AfD:Sayn-Wittgenstein muss gehen

Bundesschieds­gericht der Partei bestätigt Ausschluss der Landeschefin von Schleswig-Holstein.

Von Jens Schneider, Berlin

Doris von Sayn-Wittgenstein

Doris von Sayn-Wittgenstein will "auf alle Fälle vor die ordentlichen Gerichte gehen", um ihren Ausschluss doch noch abzuwenden.

(Foto: Frank Molter/dpa)

Die Landesvorsitzende der AfD in Schleswig-Holstein, Doris von Sayn-Wittgenstein, soll nun definitiv die Partei verlassen. Das Bundesschiedsgericht der AfD bestätigte an diesem Mittwoch als letzte Instanz die Entscheidung des Bundesvorstands, die 64-jährige Politikerin aus dem äußersten rechten Lager der AfD aus der Partei auszuschließen. Ihr wird von der Parteiführung parteischädigendes Verhalten vorgeworfen. Als Grund wird konkret eine frühere Fördermitgliedschaft in einem Verein gewertet, der vom thüringischen Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestuft wurde. Dieser Verein steht auf der sogenannten Unvereinbarkeitsliste der AfD, in der die Organisationen aufgeführt sind, denen Parteimitglieder nicht angehören sollen.

Sayn-Wittgenstein hat angekündigt, sich juristisch gegen den Ausschluss zu wehren. "Das ist vielleicht auf Parteiebene die letzte Instanz", sagte sie dem NDR. Sie werde "auf alle Fälle vor die ordentlichen Gerichte gehen". Sie nannte das Urteil des Bundesschiedsgerichts der Partei politisch gefärbt. Sie will auch weiter Landesvorsitzende bleiben. Nach ihrer Auffassung muss sie dazu nicht in der Partei sein. "Wir haben keinen Passus, wonach ich nur Vorsitzende sein kann, wenn ich Mitglied bin", sagte Sayn-Wittgenstein. Sie habe das Vertrauen der Mitglieder, "zumindest derjenigen, die mich gewählt haben".

Ein Parteisprecher widersprach: Ohne die Rechte eines Parteimitglieds könne Sayn-Wittgenstein nicht Landesvorsitzende bleiben. Der Posten soll nach den Vorstellungen der Parteiführung nun bis zu einer Nachwahl unbesetzt bleiben. Die Geschäfte des Landesverbandes führen bis dahin ihre Stellvertreter Joachim Schneider und Roland Kaden.

2017 wäre Sayn-Wittgenstein beinahe Bundesvorsitzende der AfD geworden

Sayn-Wittgenstein wurde als AfD-Politikerin durch ihre Rolle im internen Richtungsstreit bekannt. Im Dezember 2017 wäre sie beinahe Bundesvorsitzende der AfD an der Seite von Jörg Meuthen geworden. Auf dem Bundesparteitag in Hannover trat die damals unbekannte Landespolitikerin gegen den Berliner Landesvorsitzenden Georg Pazderski an. Im ersten Wahlgang lag sie vorn, ihr fehlte nur eine Stimme. Dieser Erfolg gegen den als pragmatisch geltenden Pazderski wurde als Machtdemonstration des rechtsnationalen Flügels gewertet. Nach einem Patt im nächsten Wahlgang zog sie ihre Kandidatur zurück, der heute amtierende Ko-Vorsitzende Alexander Gauland wurde gewählt.

Sayn-Wittgenstein fand aber weiter Rückhalt in der Partei. Im Frühsommer wurde sie trotz des laufenden Ausschlussverfahrens in Schleswig-Holstein erneut zur Landesvorsitzenden gewählt.

Das Verfahren um den Ausschluss beschäftigt die Parteispitze seit Monaten. Zuletzt hatte im Frühjahr das Landesschiedsgericht in Schleswig-Holstein entschieden, dass sie in der Partei bleiben dürfe. Der Bundesvorstand rief die nächste Instanz an. Der Vorsitzende der AfD-Fraktion im Kieler Landtag, Jörg Nobis, begrüßte den Ausschluss als "wichtiges Signal in die AfD wie in die Öffentlichkeit". Für die Mitglieder der AfD gebe es eine rote Linie, deren Überschreitung stets zum Ende der Mitgliedschaft führt, "unabhängig davon, welche Funktion oder welches Amt ein Mitglied in der Partei gerade innehat".

Die Parlamentarierin war im Dezember auch aus der AfD-Fraktion im Kieler Landtag ausgeschlossen worden. Sie hat dagegen geklagt. Das Landesverfassungsgericht in Schleswig will an diesem Donnerstag seine Entscheidung in dem Fall bekannt geben.

Schwerer Schaden

Die rechtlichen Voraussetzungen für einen Parteiausschluss sind in Paragraf 10, Absatz 4 des Parteiengesetzes festgelegt. Danach kann ein Mitglied "nur dann aus der Partei ausgeschlossen werden, wenn es vorsätzlich gegen die Satzung oder erheblich gegen Grundsätze oder Ordnung der Partei verstößt und ihr damit schweren Schaden zufügt." Der vorsätzliche Satzungsverstoß und der erhebliche Verstoß gegen Grundsätze oder Ordnung der Partei stehen alternativ nebeneinander, ein schwerer Schaden muss jeweils hinzutreten, heißt es in einem Gutachten des wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags. Für einen Parteiausschluss reicht ein parteischädigendes Verhalten für sich genommen nicht aus. Der schwere Schaden ist in der Regel kein materieller, sondern ein Schaden insbesondere für Glaubwürdigkeit und Ansehen der Partei. Der Schaden tritt meist dann ein, wenn das Verhalten des Mitglieds öffentlich wird. SZ

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