SZ-Serie "Ein Anruf bei ...":Wollen die uns einen Bären aufbinden?

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Ein Bär hat's schwer, zumindest in der deutschen Sprache. Er wird nicht nur aufgebunden, sondern steppt manchmal auch. (Foto: imago/Westend61)

Deutsche Tierschutz-Aktivisten fordern, Redewendungen wie "Ein Hühnchen rupfen" zu streichen. Was ein Sprachwissenschaftler und Humorforscher von dem Vorstoß hält.

Interview von Martin Zips

Sind Redensarten, in denen nicht besonders nett über Hühner, Pferde oder Bären gesprochen wird, tierfeindlich? Aktivistinnen und Aktivisten sehen das Tierwohl gefährdet und wollen zumindest sprachlich die Schäfchen ins Trockene bringen. Der deutsch-US-amerikanische Sprachwissenschaftler Christian F. "Kiki" Hempelmann betrachtet die Sache mit Humor.

SZ: Herr Hempelmann, sollte man nicht tatsächlich Ausdrücke wie "du faule Sau" oder "du hast eine Meise" zum Wohle aller Tiere streichen?

Christian F. Hempelmann: Derartige Vorschläge, vielleicht sind sie politisch motiviert, zeigen für mich eine gewisse Naivität gegenüber Sprachbedeutung. Es ist schwierig, Sprachwandel aktiv zu fordern. Sprachwandel ist ein unterbewusster Vorgang. Den Begriff "Maulwurf" zum Beispiel hat nie jemand verordnet. Der entstand aus "Moltewurf", hatte also nichts mit dem Maul, sondern mit Erde zu tun.

Auch der "Pleitegeier" hat mit dem Geier nichts zu tun. Er stammt aus dem Jiddischen: "pleyte geyer" meint "bankrottgehen".

Da sehen Sie mal!

Trotzdem, lieber Herr Hempelmann: Wäre es nicht besser, eindeutig tierfeindliche Bezeichnungen wie "Spinatwachtel", "Hupfdohle" oder "Spatzenhirn" komplett zu streichen? Gerade Vögel kommen da oft schlecht weg.

Als Sprachforscher weiß ich: Die Beziehung zwischen einem oder mehreren Wörtern und deren Bedeutung ist ein sozialer Kontrakt. Bloß weil jemand "komischer Kauz", "Schmierfink" oder "du dumme Gans" sagt, kann man ihm doch nicht unterstellen, er habe etwas gegen Geflügel.

Gut, aber Wilhelm Busch, in dessen Museum Sie gerade forschen, hatte schon was gegen Vögel, nicht? Über den am Ende strangulierten "Unglücksraben" Hans Huckebein etwa schrieb er: "Die Bosheit war sein Hauptpläsier./Drum, spricht die Tante, hängt er hier."

Huckebein war ein Säufer! Und Busch hatte eher gegenüber Haustieren wie Witwe Boltes Spitz einen Vorbehalt. Er fand es ungewöhnlich, dass Hunde oder Katzen von Leuten, die sich das leisten konnten, mit in die Wohnung genommen wurden. Tiere, denen man nach und nach das Nutztierverhalten abgewöhnte und sie zu Haustieren machte.

Der Sprachwissenschaftler Christian F. "Kiki" Hempelmann, 52, lebt und arbeitet in Texas, forscht aber derzeit am Museum "Wilhelm Busch - Deutsches Museum für Karikatur und Zeichenkunst" in Hannover. (Foto: Wilhelm Busch Museum, Hannover)

Jetzt zäumen Sie das Pferd aber von hinten auf. Was unterscheidet eigentlich den Humor in Texas von dem in Deutschland?

Strukturell nichts, aber die Themen mögen variieren. Wir haben in Texas sicher mehr Gürteltiere, Kojoten und Schusswaffen im Privatbesitz, die zu humortragenden Kontrasten herangezogen werden können.

Da möchten wir nicht widersprechen. Was halten Sie aber vom Vorschlag deutscher Aktivistinnen und Aktivisten, auch übergriffige Wörter wie "tierisch" oder "Tierhalter" nicht mehr zu verwenden?

Humoristisch gesehen ist das ein wunderbares Feld.

Man fordert, statt "Da steppt der Bär" künftig "Da wedelt der Hund mit seiner Rute" zu sagen und statt "Zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen": "Erbsen auf eine Gabel laden".

Allein dadurch, dass wir beide darüber sprechen, haben die Tierschützer doch ...

... einen Bock geschossen?

Richtig! Und wir sind einem Hund aufgesessen.

Einem Bären, lieber Herr Professor Hempelmann, einem Bären.

Wie auch immer. Für Tierschützer ist das ein ganz klassischer Move im Kulturkampf. Hauptsache, man bringt die eigene Position ins Gespräch. Egal, wie absurd sie auch präsentiert wird.

Also doch alles eher zum Mäusemelken? Machen Sie sich eigentlich Sorgen, was die Zukunft des Humors betrifft?

Nein, nein. Denk- und Sprechverbote tragen schon immer zur Entstehung ganz neuer Humorformen bei. Allerdings sollte man sich durchaus der Konsequenzen bewusst sein, die solche Verbote und ihre Missachtung mit sich bringen. Wenn man es aber in Kauf nimmt, dass man gecancelt wird, so kann man sehr interessant damit spielen.

Weitere Folgen der Serie "Ein Anruf bei ..." finden Sie hier .

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