Deutlich nach 21 Uhr schallt rhythmisches Klatschen durch das Kongresszentrum in Aachen. Oliver Krischer schreitet durch die nur noch spärlich besetzten Stuhlreihen. Seine grünen Parteianhänger überreichen dem 52-Jährigen einen Strauß mit Sonnenblumen. "Klimawahl" steht auf ihren Plakaten. "Ich danke Aachen dafür", ruft Krischer. Sein Wahlerfolg steckt voller Symbolkraft.
Mit 30,2 Prozent der Erststimmen gewinnen die Grünen erstmals das Bundestagsdirektmandat in Aachen - ausgerechnet der Heimat des CDU-Kanzlerkandidaten Armin Laschet. Dieser trat dort gar nicht erst an, sondern bevorzugte den Listenplatz eins seiner Partei in Nordrhein-Westfalen. Bei der CDU verweist man auf das zusätzliche Wahlkampfpensum, das vor Ort nötig gewesen wäre. Obendrein in einer Hochschulstadt, bekannt für ihre Ingenieursausbildung, in der fast die Hälfte der Bevölkerung jünger als 35 Jahre ist. Aachen, das ist nicht mehr nur Kurstadt und Süßwarenindustrie, sondern Forschungs- und Start-up-Standort.
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Krischer setzte programmatisch auf Abgrenzung zu Laschet. Der Energie- und Verkehrspolitiker sitzt seit 2009 im Bundestag, bislang stets über die Landesliste gewählt. Seit 2013 ist er Vizefraktionschef der Grünen. Krischer kritisiert, wie Laschets Landesregierung den Hambacher Forst zwischen Köln und Aachen räumen ließ, dass weitere Dörfer dem Braunkohletagebau im Rheinland weichen sollen, dass Länder wie Nordrhein-Westfalen neue Abstandsregeln für Windräder beschlossen haben.
Krischers Kritik gipfelte Ende Juni - während einer Hitzewelle in Kanada - in der Aussage, dass die Politik des Ministerpräsidenten "überall auf der Welt" Menschenleben koste. Ein entsprechender Tweet mit dem Hashtag "Laschetverhindern" brachte dem Grünen Ärger ein, Krischer relativierte die Aussage flugs. In Aachen jedenfalls komme die Politik des CDU-Chefs "nicht an", tönte der gebürtige Eifler vor der Bundestagswahl.