Kunst:Nacktkünstler verklagt das Museum of Modern Art

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Bei der Ausstellung im Museum of Modern Art in New York mussten sich die Besucher an zwei Nackten vorbeiquetschen. (Foto: Andrew Walker/Getty Images via AFP)

Museumsbesucher hätten ihn bei einer Performance in New York vor 14 Jahren unsittlich berührt, behauptet der Mann. Über die Schwierigkeiten künstlerisch motivierter Hüllenlosigkeit.

Von Martin Zips

Man kennt das ja aus der öffentlichen Sauna. Vor allem sonntags ist es dort recht voll, also wartet man lieber ein bisschen, bevor man sich zu den anderen unter die Dusche quetscht. Im Gedränge mit völlig Fremden und ohne etwas an - das kann auch mal recht unangenehm sein.

Deshalb versteht man auch den New Yorker Aktionskünstler John Bonafede so gut, dass er nun Geld haben möchte vom Museum of Modern Art. Im Jahr 2010 war Bonafede dort während einer Performance der serbischen Künstlerin Marina Abramović nackt auf einem sehr engen Gang gestanden. Gleich gegenüber einer anderen Nackten. Die beiden waren Teil einer Kunstinstallation.

Unangenehm wurde die Sache vor allem dadurch, dass sich auch noch Museumsbesucher an den beiden vorbeiquetschen sollten. Dazu muss man wissen: Museumsbesucher, selbst wenn sie angezogen sind, können ungeheuer lästig sein. Zum Beispiel, wenn sie laut telefonieren, irgendwelches Zeug quatschen oder ständig alles berühren wollen. Gerade an Sonntagen wissen die Leute ja oft einfach nicht, was sie machen sollen. Also gehen sie ins Museum. Oder in die Sauna. Abramovićs Nacktkunst nannte sich übrigens "Imponderabilia". Und das passt ganz gut, denn Imponderabilien (lat. imponderabilis: unwägbar) sind ein bildungssprachlicher Ausdruck für Unwägbarkeiten mit nicht vorhersehbaren Risiken.

Jedenfalls, so berichtet nun die New York Times, habe der mittlerweile 50 Jahre alte Ex-Nacktkünstler Bonafede vor dem New Yorker Supreme Court beanstandet, dass ihn damals gleich fünf ältere männliche Museumsbesucher im engen Gang angefasst hätten. Man kann sich schon denken, wo. Bonafede hat nun, knapp 14 Jahre danach, eine Schmerzensgeldklage gegen das Museum eingereicht. Seinerzeit habe er sich nicht getraut, etwas zu sagen, weiß auch die New York Post. Denn andere Nacktkünstler seien wegen ihrer Widerworte entlassen worden, da habe er lieber geschwiegen - und gelitten. Es habe auch nicht einmal Hinweistafeln gegeben, welche die MoMA-Besucher darauf hingewiesen hätten, solche Berührungen zu unterlassen. Mittlerweile habe das Museum strenge Sicherheitsmaßnahmen zum Schutze von Nacktkünstlerinnen und Nacktkünstlern ergriffen. Wer sich als Museumsbesucher nicht entsprechend verhalte, werde vor die Tür gewiesen.

Der Einsatz dicht gewebter Textilien hat sich seit Jahrhunderten bewährt

Zu all dem hätte man jetzt natürlich gerne Leonardo da Vinci gefragt oder auch Michelangelo. Auch sie haben in ihrer Kunst menschliche Nacktheit ja immer wieder thematisiert, nur halt etwas anders. Auch eine Einschätzung der österreichischen Aktionskünstlerin Valie Export hätte einen zum aktuellen Fall interessiert. Die heute 83-Jährige, zu deren Ehren gerade eine sehr sehenswerte Retrospektive in Berlin eröffnet, hatte sich im Jahr 1968 während ihrer berühmten "Tapp- und Tastkino"-Performance in München von Passanten die Brüste berühren lassen. Vor allem aber hätte einen die Meinung von Marina Abramović dazu interessiert, die erst kürzlich erneut "Imponderabilia" inszenierte. In der Londoner Royal Academy of Arts - mit 37 neuen Nackten. Doch überall: Schweigen.

Und so bleibt an dieser Stelle festzuhalten: Kleider haben eine ausgesprochen wichtige Schutzfunktion, nicht nur für den menschlichen Körper, auch für seinen Geist! Der Einsatz dicht gewebter Textilien hat sich seit Jahrhunderten bewährt. Auch im Kampf gegen Kälte. Zudem wird Nacktheit, anders als noch bei den Sumerern, immer seltener als wichtiges Element gelebter Spiritualität gesehen. Nur bei der Sexualität ist sie meist unverzichtbar.

Aber auch in der Kunst, da muss man jetzt nicht drum herumreden, ergibt sie durchaus einen Sinn - aktuell etwa zu sehen in der großartigen "Venezia 500"-Ausstellung in der Münchner Alten Pinakothek. Dort war man zuletzt übrigens heilfroh, dass man sich auf den engen Fluren sonntags nicht auch noch an irgendwelchen Nackten vorbeidrücken musste. Die riesige Anzahl Angezogener hat einem völlig gereicht.

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