Italien:Strand-Frust in Italien

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Der Traum eines italienischen Sommers: Strandbad in Lido di Camaiore. Und sofort hört das innere Ohr den Ruf des Kokosnussverkäufers, "Cocco-bello-cocco-bello!" (Foto: Imago/ingimage)

Schlechte Hygiene, Baumängel - und die Sonnenschirme werden immer teurer: Pünktlich zu Ferragosto diskutiert Italien über die Zustände an Adria und Riviera. Und liegt man endlich auf der Liege, kommt die Regierungspartei und teilt Kreuzworträtsel aus.

Von Marc Beise, Rom

Mitte August haben Strandthemen in Italien naturgemäß Konjunktur, und wenn es, wie in diesem Jahr, um Aufreger geht, schlagen die Wellen besonders hoch. Ferragosto naht, der sommerlichste aller Feiertage in Italien, 15. August. Die katholische Kirche begeht Mariä Himmelfahrt, das ist in diesem immer noch sehr katholischen Land ein wichtiges Datum und der Besuch der Messe eigentlich Pflicht. Aber es ist vor allem einer der wichtigsten Familienfeiertage und der Höhepunkt der Hochsaison, der Scheitelpunkt des Sommers. Vom Norden bis zum Süden sind die Hotels und Campingplätze ausgebucht, Staus programmiert, in den Dörfern werden Feste gefeiert, abends ist Feuerwerk. Und wer im Urlaub ans Meer will, muss spätestens jetzt ankommen, die meisten sind bereits da.

In den Medien und am Tresen in der Bar wird gerade heiß darüber diskutiert, dass die italienische Polizei bei landesweiten Kontrollen von Strandbädern am Meer und an Seen zahlreiche Verstöße festgestellt hat. Bei 31 Prozent der fast 1000 untersuchten Badeanstalten wurden teilweise schwere hygienische oder bauliche Mängel beanstandet, teilt die auf Gesundheitsschutz spezialisierte Carabinieri-Einheit Nas mit, es wurden auch Strandrestaurants und -bars dichtgemacht. Die Rede ist zum Beispiel von ungekühlt gelagerten Lebensmitteln oder von literweise ranzigem Olivenöl, das beschlagnahmt wurde.

Ein weiteres Aufregerthema ist, dass die Preise teilweise dramatisch angezogen haben, manch einer erwägt bereits, nächstes Jahr lieber über die Adria nach Albanien in den Urlaub zu fahren, wo es noch wesentlich günstiger sein soll. Früher kostete das Basis-Set aus zwei Liegen und einem Sonnenschirm unter zehn Euro am Tag, heute sind 20 bis 30 Euro fast schon üblich, und angeblich muss man teilweise bis zu 100 Euro hinlegen, von den Luxusresorts im toskanischen Forte dei Marmi oder an der Stiefelferse von Apulien bei Pescoluse ganz zu schweigen.

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Nicht mal vor der Politik hat man am Strand seine Ruhe. In Italien ist es Brauch, dass die Politiker, die die Hauptstadt Rom und den Parlamentsbezirk urlaubsbedingt geräumt haben, ihre Werbekampagnen ans Meer verlegen, beliebt dafür ist beispielsweise Ostia, der Hausstrand der Römer. Giorgia Melonis Regierungspartei Fratelli d'Italia hat sich ein Heftchen mit Kreuzworträtseln ausgedacht, gespickt mit Sticheleien gegen die Opposition. Zum Beispiel ist ein Wort mit sechs Buchstaben gesucht, Frage: Die oppositionelle Fünf-Sterne-Bewegung nach den jüngsten Wahlen? Leblos. Oder: Was gehört zur Linken, vier Buchstaben: Hass. Ein spezieller Humor. Die Sozialdemokraten von Elly Schlein hingegen reichen ganz ernsthaft Unterschriftenlisten für die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns unter den Badegästen herum. Italien ist eines der wenigen Länder in Europa, die ihn nicht haben, es werden teilweise wahre Hungerlöhne gezahlt; trotzdem ist die Rechts-Regierung bisher strikt dagegen ("Wir leben doch nicht im Kommunismus"), aber es gibt Signale, dass die Ablehnungsfront nach der Sommerpause bröckeln könnte. Giorgia Meloni, die in Apulien urlaubt, wird die Stimmung an den Stränden erkunden lassen.

Vielleicht denkt die eine Ministerin oder der andere Minister beim Sonnenbad auch daran, dass ein weiterer großer Brocken Arbeit noch vor der Regierung liegt: der von der EU eingeforderte Wettbewerb um die Strandbäder. Ende 2023 laufen die bestehenden Lizenzen aus, und Brüssel verlangt, dass die Konzessionen für die Strandabschnitte neu ausgeschrieben werden, und zwar europaweit. Einstweilen lassen die Tourismus-Bürokraten die Küstenabschnitte und ihre Nutzung erst mal erfassen, das ist schon lange nicht mehr gemacht worden.

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Es kommt einem an den vollgepackten Stränden der Riviera - dort gibt es landesweit die meisten als besonders sauber ausgewiesenen Meeresabschnitte - oder der Adria nicht so vor, aber ein Großteil der italienischen Küste ist frei und muss das nach den gesetzlichen Bestimmungen auch bleiben: In Apulien sind es geschätzte 91 von 100 Prozent. Allerdings muss man noch die Privatgrundstücke und die schwer zugänglichen Strandabschnitte abziehen.

Und dann gibt es ein weiteres Ärgernis, über das gerade die römische Zeitung La Repubblica berichtet hat. Es kommt - jedenfalls in Apulien - vor, dass findige Geschäftsleute am freien Strand 20 oder 30 Sonnenschirme aufstellen, schön offensiv in der ersten Reihe, noch bevor die Badegäste eintreffen - und schon gibt es einen offenen Strand weniger.

Wer wiederum den Trubel der Strandpromenade sucht, der findet zwar zwischen den ganzen Strandbädern gelegentlich eine s piaggia libera, aber sie ist randvoll mit Menschen - und womöglich eben ohne Toiletten, Steg und Rettungsschwimmer, vom Zugang für Menschen mit Behinderung ganz zu schweigen. Das könnte man ändern, sagte Antonio Capacchione, Präsident des Strandbetreiberverbandes Sib, der Repubblica, die Kommunen könnten doch die wichtigen Dienstleistungen kostenlos zur Verfügung stellen. Noch hat keine Kommune auf diese Idee reagiert.

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