US-Wahl 2020:Bidens größter Gegner ist er selbst

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  • Joe Biden hat nach einer für ihn desaströsen ersten TV-Debatte der Demokraten in Umfragen massiv an Zustimmung verloren.
  • Dass seine Bewerbung um die Präsidentschaftskandidatur nicht gut läuft, hat er vor allem sich selbst zuzuschreiben.
  • Es wachsen die Zweifel, dass er der beste Kandidat der Demokraten sei, um Trump 2020 zu schlagen.

Von Thorsten Denkler, New York

Joe Biden war im Rennen um die demokratische Präsidentschaftskandidatur die unangefochtene Nummer eins. Ein erfahrener Politiker aus der Mitte der Gesellschaft, der ehemalige Vizepräsident Obamas, einer, dem alle zutrauen, 2020 Donald Trump zu schlagen. Und dann kam diese TV-Debatte, in der er sich erstmals vor großer Öffentlichkeit den anderen Kandidaten stellen musste. Und Bidens Glanz verblasste.

Wie sehr, das war zunächst nicht ganz klar. Zunächst durfte der Bewerber Biden noch hoffen, dass sein schwacher Auftritt ihm vielleicht nicht ganz so sehr geschadet hat. Doch dann kamen die ersten Umfragen. Was man positiv vermerken kann: Biden liegt im demokratischen Bewerberfeld immer noch vorn. Aber freuen kann er sich darüber wohl kaum, denn sein Vorsprung ist fast vollständig hinweggeschmolzen.

Am Montag veröffentlichte der News-Sender CNN die erste ernstzunehmende Umfrage nach der TV-Debatte. Biden stürzt demnach in der Zustimmung unter Demokraten von 32 auf 22 Prozent ab. Auf Rang zwei jetzt mit 17 Prozent die Frau, die für diesen Absturz mitverantwortlich ist: Die kalifornische Senatorin Kamala Harris verdoppelt ihren Wert und tauscht ihren vormals vierten Platz im Feld mit Bernie Sanders, der vier Prozentpunkte verliert. Auf Rang drei bleibt mit jetzt 15 Prozent Elizabeth Warren, Senatorin aus Massachusetts. Allerdings hat auch sie ihren Wert um acht Prozentpunkte mehr als verdoppelt.

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Eine weitere, am Dienstag veröffentlichte Umfrage kommt zu für Biden noch bedenklicheren Ergebnissen: Der Ex-Vizepräsident mit 22 Prozent auf Platz eins. Harris aber mit 20 Prozent nur zwei Punkte dahinter.

Vor der TV-Debatte hatte Biden in fast allen Umfragen noch einen satten zweistelligen Vorsprung. Der ist jetzt erst mal dahin. Und Umfrageexperten sagen, dass es für die Kandidaten schwer ist, einmal verlorenes Vertrauen wiederzugewinnen. Keine zweieinhalb Monate nachdem Biden mit großen Vorschusslorbeeren seine Präsidentschaftskandidatur verkündet hat, scheint er kurz davor zu sein, seine Träume begraben zu können. New York Times-Kolumnist Bret Stephens formuliert es so: "Ich glaube, noch so ein Auftritt und das war es mit ihm."

Es war absehbar, dass Biden irgendwann in die Kritik geraten würde. Er ist seit mehr als 40 Jahren Politiker, davon acht Jahre Vizepräsident. Viele seiner Entscheidungen können aus heutiger Sicht fragwürdig und kontrovers wirken. Genug Stoff jedenfalls, um die Republikaner mit Munition zu versorgen.

Dass er aber so schnell und so klar und noch dazu von einer Parteifreundin auf die Bretter geschickt wird, ist dann doch erstaunlich. Es ist ja nicht so - um im Bild zu bleiben -, dass Kamala Harris ihn in der TV-Debatte nach zehn Runden mit Haken und einer geraden Rechten zu Boden gebracht hätte. Sie hat ihn lediglich in der ersten Runde leicht am Kinn touchiert. Schon das aber hat Biden ins Straucheln gebracht.

Biden behauptet, er sei der Einzige im Feld, der Trump sicher schlagen werde. So leicht aber, wie Harris ihn aus der Fassung bringen konnte, sind daran große Zweifel angebracht. Er wirkte unsicher, unvorbereitet, schwach in der Debatte. Und Millionen Menschen haben es gesehen.

In der TV-Debatte kommt das Thema Rassismus auf. Harris will als einzige Afroamerikanerin auf der Bühne etwas dazu sagen. Sie hat etwas mit Biden zu besprechen. Es wird persönlich. Sie glaube selbst nicht, dass Biden ein Rassist ist, sagt sie. Aber die Tatsache, dass Biden sich nicht von zwei seiner ehemaligen Senatoren-Kollegen distanzieren will, die einst für die Rassentrennung eintraten, "das tut weh", sagt Harris.

Sie ist noch nicht fertig mit ihm. Harris berichtet, sie habe zu den ersten schwarzen Kindern gehört, die mit dem Bus zu Schulen gebracht wurden, an denen sonst nur weiße Kinder unterrichtet wurden. Biden aber habe damals als frisch gewählter Senator ein Gesetz auf den Weg gebracht, dass der Bundesregierung verbieten sollte, solche Busverbindungen verpflichtend für alle Städte zu machen. Und zwar mit Unterstützung ebenjener rechten demokratischen Südstaaten-Senatoren, die er wenige Tage zuvor noch für ihre Kollegialität gelobt hatte.

