Tote in Gefängnissen in Texas:Wenn die Zelle zur Hölle wird

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Mehr als 120 000 Häftlinge leben in den Gefängnissen von Texas, nur etwa ein Drittel von ihnen hat die Möglichkeit, sich in Räumen aufzuhalten, die zumindest auf unter 30 Grad gekühlt werden. (Foto: Andrew Lichtenstein/Corbis/Getty Images)

Mehr als zwei Drittel der Gefängnisse in Texas haben keine Klimaanlage, mitunter wird es in den Gebäuden heißer als 40 Grad Celsius. Bei Todesfällen geben die Behörden aber lieber andere Gründe an.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Man kann schon von einer humanitären Krise sprechen, die in den Gefängnissen von Texas derzeit herrscht, und es ist eine Krise, die sehr wahrscheinlich zu verhindern gewesen wäre: Im vergangenen Monat sind im US-Bundesstaat neun Häftlinge gestorben - wahrscheinlich an den Folgen einer unmenschlichen Hitze. Während draußen Temperaturen von mehr als 35 Grad Celsius herrschen, steigen im Inneren der Gefängnisse die Temperaturen bisweilen auf mehr als 45 Grad an. Einer Studie der Brown University in Rhode Island zufolge war die Hitze in den Jahren 2001 bis 2019 bereits für 271 Todesfälle in texanischen Haftanstalten verantwortlich.

In diesem Jahr war eigentlich Abhilfe geplant: Ein Gesetzesentwurf zu Beginn dieses Jahres sah Sondermittel in Höhe von 545 Millionen Dollar für Klimaanlagen in den Gefängnissen vor. Viel Geld - angesichts eines Überschusses von knapp 33 Milliarden Dollar im Haushalt jedoch machbar. "Es ist unmenschlich, was wir tun", sagte der Abgeordnete Terry Canales im April: "Wenn wir nichts unternehmen, werden diese Leute weiter bei lebendigem Leib gegrillt." Mehr als 120 000 Insassen leben in den Gefängnissen von Texas, nur etwa ein Drittel von ihnen hat die Möglichkeit, sich in Räumen aufzuhalten, die zumindest auf unter 30 Grad gekühlt werden.

Der Gesetzentwurf wurde einen Monat später abgelehnt. Im Haushalt sind nun zwar 85,7 Millionen Dollar vermerkt - jedoch nicht für Klimatisierung und Belüftung explizit, sondern für Reparaturen allgemein. Zum Beispiel für Zäune, Feueralarm, Abwassersysteme. Mehr als zwei Drittel der Gefängnisse in Texas haben aktuell keine Klimaanlage, in 14 Prozent gibt es noch nicht einmal eine Belüftungsanlage. Nun herrscht in Texas wieder eine Hitzewelle, wieder sterben Häftlinge, und wieder berichten Betroffene in dramatischen Worten. "Es fühlt sich an, als liefe man in der Hölle herum", zitiert die New York Times den 44 Jahre alten Gary Crawford, Insasse im Lopez State Jail in Edinburg - wo in diesem Jahr bereits an mehr als 50 Tagen jeweils Temperaturen von mehr als 37,7 Grad gemessen worden sind; an manchen Tagen zeigte das Thermometer mehr als 46 Grad Celsius an.

Tödlicher Zusammenbruch beim Rasenmähen

Die Zahlen der Brown-Studie sind das eine, die offizielle Statistik der texanischen Gefängnisverwaltung Texas Department of Criminal Justice (TDCJ) dagegen lautet: keine Hitzetoten seit 2012. Im Jahr zuvor waren nach einer vergleichbaren Hitzewelle zehn Häftlinge nach offiziellen Angaben an den Folgen eines Hitzschlags gestorben. Danach gab es zahlreiche Klagen, das TDCJ zahlte Entschädigungen in Millionenhöhe.

"Es wäre unzutreffend, die aktuellen Todesfälle vor Abschluss der Ermittlungen mit der Hitze in Verbindung zu bringen", sagt TDCJ-Sprecherin Amanda Hernandez. Ende Juni etwa brach der 35 Jahre alte Tommy McCullough beim Rasenmähen im Gefängnis von Huntsville zusammen und starb. Offizielle Todesursache: Herzinfarkt. Könnte auch ein Hitzschlag gewesen sein, an diesem Tag wurde unweit des Gefängnisses eine Temperatur von 42,7 Grad gemessen. McCulloughs Schwester sagte Medienberichten zufolge, Häftlinge hätten von knapp 55 Grad im Inneren des Gefängnisses berichtet. Ihr Bruder habe sich zudem am Abend vor seinem Tod am Telefon beschwert, kein Wasser bekommen zu haben - das Gefängnispersonal sei aufgrund von Unterbesetzung hoffnungslos überfordert.

In Texas im Süden der USA wird es in den Sommermonaten extrem heiß. (Foto: Andrew Lichtenstein/Corbis via Getty Images)

Es ist schwierig, einen eindeutigen Zusammenhang zwischen Hitze und Herzinfarkt herzustellen, geschweige denn zu beweisen. Bei McCullough, so sagt TDCJ-Sprecherin Hernandez, gingen die Ermittler davon aus, dass Drogenkonsum sein Herz geschwächt habe. Diese Lesart ist Wasser auf die Mühlen der Kritiker der texanischen Gefängnisverwaltung. Es gebe keinen Grund für die Behörde, Hitzschlag als Todesursache anzugeben, weil kostspielige Klagen drohen könnten. Bei fünf der neun Toten im Juni lautet die Ursache "Herzinfarkt", bei vier ist sie offiziell noch nicht bekannt. Noch ein Kritikpunkt: In diesem Jahr hat das TDCJ insgesamt fünf Erkrankungen von Häftlingen aufgrund von Hitze gemeldet, neun von Justizwachtmeistern. Dieses Verhältnis erscheint Kritikern eher fragwürdig - aufgrund der Häftling-Wärter-Ratio von sieben zu eins und der Tatsache, dass die Angestellten im Gegensatz zu Insassen zum Abkühlen nach Hause dürfen.

"Es geht nicht nur um die körperlichen Folgen, sondern auch darum, was es mit der Psyche anstellt", sagt der Abgeordnete Canales. Zwar werde berichtet, dass die Zahl der Gewaltausbrüche steige und diese heftiger werden, doch sei es auch da schwer, einen eindeutigen Zusammenhang zur Hitze herzustellen, weil der Auslöser für eine Prügelei oft ein anderer sei. Canales will deswegen gesetzlich festlegen lassen, dass die Temperatur in bundesstaatlichen Gefängnissen zwischen 18 und 30 Grad betragen müsse - so wie es in Einrichtungen auf lokaler Ebene bereits vorgeschrieben ist. Schätzungen zufolge dürfte es 1,1 Milliarden Dollar kosten, dieses Ziel bis 2030 zu schaffen. Es dürfte ein neuer Gesetzentwurf für den Haushalt von Texas entstehen - im kommenden Jahr. Der Sommer 2023 ist aber noch nicht vorbei. Er hat gerade erst begonnen.

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