Kirche - Baiern:Psychologe Keupp: "Das Piusheim ist kein Sonderfall"

Baiern
Der Sozialpsychologe Heiner Keupp bei einer Pressekonferenz. Foto: picture alliance / dpa / Archivbild (Foto: dpa)

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Baiern/München (dpa/lby) - Der Münchner Sozialpsychologe Heiner Keupp fordert nach Bekanntwerden massiver Missbrauchsvorwürfe gegen das ehemalige katholische Piusheim in Baiern bei München eine Aufarbeitungskommission. "Die Bistümer müssen aus einem reaktiven in einen Modus der Eigeninitiative umschalten", sagte Keupp, der Mitglied der vom Deutschen Bundestag eingesetzten Unabhängigen Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs ist, im Interview der Deutschen Presse-Agentur. Er sprach sich dafür aus, "unabhängige Aufarbeitungskommissionen" einzurichten.

Keupp, der für das Zentrum Bayern Familie und Soziales die Studie des Instituts für Praxisforschung und Projektberatung (IPP) zur Situation von Heimkindern in den 1950er, 60er und 70er Jahren begleitete und den Missbrauch im Kloster Ettal in einer Studie aufgearbeitet hat, betont: "Das Piusheim ist kein Sonderfall." Laut der IPP-Studie erlebten drei Viertel der ehemaligen Heimkinder in Bayern physische Gewalt, fast ebensoviele seelische Gewalt. "Immerhin ein Viertel der Befragten berichten von sexualisierter Gewalt", sagte Keupp. "Hier wurden Biografien gebrochen und unheilbar zerstört."

Das Piusheim ist inzwischen - 14 Jahre nach seiner Schließung - ins Visier der Justiz geraten. Die Staatsanwaltschaft München II hat Vorermittlungen gegen einen ehemaligen Erzieher und einen damals angehenden Priester aufgenommen, nachdem ein heute 56-Jähriger vor Gericht schwere Vorwürfe gegen sie erhoben hatte.

Seit Bekanntwerden der Vorermittlungen melden sich immer mehr ehemalige Bewohner bei der Opfer-Initiative "Eckiger Tisch". Bei der am bayerischen Landesjugendamt angesiedelten Beratungsstelle für ehemalige Heimkinder hatten sich über die Jahre schon 28 ehemalige Piusheim-Bewohner gemeldet, das Erzbistum München wusste von neun Verdachtsfällen. Auch bei der Staatsanwaltschaft hat sich inzwischen ein weiterer mutmaßlich Betroffener gemeldet.

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