USA:Das sind die Gewinner und Verlierer nach zwei TV-Debatten

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Beim Wahlkampfauftakt der demokratischen Präsidentschaftskandidaten im US-Fernsehen erlebt das Publikum einige Überraschungen - und einen Favoriten, der sich altbacken gibt.

Von Thorsten Denkler, New York

Zwei Debatten, je zehn Bewerber um die demokratische Präsidentschaftskandidatur. Am Mittwoch stand Elizabeth Warren als Favoritin auf der Bühne. Am Donnerstag waren gleich vier Umfrageschwergewichte dran: Joe Biden, Bernie Sanders, Kamala Harris und Pete Buttigieg.

Der Vorwahlkampf geht damit in eine neue Phase. Die Frage ist nicht länger, wer noch alles antritt, um 2020 Präsident Donald Trump zu schlagen. Sondern wer von den jetzt insgesamt 24 Kandidaten demnächst wieder aufgibt.

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Seit dem Super Tuesday schrumpft das Feld der demokratischen Präsidentschaftsbewerber weiter. Jetzt gibt auch Elizabeth Warren auf.

Von Thorsten Denkler

Die Debatte ist für die meisten Kandidaten die erste Chance, sich einem Millionenpublikum zu präsentieren. Der Fernsehauftritt war mitentscheidend für die Frage, wie sich die Umfragen entwickeln und wie viele Spenden die Bewerber einnehmen, um ihre Wahlkämpfe zu finanzieren. Mit anderen Worten: Wer hier nicht punktet, wird es schwer haben, die kommenden Wochen politisch zu überleben.

Der erste Abend hat drei Sieger hervorgebracht, zwei davon eher überraschend. Und einen klaren Verlierer. Die sechs anderen Kandidaten sind so blass geblieben, dass sie hier nicht weiter erwähnt werden. Der zweite Abend hatte eine klare Siegerin. Und einen klaren Verlierer. Hier also die rein subjektive Sicht auf die Gemengelage nach zwei Debattentagen:

Die größte Gewinnerin vom Donnerstag:

Kamala Harris

Die kalifornische Senatorin und frühere Staatsanwältin Harris wirkt sicher, kraftvoll und überzeugend. Es lässt sich keine Nervosität an ihr feststellen. Sie arbeitet sich vor allem an Joe Biden ab, dem Frontrunner der demokratischen Bewerber mit im Schnitt 31 Prozent Zustimmung. Harris kommt bisher lediglich auf acht Prozent, was ihr im Gesamtrennen aber noch Platz vier sichert.

Kamala Harris. (Foto: AFP)

Harris kann sich nach diesem Abend Hoffnung machen, dass sie ein paar Prozentpunkte zulegen wird. Das hat sie vor allem zwei Momenten zu verdanken. Einmal beendet sie ziemlich energisch und vor allem erfolgreich einen recht lauten Schlagabtausch zwischen den älteren Bewerbern wie Biden und Bernie Sanders und auf der anderen Seite dem jungen Kongressabgeordneten Eric Swalwell.

"Hey, Guys!", ruft sie dazwischen und breitet ihre Hände aus, als wolle sie eine Herde wildgewordener Rindviecher beruhigen. "Wir wollen doch nicht, dass die Amerikaner einen Kampf ums Essen sehen müssen. Sie wollen wissen, wie wir das Essen auf ihre Tische bekommen." Da war der Streit beendet.

Harris hat damit ziemlich eindrücklich ihre Führungsqualitäten unter Beweis gestellt. An anderer Stelle greift sie Biden geschickt an, weil der sich nicht von zwei ehemaligen Senatorenkollegen distanzieren will, die als Verfechter von Rassentrennung bekannt waren. Biden reagiert unbeholfen. Harris bekommt langen Applaus. Es sind noch gut acht Monate bis zu den ersten Vorausscheidungen der Demokraten in Iowa. Der Wahlkampf ist noch lang. Aber wenn Harris so furchtlos weitermacht, dann dürften ihre Chancen noch deutlich steigen.

Der größte Verlierer vom Donnerstag:

Joe Biden

Joe Biden (Foto: REUTERS)

Der Frontrunner der Demokraten hatte einen guten Moment, als er einen Seitenhieb von Swalwell abwehrte. Der hatte gerade erklärte, dass jetzt mal die Jungen ranmüssten, so wie Biden es vor 32 Jahren auch schon gefordert hatte. Biden ist heute 76 Jahre alt. Swalwell 38. Biden parierte mit seinem Konzept für bessere Bildung. Argumente gegen billigen Punkt. Das hat funktioniert. Allerdings wirkte Biden ansonsten altbacken gegen seine - von Bernie Sanders abgesehen - deutlich jüngeren Mitbewerber und deren progressive Agenda.

