SZ-Kolumne "Bester Dinge":Heidemarie spielt Josef

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(Foto: Sabrina Aras)

Ein Nürnberger Pfarrer führt an Heiligabend in seiner Kirche ein Krippenspiel auf. Dieser Satz klingt nicht nach einer Nachricht. Dieser hier aber schon: Die Darstellerinnen sind nicht mehr ganz jung.

Von Martin Zips

Jeder, der gern liest, hört oder schreibt, weiß: Der erste Satz ist wichtig. Im besten Fall gelingt eine Art Ouvertüre zu dem, was nun kommt. "Im Anfang war das Wort" ist so ein Beginn (Johannes 1,1), "Lolita, Licht meines Lebens, Feuer meiner Lenden" (Vladimir Nabokov) oder "Mein erster Toter war ein Rentner" (Joachim Meyerhoff). Der erste Satz des Berichts des Evangelischen Pressedienstes geht so: ",Gott hat uns ein Wunder - Entschuldigung - sein Wunder gegeben', spricht Sieglinde Emter alias Maria, während sie die Babypuppe streichelt, die das Jesuskind darstellt."

Was steckt da nicht alles drin! Da gibt es also eine Frau, offenbar stellt sie Maria dar, und sie ist noch nicht ganz textsicher beim Umgang mit der Requisite. Wird hier etwa die Probe zu einem Krippenspiel beschrieben? Richtig. Und der Name "Sieglinde" deutet an: Es ist keines der üblichen, in dem Kinder die Hauptrollen übernehmen. Hier handelt es sich um ein "Seniorenkrippenspiel" (laut Aussage des Regisseurs und Pfarrers Hannes Schott eine großartige Sache). Die Reporterin resümiert: "Wenn man den fünf Seniorinnen länger beim Proben zusieht, fällt einem gar nicht mehr auf, dass sie keine Kinder sind."

Die Akteurinnen des Wohnstifts Hallerwiese leisten einiges: Theresia, 88, spielt neben Wirtin und Hirtin auch einen König; Heidemarie neben Josef auch den Engel. Und so bekommt man tatsächlich Lust, an Heiligabend um 15 Uhr in die Nürnberger Jakobskirche zu gehen, wo das Stück aufgeführt wird. Denn, wie heißt es am Ende fast jedes kirchlichen Krippenspiels? "Fürchtet euch nicht!" Gar kein schlechter Schlusssatz übrigens.

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