eine Frau nämlich, die innerhalb der AfD und der rechten Szene bekannt ist: Doris von Sayn-Wittgenstein. Die 69-Jährige war früher Landeschefin in Schleswig-Holstein und wäre 2017 als nahezu unbekannte Kandidatin beinahe Bundesvorsitzende geworden. Wegen rechtsextremer Kontakte wurde sie 2019 aber aus der AfD ausgeschlossen, die Parteiführung warf ihr parteischädigendes Verhalten vor. Sayn-Wittgenstein klagte und hatte Erfolg. Ende Februar wurde bekannt, dass der AfD-Bundesvorstand seine Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Berlin zurückgezogen hat - Sayn-Wittgenstein ist damit weiter Parteimitglied, laut Angaben eines Parteisprechers gegenüber der Deutschen Presse-Agentur sei sie inzwischen aber im Kreisverband Rhein-Neckar organisiert.

Bleibt die Frage, wie es weitergeht. Sollte das Schiedsgericht der Argumentation der Antragssteller folgen, könnte es verfügen, "dass die Vorstandswahl wiederholt wird", sagt Sophie Schönberger, Inhaberin des Lehrstuhls für Öffentliches Recht an der Heinrich-Heine Universität Düsseldorf. Bis zur Wahl eines neuen Landesvorstands wäre dann der alte geschäftsführend im Amt. Also alles wieder auf Anfang. Wann die Sache geklärt wird, ist unklar. Solange dürfte jedoch weiter gelten, was für die AfD im Südwesten bislang schon galt: Sie beschäftigt sich hauptsächlich mit sich selbst.

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:Machtkampf nach Art der AfD

Kommentar von Tim Frehler

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