Tag der Arbeit:Scholz lehnt höheres Renteneintrittsalter ab

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Zur Hauptkundgebung des DGB in Hannover kamen laut Polizei 2500 Menschen. Die Gewerkschaft selbst sprach von 10 000 Teilnehmern. (Foto: Julian Stratenschulte/dpa)

Am 1. Mai positionieren sich SPD-Politiker und Gewerk­schafter gegen Kürzun­gen im Sozialsystem. In Berlin, Hamburg, Stuttgart und anderen Städten demonstrieren Tausende aus der linken und linksextremen Szene.

Von Angelika Slavik, Berlin

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat Forderungen nach einem höheren Renteneintrittsalter eine Absage erteilt. In einer Videobotschaft anlässlich des Feiertags am 1. Mai, des Tags der Arbeit, sagte Scholz: "Für mich ist es eine Frage des Anstands, denen, die schon lange gearbeitet haben, nicht den verdienten Ruhestand streitig zu machen." Und auch jüngere Menschen, die am Anfang ihres Berufslebens stünden, "haben das Recht zu wissen, wie lange sie arbeiten müssen". In Deutschland seien im vergangenen Jahr so viele Arbeitsstunden geleistet worden wie noch nie zuvor. Dass "manche" dennoch vom "Freizeitpark Deutschland" sprächen, ärgere ihn, sagte der Bundeskanzler.

Einen Adressaten für seine Kritik nannte Scholz nicht - allerdings hatte sich die FDP rund um ihren Bundesparteitag am vergangenen Wochenende unter anderem für Verschärfungen im Sozialsystem ausgesprochen und dabei auch das Ende der Rente mit 63 für langjährig Versicherte gefordert. Dies führte zu einiger Unruhe in der Ampelkoalition aus SPD, Grünen und FDP.

Auch Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) positionierte sich gegen Kürzungen im Sozialsystem. Der 1. Mai sei ein Tag der Solidarität, sagte Heil dem Tagesspiegel. "Ich lasse es nicht zu, dass Arbeitnehmerrechte rasiert und der Sozialstaat geschleift werden", sagte Heil.

In Berlin versammelten sich 7500 Menschen zu einer Demo für bessere Arbeitsbedingungen

Zum Tag der Arbeit kamen am Mittwoch in ganz Deutschland Menschen zusammen, um für bessere Arbeitsbedingungen zu demonstrieren. In Berlin folgten nach Polizeiangaben etwa 14 000 Menschen einem Versammlungsaufruf des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), der unter dem Motto "Mehr Lohn, Freizeit, Sicherheit" stand. Auch in zahlreichen anderen Städten, darunter in Hamburg, Chemnitz und Dresden, kam es zu Protestversammlungen. Zur Hauptkundgebung des DGB in Hannover kamen laut Polizei 2500 Menschen. Die Gewerkschaft selbst sprach von 10 000 Teilnehmern.

Schon vor Beginn der Versammlungen hatte der Gewerkschaftsbund an die Folgen der hohen Inflationsrate in den vergangenen zwei Jahren erinnert. "Die Menschen spüren noch immer die tiefen Löcher, die die Inflation in ihre Geldbörsen gebrannt hat", sagte die Berliner Landesvorsitzende des DGB, Katja Karger. Es sei deshalb wichtig, in mehr Unternehmen Tarifverträge durchzusetzen.

DGB-Chefin Yasmin Fahimi kritisierte die Debatte um den Sozialstaat. Es brauche gute Bezahlung und faire Teilhabe am Wohlstand, sichere Arbeitsplätze und "eine Arbeit, die Luft lässt für Familien und ein gutes Leben". In Deutschland würden jährlich bis zu zwei Milliarden Überstunden geleistet, sagte Fahimi, die früher SPD-Generalsekretärin war, bei der Demonstration in Hannover. Weit mehr als die Hälfte davon bleibe unbezahlt. Angesichts dessen sei es "respektlos", wenn einige darüber fabulierten, man müsse den Menschen "Lust auf Arbeit" machen. "Dann wird so getan, als wären die Beschäftigten in Deutschland faul und wenig leistungsbereit. Und das geht an jeder Realität vorbei", sagte Fahimi.

Neben den traditionellen Kundgebungen der Gewerkschaften fanden am 1. Mai die alljährlichen Proteste von Gruppen aus der linken und linksextremen Szene statt. In Berlin setzte sich gegen 18.30 Uhr die "Revolutionäre 1.-Mai-Demonstration" in Bewegung. Der Polizei zufolge zogen mehr als 11 000 Menschen vom Südstern in Kreuzberg nach Neukölln, von wo der Zug wieder zurück zum Startpunkt führte. Größere Störungen blieben aus, die Polizei hatte den Zug mit Tausenden Beamten begleitet. In Hamburg wurden die Proteste, mit laut Polizei rund 9000 Teilnehmern, ebenfalls von einem Großaufgebot der Polizei überwacht und verliefen friedlich. In beiden Städten war es in früheren Jahren zu teils erheblichen Ausschreitungen gekommen.

Gewalt und Verletze in Stuttgart

Zu gewaltvollen Szenen kam es hingegen bei der "Revolutionären 1. Mai Demo" in Stuttgart. Wie die Polizei am Abend mitteilte, wurden dabei Beamte mit Schlägen, Tritten, Pfefferspray und Schlagwerkzeugen attackiert. "Erst ein kurzfristiger Pfefferspray- und Schlagstockeinsatz sowie der Einsatz von Polizeipferden und Polizeihunden ermöglichte, die Situation wieder unter Kontrolle zu bringen", hieß es weiter.

Die angreifenden Personen seien umschlossen und ihnen die vorläufige Festnahme erklärt worden. Laut Polizeiangaben wurden 25 Einsatzkräfte verletzt. Die Demonstration wurde aufgelöst. Das Bündnis, das zu dieser Demo aufgerufen hatte, wies die Darstellung der Polizei zurück: "Die Behauptungen der Polizei entbehren jeglicher Grundlage und dienen einzig dem Zweck, im Nachhinein eine Rechtfertigung für den gewaltsamen Angriff auf die Demonstration zu konstruieren."

Wenn Einsatzkräfte durch Pfefferspray verletzt worden seien, dann durch den massiven Einsatz von Reizgas aus den eigenen Reihen. Die Polizei interpretiere beschlagnahmtes Material - etwa Halterungen von Hoch-Transparenten und Schildern an Holzlatten - zu Angriffswerkzeug um, ohne dafür einen Beleg zu präsentieren. Eine Sprecherin des Bündnisses sagte, bisher wisse man von "95 Verletzten durch Angriffe der Polizei". Dabei sei es insbesondere zu Prellungen durch den Einsatz von Schlagstöcken sowie zu Augen- und Hautreizungen durch Pfefferspray gekommen.

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