Biden versucht sich an einer Rechtfertigung. Das sei eben Sache der lokalen Ebene und nichts, was vom Bildungsministerium vorgegeben werden sollte. Harris landet ihren Punkt: Es sei die Pflicht des Bundes, dagegen vorzugehen, wenn Städte die Rassentrennung aufrechterhalten. Jubel kommt auf. Und Biden schaffe es heute, 45 Jahre später, weder sich von zwei bekannten Verfechtern der Rassentrennung loszusagen. Noch sich seine damalige Haltung als Fehler einzugestehen.

Vielleicht wäre alles halb so schlimm, wenn dies die einzige offene Flanke von Biden wäre. Es scheint aber, als würde Biden gerade in jedes sich bietende Fettnäpfchen tappen wollen. Seine Spezialität: Gut Gemeintes so erzählen, dass es gegen ihn verwendet werden kann.

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Am Wochenende hat er etwa auf einem Spenden-Dinner im US-Bundestaat Washington eine Rede gehalten. Er kam auf die Rechte von Homosexuellen zu sprechen und versuchte die Entwicklung an einem Beispiel zu erläutern: Vor fünf Jahren hätte sich doch niemand im Bundesstaat aufgeregt, wenn jemand einen Witz über einen schwulen Kellner gemacht hätte.

Den Berichten nach habe sein Publikum mit Buhrufen und Unverständnis reagiert. "Nicht in Seattle!", habe Roger Nyhus gerufen, einer der Vorkämpfer für die Rechte von Homosexuellen in Washington State. Homophobe Kommentare seien dort schon deutlich länger ein Tabu, rief er hinterher. Da dürften sich viele die Frage gestellt haben, in welcher Welt Joe Biden eigentlich vor fünf Jahren gelebt hat. Er war zu dem Zeitpunkt Vizepräsident. Biden, der sich schon vor Obama zur Homo-Ehe bekannte, hat einen sicheren Punkt in ein Eigentor verwandelt.

Viele haben Biden auch übel genommen, dass er sich zu Beginn seiner Kampagne öffentlich kaum hat blicken lassen. Seine Dauerabwesenheit wurde zum Running Gag. "Lazy Biden" wurde er schon genannt. Oder auch als AWOL bezeichnet, absent without leave. Das ist Militärsprech für unerlaubtes Entfernen von der Truppe.

Biden hat einen großen demokratischen Kongress in Kalifornien sausen lassen, auf dem außer ihm alle wichtigen Kandidaten sprachen. Davor gab es ein großes Kandidatentreffen in Iowa. Nicht dabei: Joe Biden. Es kamen erste Zweifel auf, wie ernst er seine Kandidatur nimmt.

Nicht mal aus alten Fehlern scheint er lernen zu wollen. Kürzlich veröffentlichte Bidens Kampagne seinen lange angekündigten Klimaschutzplan. Die Inhalte und auch viele Formulierungen kamen einigen nur zu bekannt vor. Bidens Leute haben sich den Plan im Internet von diversen Umweltgruppen und aus Zeitungsartikeln zusammenkopiert. Seine Kampagne hat inzwischen eingeräumt, dass da wohl ein "Fehler" passiert sei. Und hat in der Onlineversion des Plans die Quellen nachgereicht.

So etwas ist Biden schon mal passiert. In seiner ersten Präsidentschaftskampagne 1988 war er bereits Plagiatsvorwürfen ausgesetzt. Die waren so schwerwiegend, dass er gezwungen war, den Wahlkampf zu beenden.

Er ist bekannt dafür, sich seine Stolperfallen selbst zu legen. 2008 wollte Biden zum zweiten Mal versuchen, Präsident zu werden. Als er im Januar 2007 seine Kandidatur bekannt gab, leistete er sich einen verbalen Ausfall, von dem er sich erst einmal nicht erholte. Er sagte über den Kandidaten und späteren Wahlsieger Barack Obama: "Ich meine, Sie haben hier den ersten Mainstream-Afroamerikaner, der sich artikulieren kann, der intelligent und sauber ist und ein gut aussehender Kerl, ich meine, das ist ja wie im Märchen, Mann." Der Satz schaffte es im Time-Magazin auf Platz zwei der übelsten Ausrutscher des damaligen Wahlkampfes. Biden entschuldige sich später, er hätte besser "frisch" statt "sauber" gesagt. Obama machte ihn dennoch zum Vizepräsidenten.

Auch heute scheint er manchmal die Zeichen der Zeit nicht zu erkennen: Anfang Juni wurde er zum Thema Abtreibungsrecht befragt. In den USA wird das gerade wieder heiß diskutiert. Biden sagte, er halte an seiner jahrzehntealten Position fest, dass die Bundesregierung kein Geld für Abtreibungen bereitstellen sollte. Der Widerstand aus der Partei wurde danach so groß, dass er letztlich einknickte und seine Position revidierte.

Um wieder in die Position des unangefochtenen Spitzenreiters zu kommen, müsste er sich schon gewaltig ändern.

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