Absturz einer Malaysia-Airlines-Maschine in Ukraine:USA gehen von gezieltem Abschuss aus

Lesezeit: 4 min

Ersthelfer am Ort der Unglücksstelle: Das Flugzeug ist in der Region Donezk abgestürzt. (Foto: Maxim Zmeyev/Reuters)

Was genau passierte vor dem Absturz von Flug MH17? US-Geheimdienstler sind sich sicher, dass eine Boden-Luft-Rakete den Passagierjet von Malaysia Airlines traf. Die prorussischen Separatisten gewähren OSZE-Experten Zugang zur Absturzstelle. Der UN-Sicherheitsrat kommt zu einer Sondersitzung zusammen.

  • Ukraine wirft prorussischen Separatisten vor, das in der Region Donezk abgestürzte Passagierflugzeug mit einer Rakete abgeschossen zu haben.
  • Amerikanische Geheimdienste haben den Abschuss einer Boden-Luft-Rakete registriert.
  • Die Rebellen gewähren OSZE-Experten Zugang zur Absturzstelle.
  • US-Regierung fordert "sofortige Waffenruhe" in der Ostukraine.
  • Russlands Präsident Putin macht Ukraine für das Unglück verantwortlich.
  • Der UN-Sicherheitsrat will am Freitag zu einer Sondersitzung zusammenkommen.

Amerikanische Geheimdienste: Radar erfasste Abschuss einer Boden-Luft-Rakete

Die USA gehen davon aus, dass die abgestürzte Passagiermaschine der Malaysia Airlines mit 298 Menschen an Bord abgeschossen wurde. Das berichten der Sender CNN, die New York Times und das Wall Street Journal. Sie zitieren ranghohe Regierungsoffizielle und Geheimdienstmitarbeiter, wonach ein Radarsystem kurz vor dem Absturz eine abgeschossene Boden-Luft-Rakete in der Region erfasst haben soll.

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Wie die New York Times weiter berichtet, sei die Maschine von einer russischen Rakete der SA-Serie abgeschossen worden. Möglicherweise hätten die Verantwortlichen das Flugzeug versehentlich unter Beschuss genommen, weil sie es für eine Militärmaschine hielten.

Bislang vermeiden es US-Regierungsvertreter, direkte Beschuldigungen auszusprechen. Sehr viel deutlicher wird die frühere US-Außenministerin Hillary Clinton in einem Fernsehinterview: Alle Zeichen deuteten auf die prorussische Seite hin. Man müsse nun handeln und dem russischen Präsidenten Wladimir Putin klarmachen, dass er "zu weit gegangen ist und wir dem nicht tatenlos zuschauen werden", sagt Hillary im American PBS.

Alle 283 Passagiere und 15 Besatzungsmitglieder sind bei dem Unglück ums Leben gekommen.

US-Regierung fordert "sofortige Waffenruhe" in der Ostukraine

Die USA fordern eine "sofortige Waffenruhe" in dem umkämpften Gebiet. Dem Sprecher von US-Präsident Barack Obama, Josh Earnest, zufolge, bittet die US-Regierung alle Konfliktparteien - Russland, die prorussischen Separatisten und die Ukraine - darum, eine Feuerpause zu unterstützen. So könne gewährleistet werden, dass internationale Experten "sicheren und uneingeschränkten" Zugang zu der Absturzstelle erhielten und die Leichen geborgen werden könnten. US-Außenminister John Kerry forderte eine "glaubwürdige" internationale Untersuchung. Die USA seien "entsetzt" über den Absturz von Flug MH17, erklärte Kerry. Er bot die Hilfe der US-Regierung bei einer internationalen Untersuchung an.

Ukraine spricht von Abschuss

Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko hat den Absturz der malaysischen Passagiermaschine als "terroristischen Akt" bezeichnet. Poroschenko wirft den prorussischen Separatisten vor, die Boeing abgeschossen zu haben - wie zuletzt mehrere ukrainische Militärflugzeuge. Er betont, die ukrainischen Streitkräfte hätten mit dem Zwischenfall nichts zu tun. Poroschenko hat umgehend die Bildung einer Untersuchungskommission angeordnet. Der ukrainische Geheimdienst veröffentliche vier abgehörte Mitschnitte angeblicher Telefonate, die die Schuld der Rebellen belegen sollen.

In den vergangenen Tagen sollen bereits zwei ukrainische Militärflugzeuge von russischem Territorium aus abgeschossen worden sein: Der Nationale Sicherheits- und Verteidigungsrat der Ukraine hat wenige Stunden vor dem Absturz erklärt, ein Kampfflugzeug vom Typ Suchoi Su-25 sei am Mittwoch durch eine russische Rakete abgeschossen worden, als es "seinen Dienst über dem Gebiet der Ukraine" erfüllte. Russland wies diese Behauptung zurück. Bereits am Montag hatte das ukrainische Militär dem Nachbarland vorgeworfen, eine Transportmaschine vom Typ Antonow An-26 abgeschossen zu haben.

