Prozesse - Ansbach:Kautabak zum Lutschen? Gericht verhandelt über "Bags"

Direkt aus dem dpa-Newskanal

Ansbach (dpa/lby) - Darf Kautabak auch gelutscht werden? Diese Frage erscheint banal, beschäftigt aber seit Jahren die Verwaltungsgerichte in Bayern. Die Außenstelle Ansbach des Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (VGH) verhandelte am Donnerstag in der zweiten Instanz über ein Verbot so genannter "Bags", die neben Tabak auch Aromen enthalten und vor allem junge Konsumenten ansprechen sollen. Eine Entscheidung soll jedoch erst am Montag bekannt gegeben werden.

Durch die Darreichungsform in den Zellulosebeuteln könne der Tabak deutlich länger im Mund behalten werden. Deshalb nehme der Körper auch mehr Inhaltsstoffe auf als das beim klassischen Kautabak der Fall sei, hatte das Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit schon vor Jahren beanstandet.

Eine im Allgäu ansässige Tabakfirma wehrt sich nun gegen das Verkaufsverbot ihrer drei Produkte "Thunder Wintergreen Chewing Tobacco" und "Thunder Original Chewing Tobacco" und "Thunder Frosted Chewing Bags", die entgegen der Europäischen Tabakrichtlinie nicht zum Kauen oder Rauchen, sondern zum Lutschen gedacht sind.

Da die europäische Tabakrichtlinie erst 2014 überarbeitet worden war, wollten die Ansbacher Richter im Berufungsverfahren auf Nummer sicher gehen und vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) wissen, wie zwischen zulässigem Kautabak und unzulässigem Tabak unterschieden werden soll. Vor allem geht es um die Frage, wann ein Tabak zum Kauen bestimmt ist.

In der mündlichen Verhandlung machten die Richter nun deutlich, dass das oberste europäische Gericht die Auslegung sehr streng sehe. Nach der Tabakrichtlinie dürfe alles, was nicht ausschließlich gekaut werde, nicht verkauft werden. Die EU will mit ihren strengen Vorgaben verhindern, dass das Verkaufsverbot umgangen wird, etwa mit Produkten wie dänischem Lutschtabak.

Die Tabakindustrie hat sich den Bedürfnissen junger Konsumenten angepasst und den klassischen Kautabak weiterentwickelt. "Den traditionellen Kautabak hat man lose zwischen den Zähnen, das machen vor allem alte Männer", sagte die Landesanwältin Stephanie Steinebach, die die Interessen des Freistaates Bayern vor dem Verwaltungsgerichtshof vertritt, am Rande der Verhandlung. "Die Chewing Bags wirken deutlich attraktiver auf junge Menschen. Im Interesse des Gesundheits- und Jugendschutzes sollten sie deshalb nicht verkauft werden dürfen."

"Chewing Bags" sind kleine Zellulosebeutel, in denen neben sehr fein geschnittenem Tabak auch Aromen wie Lakritze, Menthol oder Fruchtessenzen enthalten sind. Ob diese Beutel wirklich ausschließlich gekaut werden, ist fraglich. Üblicherweise werden sie so lange in der Backentasche gelassen, bis sie keinen Geschmack mehr abgeben. Für die Tabakindustrie sind diese Bags ein neues, lukratives Geschäftsfeld. In Werbekampagnen wird damit geworben, dass man damit auch Tabak genießen könne, wo Rauchen verboten ist - etwa in Flugzeugen, Restaurants oder öffentlichen Gebäuden.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: