Nancy González' Leben war lange ein Paradebeispiel dafür, dass jeder es ganz nach oben schaffen kann, zu Wohlstand, Ruhm und Reichtum, vorausgesetzt, man glaubt nur fest genug an sich selbst. Aus einem Hinterhof in Cali, Kolumbien, hatte es González in den 1990er-Jahren auf die Laufstege in der ganzen Welt gebracht. Prominente wie Victoria Beckham oder Blake Lively ließen sich mit ihren exklusiven Handtaschen ablichten, und sogar Museen stellten ihre Kreationen aus. Ausgerechnet diese Bilderbuchkarriere endet nun in einem Knast: Anfang der Woche hat ein Gericht in Miami die 71-Jährige zu 18 Monaten Haft verurteilt. Nancy González soll der Kopf einer "Verschwörung" gewesen sein, die über Jahre Taschen in die USA schmuggelte, deren Leder von geschützten Tieren stammte.
Tatsächlich ist González vor allem berühmt für ihre Kreationen aus Krokodil- und Schlangenleder. Die Häute, so hieß es immer, stammten von Farmen, spezialisiert auf die Züchtung von Pythons oder Kaimanen. Das ist nicht verboten, genauso wenig wie der internationale Handel damit. Trotzdem aber hätte die Designerin für die Einfuhr in die USA spezielle Genehmigungen gebraucht. Doch sie ließ die Taschen lieber von Freunden, Verwandten oder Angestellten ins Land bringen, deklariert als Privateigentum oder als Geschenke. Im großen Maßstab soll dieser Schmuggel betrieben worden sein, über Jahre hinweg und in Hunderten Fällen, jede Handtasche mehrere Tausend Dollar wert.
2022 war González in Kolumbien verhaftet worden, vergangenes Jahr lieferten Behörden sie an die USA aus, wo sie sich schuldig bekannte. Unter Druck habe sie schlechte Entscheidungen getroffen, sagte die Designerin, allerdings hätte sie nie die Absicht gehabt, die USA zu beleidigen, ein Land, dem sie "unendlich dankbar" sei.
González war Anfang 30 und frisch geschieden, als sie begann, bei sich zu Hause in Kolumbien Ledergürtel zu nähen. Bald kamen Handtaschen hinzu und sie eröffnete einen eigenen Laden. Ein paar Jahre später wurden Designer in New York auf sie aufmerksam, Luxusboutiquen stellten ihre Kreationen in die Schaufenster, und im Film "Der Teufel trägt Prada" von 2006 spielt Anne Hathaway eine unbedarfte Modemagazin-Assistentin, der man eine Handtasche reicht mit den Worten: "Nancy González. Lieb ich!"
González' Anwälte sprachen von einer Frau, der es als alleinerziehende Mutter gelungen sei, das "erste luxuriöse High-End-Modeunternehmen in einem Land der Dritten Welt zu gründen, allen Widrigkeiten zum Trotz". Ohnehin habe nur ein geringer Prozentsatz der Waren keine ordentliche Genehmigung gehabt. Und es habe sich dabei vor allem um Muster für Modeschauen und andere Veranstaltungen gehandelt.
Die Staatsanwaltschaft aber sah das ganz anders: Schon 2016 und 2017 sei González von US-Beamten auf die nicht ordnungsgemäße Einfuhr hingewiesen worden. Dennoch habe sie weitergemacht, zu ihrem eigenen Nutzen. González habe in Luxus geschwelgt, ganz im Gegensatz zu den Boten, die sie für den Transport ihrer Schmuggelwaren rekrutierte. Der stellvertretende US-Staatsanwalt Thomas Watts-Fitzgerald verglich ihre Geschäftspraktiken sogar mit der von Drogenhändlern: "Es ist alles von Geld getrieben." Nun muss die Designerin zusätzlich zur Haftstrafe eine Geldstrafe in unbekannter Höhe zahlen.