Die Bundesregierung will Frauen künftig besser vor radikalen Abtreibungsgegnern schützen. In ihrer Kabinettssitzung beschloss die Ampelkoalition, die sogenannte Gehsteigbelästigung zu verbieten. So werden Protestaktionen von Abtreibungsgegnern in der Nähe von Beratungsstellen, Krankenhäusern und Arztpraxen bezeichnet, die zu Schwangerschaftsabbrüchen beraten oder sie selbst vornehmen.
Beratungsstellen, zum Beispiel von Pro Familia, hatten immer wieder davon berichtet, dass Rat suchende Frauen und Beschäftigte von radikalen Abtreibungsgegnern belagert werden. Diese stehen beispielsweise vor den Einrichtungen, beten laut und halten dabei Schilder mit religiösen Motiven vor sich. Solche Aktionen innerhalb eines Radius von 100 Metern zum Gebäude sollen nach dem Gesetzentwurf als Belästigung mit einer Geldbuße von bis zu 5000 Euro geahndet werden können.
Wie viele Einrichtungen von der neuen Regelung betroffen wären, ist nicht zentral erfasst. Die Bundesärztekammer listet bundesweit 375 Kliniken und niedergelassene Ärzte, die Schwangerschaftsabbrüche nach einer Beratung vornehmen. Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung hat in einer Datenbank außerdem mehr als 1500 Beratungsstellen gesammelt.
Abtreibung:Leben und leben lassen
Die Regierung möchte, dass Ärzte wieder über Schwangerschaftsabbrüche aufklären dürfen. Gut für viele Frauen. Zu Besuch bei Friedrich Stapf, einem der wenigen, der überhaupt noch Abtreibungen macht.
Der Gesetzentwurf, der noch im Bundestag beraten werden muss, stammt von Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne). Bereits im Koalitionsvertrag hatten sich SPD, Grüne und FDP darauf verständigt, dass Frauen ungehinderten Zugang zu den Beratungsstellen bekommen sollen. Paus erklärte nach dem Kabinettsbeschluss: "Vor Beratungsstellen, Praxen und Kliniken müssen wir schwangere Frauen wirksam vor Belästigungen und unzumutbaren Einflussnahmen schützen." Hier habe die Meinungsfreiheit ihre Grenzen. Paus betonte, die Abwägung zwischen den Grundrechten der Frauen und dem Recht auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit sei in enger Abstimmung mit dem Innen- und dem Justizministerium getroffen worden. Selbsternannte Lebensschutz-Vereine kritisieren das Vorhaben.
Nach derzeitiger Gesetzeslage ist ein Schwangerschaftsabbruch grundsätzlich rechtswidrig; er bleibt jedoch straffrei, wenn er in den ersten zwölf Wochen vorgenommen wird. Zudem muss die Schwangere sich zuvor beraten lassen, und zwischen Beratung und Abbruch müssen mindestens drei Tage liegen. Ausdrücklich nicht rechtswidrig ist eine Abtreibung nach einer Vergewaltigung sowie bei Gefahr für das Leben oder die körperliche oder seelische Gesundheit der Schwangeren. Die Ampelkoalition erwägt, den Abtreibungsparagrafen 218 komplett abzuschaffen.