Biden verspricht keine Veränderung. Er verspricht eigentlich nur, Trump zu schlagen, um damit die Würde des Landes wiederherzustellen. Und - sollte er Präsident werden - im Grunde da weiterzumachen, wo er als Vizepräsident unter Barack Obama aufgehört hat. Der Abend zeigt aber, dass die Ideen der meisten anderen Kandidaten deutlich darüber hinaus gehen. Wenn sich unter den Demokraten der Wunsch entwickelt, dass die Antworten von 2016 nicht die Antworten von 2020 sein können, dann ist Biden zumindest im Moment nicht in der Lage, diesem Wunsch Rechnung zu tragen.

Und was ist mit Bernie Sanders?

Bernie Sanders (Foto: AFP)

Okay, der kann hier nicht einfach unter den Tisch fallen. Sanders hat geliefert, was viele von ihm erwarten, was er auch schon 2016 nicht anders gemacht hat, als er der Kandidatin Hillary Clinton gefährlich nahe kam: Er will eine Revolution und als Revolutionär trat er auf. Gegen die großen Konzerne, gegen das große Geld, für die arbeitenden Menschen, koste es, was es wolle. Er hat seine Unterstützer, rangiert mit 15 Prozent Zustimmung auf Platz zwei der demokratischen Bewerber. Sein etwas zu lauter, etwas zu harscher, etwa zu sozialistischer Auftritt dürfte ihm aber kaum dabei geholfen haben, näher an Biden heranzukommen oder den Abstand zu Warren und Harris zu vergrößern.

Die größten Gewinner vom Mittwoch:

Elizabeth Warren

Elizabeth Warren (Foto: AFP)

Die Senatorin aus Massachusetts ist an diesem ersten Debattenabend die aussichtsreichste Bewerberin. Im Schnitt der nationalen Umfragen liegt sie bei zwölf Prozent. Auf Rang zwei liegt Beto O'Rourke, der aber nur auf knapp drei Prozent kommt. Warren ist verglichen mit den anderen Kandidaten an diesem Abend ein Großtanker, der von Segelbötchen umzingelt ist. Sie wird ihrer Rolle voll gerecht.

Ihre Wut auf bestehende politische Verhältnisse wirkt in keinem Moment aufgesetzt. Ihr Versprechen, als Präsidentin für die Menschen im Land zu kämpfen, wie sie für ihre eigene Familie kämpfen würde, erscheint glaubwürdig. Sie mischt sich an diesem Abend nicht in jede Debatte ein. Als es um Klimaschutz geht, bleibt sie erstaunlich ruhig. Aber ihre Kernthemen sind eben soziale Gerechtigkeit, die Entmachtung der Großkonzerne, des obersten einen Prozents der Gesellschaft.

Sie bekommt in den beiden Stunden nur 9:31 Minuten zu Wort. Cory Booker und O'Rourke dürfen etwas länger reden. Aber in dieser Zeit bringt sie ihre wichtigsten Punkte unter: Kampf gegen Korruption, für eine Krankenversicherung für alle, gegen die Macht des großen Geldes. Es macht sich bezahlt, dass sie in fast allen Politikfeldern durchdachte Konzepte vorgelegt hat. Sie kennt ihre Zahlen, etwa die, dass die US-Gesundheitskonzerne zusammen jährlich 23 Milliarden Dollar Profit aus dem Geschäft mit der Gesundheit schlagen. Eine "gigantische Industrie!", sagt sie. Wenn es nach ihr geht, sind die goldenen Zeiten für diese Konzerne vorbei. Wenn sie es denn ins Weiße Haus schafft.

Bill de Blasio

Bill de Blasio (Foto: AFP)

Von weiter unten kann ein Kandidat kaum starten. Der Bürgermeister von New York City hat sich als einer der letzten Demokraten um die Präsidentschaftskandidatur beworben. Gerade so hat er es geschafft, die Mindesthürde für diese TV-Debatte zu nehmen, in drei Umfragen über ein Prozent Zustimmung zu kommen. Obwohl erst 2017 als Bürgermeister wiedergewählt, sehen die New Yorker seine Kandidatur skeptisch. Eine übergroße Mehrheit hält ihn nicht für wählbar, wenn es um das Präsidentenamt geht.

Dieser Abend aber sollte seiner werden. Ganz am Anfang der zweistündigen TV-Debatte lässt er keinen Zweifel, wo erst steht. Seit ein paar Minuten erklären sich Booker, Amy Klobuchar und Warren gegenseitig wortreich, wer der bessere Demokrat ist. De Blasio aber bringt es auf den Punkt. "Die Demokratische Partei muss die Partei der arbeitenden Menschen sein!", ruft er. "Stark, mutig und progressiv." Das bringt ihm viel Applaus ein.

