Anti-Terror-Kampf:Was in Aleppo passiert, darf sich in Mossul nicht wiederholen

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Das zerbombte Aleppo Ende September 2016: Die Anti-IS-Koalition muss zeigen, dass Mossul nicht Aleppo ist. (Foto: AFP)

Anders als in Syrien kann der Konflikt im Irak nur militärisch gelöst werden. Die Anti-IS-Koalition muss ihre Glaubwürdigkeit im Umgang mit den Zivilisten beweisen.

Kommentar von Moritz Baumstieger

Wer die Schlacht um Aleppo und den Kampf um Mossul vergleicht, findet viele Parallelen: Bewaffnete sunnitische Islamisten haben sich in einer Millionenstadt verschanzt und missbrauchen die Einwohner als menschliche Schutzschilde. Die Regierung bezeichnet die Aufständischen als Terroristen und lässt sie von ihrer schiitisch dominierten Armee belagern. Die Stadt soll zurückerobert werden, der Krieg um sie wird zur Schlacht um die Zukunft des Landes stilisiert. Bei ihrem "Kampf gegen den Terror" stützt sich die Regierung am Boden auf eine Allianz mit der kurdischen Minderheit, im Luftkrieg hilft eine ausländische Supermacht, die Stadt mit Kampfjets sturmreif zu bomben.

Die Ähnlichkeiten gehen so weit, dass manche beide Konflikte gleichsetzen. Denn wo soll bitte der Unterschied sein zwischen der al-Qaida-nahen Nusra-Front in Ost-Aleppo und dem Islamischen Staat in Mossul? Warum werden die Flächenbombardements von Syriens Machthaber Baschar al-Assad und seinem russischen Helfer Wladimir Putin als Kriegsverbrechen bezeichnet, wenn keiner dieses Wort bemühte, als Iraker und Amerikaner voriges Jahr das vom IS gehaltene Ramadi beschossen, bis nur noch jedes fünfte Haus stand? Ob der Mann in der belagerten Stadt Rebell genannt wird oder Terrorist, ist oft eine Sache des Blickwinkels - genau wie die Frage, ob der Mann im Präsidentenpalast als Unterdrücker gilt oder als Befreier.

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Ihr Weltbild kennt nur Dschihad bis zum Jüngsten Tag

Und doch gibt es Unterschiede zwischen dem, was in Aleppo passiert und dem, was in Mossul droht. Assad hatte unzählige Gelegenheiten, den Konflikt in seinem Land friedlicher zu lösen. Er hat sie verstreichen lassen oder aktiv torpediert, bis friedliche Proteste in einen Bürgerkrieg umschlugen und der weltlich orientierte Widerstand zwischen Regime und Islamisten zerrieben wurde. Assad wollte alles, nur nicht verhandeln. Der irakischen Regierung kann man sicher vieles vorwerfen, aber nicht, dass sie Gespräche mit den Dschihadisten verweigert. Mit dem selbsternannten Kalifen und denen, die ihm Treue schworen, sind Verhandlungen jedoch nicht möglich. Ihr Weltbild kennt keinen Kompromiss und keinen Frieden, sondern nur Dschihad bis zum Jüngsten Tag.

Anders als der Bürgerkrieg in Syrien kann der Konflikt mit dem Islamischen Staat im Irak nur militärisch gelöst werden. Doch nun muss die Anti-IS-Koalition den Beweis antreten, dass Mossul nicht Aleppo ist: Hilfe für Zivilisten muss, wann immer möglich, geliefert und nicht verhindert werden wie in Syrien. Die Anwesenheit von Extremisten in der Stadt darf nicht als Vorwand gelten, um wahllos Wohngebiete und gezielt Krankenhäuser oder Bäckereien zu bombardieren.

Trotz aller Vorsicht werden Unschuldige sterben müssen - dass es saubere Kriege und präzise Waffen gebe, ist eine Mär. Das zeigt auch ein gerade von Amnesty International veröffentlichter Bericht, der der Allianz gegen den IS vorwirft, sich bisher nicht ausreichend um den Schutz der Zivilbevölkerung zu kümmern. Die Glaubwürdigkeit der Koalition wird davon abhängen, möglichst viele Leben zu schonen. Wann immer das trotz aller Vorsicht nicht gelingt, muss sich die Koalition zu ihren Fehlern bekennen - und die Opfer nicht zynisch leugnen oder als Terroristen verunglimpfen, wie es mit den Toten von Aleppo geschieht.

© SZ vom 26.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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