Putin gibt Ukraine die Schuld für Katastrophe

Russlands Präsident Putin hat die Verantwortung für den Absturz der Ukraine zugeschrieben. Die schreckliche Tragödie wäre nicht passiert, wenn es in der Ostukraine keinen Krieg gebe, sagte Putin am späten Donnerstagabend bei Moskau. "Es besteht kein Zweifel, dass das Land, auf dessen Staatsgebiet diese schreckliche Tragödie geschehen ist, die Verantwortung trägt", wird Putin zitiert.

Separatisten bestreiten Verantwortung für möglichen Abschuss

Die prorussischen Kräfte geben an, sie besäßen keine Waffensysteme, um Maschinen in dieser Höhe abzuschießen. Der selbst ernannte Premierminister der nicht anerkannten "Volksrepublik Donezk", Alexander Borodaj, sagt, es handele sich um eine "Provokation" der Ukraine. Die Separatisten beriefen sich ihrerseits auf angebliche Augenzeugenberichte, denen zufolge ein Kampfjet der ukrainischen Luftwaffe die Boeing 777 angegriffen habe. Diese sei anschließend in zwei Teile zerbrochen und der Kampfjet abgeschossen worden, erklärte die selbsternannte Regierung der "Volksrepublik Lugansk".

Allerdings wurde offenbar im Twitterkanal der "Volksrepublik Donezk", der den Separatisten zugeordnet wird, ein Eintrag veröffentlicht und später wieder gelöscht, demzufolge die Rebellen ein Buk-Raketensystem zur Flugzeugabwehr von der ukrainischen Armee erbeutet hatten.

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Rebellen gewähren OSZE-Experten Zugang zur Absturzstelle

Die Separatisten sagen nach Angaben der OSZE Unterstützung bei der Aufklärung der Unglücksursache zu. Die Rebellen, die das Absturzgebiet in der Region Donezk kontrollieren, hätten "sicheren Zugang und Sicherheitsgarantien für die nationale Untersuchung sowie für internationale Ermittler" zugesagt, erklärte die Ukraine-Kontaktgruppe der OSZE nach Gesprächen mit den Rebellen. Die Aufständischen würden die Absturzstelle abriegeln und den lokalen Behörden ermöglichen, die Leichen zu bergen.

Rettungskräfte hatten am Donnerstagabend das Wrack des Flugzeugs in der Nähe der Ortschaft Grabowo erreicht. "Die Arbeiten werden davon erschwert, dass die Trümmer in großem Umkreis verstreut sind", sagte der Sprecher des ukrainischen Notfalldienstes, Sergej Botschkowski. Zahlreiche bewaffnete Separatisten hielten sich zudem an der Absturzstelle auf. Mittlerweile seien 121 Tote geborgen worden, teilt der ukrainische Zivilschutz am Freitagmorgen nach Angaben der Agentur Interfax mit.

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UN-Sicherheitsrat kommt zu Sondersitzung zusammen

An diesem Freitag will der UN-Sicherheitsrat in einer Sondersitzung über die Ukraine-Krise und den mutmaßlichen Flugzeugabschuss beraten. Unterdessen fordern zahlreiche Staats- und Regierungschefs sowie internationale Organisationen eine unabhängige Untersuchung des Absturzes.

Die EU und Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier fordern freien Zugang zu der Absturzstelle. "Die Umstände müssen ohne Verzögerung aufgeklärt werden", sagt die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton in Brüssel. Auch die Nato pocht auf eine internationale Untersuchung des Absturzes. Die internationale Flugsicherheitsbehörde Flight Safety Foundation zeigte sich besorgt, dass die Absturzstelle für weitere Ermittlungen "ruiniert" werden könnte. Derzeit ist Medienberichten zufolge der Zugang zur Unfallstelle eingeschränkt.

Kanzlerin Merkel fürchtet "weitere, tragische Eskalation des Konflikts"

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) trauere um die Opfer, "ihr Mitgefühl gilt den Angehörigen", teilte Regierungssprecher Steffen Seibert mit. Merkel fordere eine "umgehende, unabhängige Untersuchung der Absturzursachen". Schockierend seien für die Bundeskanzlerin auch die mutmaßlichen Umstände, wonach das Flugzeug aus großer Höhe abgeschossen worden sein soll, teilt Seibert weiter mit. Sollte sich diese Nachricht bestätigen, so stelle sie "eine weitere, tragische Eskalation des Konflikts im Osten der Ukraine dar".

Putin informierte Obama

Am Donnerstagnachmittag erfuhr US-Präsident Barack Obama offenbar in einem Telefongespräch mit Kremlchef Wladimir Putin von dem Unglück - ursprünglich wollten die beiden über die neuen Sanktionen gegen Russland zu sprechen. Dem Kreml zufolge informierte Putin den US-Präsidenten über den "Unfall auf dem Territorium der Ukraine", der "unmittelbar vor dem Telefonat geschehen" sei.

© sz.de/Reuters/AFP/dpa/mike/sks/joku - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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