Immer wieder schießt er dazwischen, verschafft sich Gehör. Als der Texaner O'Rourke private Krankenkassen verteidigt, weil sie den Menschen Wahlfreiheit böten, da fällt de Blasio ihm ins Wort. "Private Krankenversicherungen funktionieren einfach nicht für die meisten Menschen." Wann sehe er das endlich ein? O'Rourke bringt das kurz aus dem Konzept.

Seinen wichtigsten Punkt aber macht de Blasio, als es um Immigration geht. Wieder wird er grundsätzlich, spricht all jene an, die glauben, dass die Immigranten ihnen etwas wegnehmen würden, Jobs und Sicherheit etwa. Viele Trump-Wähler also. "Die Immigranten haben euch das nicht angetan. Die großen Konzerne haben euch das angetan. Das oberste eine Prozent hat euch das angetan." De Blasio tritt hier im besten Sinne als progressiver Arbeiterführer auf. Soviel Kämpferherz hat kaum jemand von ihm erwartet.

Julián Castro

Julián Castro (Foto: AP)

Als Castro in das Rennen um die Präsidentschaftskandidatur der Demokraten eingestiegen ist, wird er gewusst haben, dass das Projekt Weißes Haus für ihn kein leichtes Unterfangen sein würde. Er ist der bisher einzige Latino, der sich für das Präsidentenamt bewirbt. Seine Startvoraussetzungen sind allerdings gar nicht so schlecht. Er war Bürgermeister von San Antonio, eine der größten Städte der USA. Und er war in der Regierung von Präsident Barack Obama Wohnminister, kennt also die sozialen Verwerfungen in seinem Land nur zu gut. Er blieb allerdings bisher ziemlich blass und erreichte in den Umfragen nur selten mehr als ein Prozent Zustimmung.

In der Debatte aber zeigte er sich genau in den richtigen Momenten emotional, bissig und angriffslustig. Besonders, als es um das Thema Immigration geht. Seit einigen Tagen ist ein verstörendes Foto im Umlauf. Es zeigt Óscar Alberto Martínez Ramírez und seine 23 Monate alte Tochter Angie Valeria. Beide liegen nebeneinander im Wasser treibend mit dem Gesicht nach unten am Ufer des Rio Grande. Sie sind in dem Fluss ertrunken, der Mexiko von den USA trennt. Castro wird auf das Bild angesprochen. Es sei "herzzerreißend", sagt er. Für einen Moment stockt ihm der Atem. Dass so etwas passieren kann "sollte uns alle ankotzen".

Castro verlangt eine Gesetzesänderung, die einen illegalen Grenzübertritt von einem Verbrechen auf eine Ordnungswidrigkeit herunterstuft. Mit seinem texanischen Landsmann O'Rourke liefert er sich einen Schlagabtausch, weil der da nicht mitgehen will. O'Rourke, der sich selbst eher auf der progressiven Seite der Demokraten verortet, muss sich von Castro links überholen lassen.

Die Moderatoren der Debatte nehmen diese Frage übrigens am nächsten Tag erneut auf. Alle Kandidaten sollen per Handzeichen erklären, ob sie für so eine Gesetzesänderung wären. Fast alle stimmen zu. Schon das ist ein kleiner Sieg für Castro.

Er macht mit diesem Abend klar, dass es auf der progressiven Seite mit ihm einen glaubwürdigen Kandidaten gibt für alle jene, denen Bernie Sanders und Elizabeth Warren zu alt und zu weiß und vielleicht auch ein wenig zu links sind.

Der größte Verlierer vom Mittwoch:

Beto O'Rourke (Foto: AFP)

Beto O'Rourke

Kaum eine Kandidatur ist so erwartet worden, wie die von O'Rourke. Im vergangenen Jahr hatte er das Rennen um einen Senatorensitz für Texas so knapp verloren, dass die Demokraten ihn dennoch als großen Sieger feierten. Er mutierte zum Superstar für viele Demokraten, nur weil er am Ende nicht weit abgeschlagen hinter Amtsinhaber und Republikaner Ted Cruz landete. Den Demokraten machte er Hoffnung, dass sich unter Umständen auch eine republikanische Festung wie Texas einnehmen lässt.

Offenbar hatte auch O'Rourke sehr große Hoffnung darauf gesetzt, dass er sein Momentum aus der Texas-Wahl in den Kampf um die Präsidentschaftskandidatur der Demokraten übertragen kann. Das kam aber nicht so. In Umfragen führt er das traurige Feld jener an, die nicht über drei Prozent Zustimmung kommen. Dieser Abend im Miami wird daran wohl nicht viel ändern. Er ließ sich aus dem Konzept bringen, als es um Immigrationsfragen ging und zeigte eine unscharfe Haltung zur Zukunft der Krankenversicherung in den USA. Von seinen Konkurrenten musste er kräftig einstecken. Abgesehen davon, dass er Teile seiner ersten Antwort in der Debatte auf Spanisch gab, bleibt sein Auftritt nicht in Erinnerung.

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