Strandbad-Konzessionen in Italien:Ärger um die Spiaggia

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Zwei Liegen und ein Schirm für 15 bis 30 Euro: Die kostenpflichtigen Strandabschnitte wie hier in Cogoleto bei Genua prägen das Bild an italienischen Stränden. (Foto: Vittorio Zunino Celotto/Getty Images)

Die EU lässt nicht locker: Italien soll seine Strandbäder in den Wettbewerb entlassen. Die Regierung hat jetzt eine Idee, bei der allerdings die freien Strände in Gefahr geraten.

Von Marc Beise, Rom

Sommerzeit ist Urlaubszeit, und wer ans Meer nach Italien reist, der kann dort auf zweierlei Art und Weise glücklich werden: Die einen lieben Gemeinsamkeit, Komfort und Service und drängen sich auf den Liegen im kostenpflichtigen Strandbad. Kabinen, Restaurant und womöglich Spielplatz sind dann nicht weit. 15 bis 30 Euro für zwei Liegen mit Schirm sind üblich, aber je nach Luxus ist die Preisskala nach oben offen.

Die anderen suchen individuelle Freiheit an einem s piaggia libera, einem frei zugänglichen - und kostenfreien! - Strandabschnitt. Getränke und Sonnenschirm werden mitgebracht, ebenso die Hoffnung, ein wenig für sich zu sein, allerdings muss man sich häufig mit einem nur schmalen, wenig gepflegten und übervölkerten Streifen begnügen. Kontinuität ist in beiden Fällen möglich, manche kommen seit ewig an immer dieselbe Wasserstelle, und wehe, es hat sich seit dem Vorjahr etwas verändert. Wird es jetzt aber, müssen jene befürchten, denen Gewohnheiten lieb sind, und zwar so oder so.

Die Vorboten der Veränderung bekommt der Urlauber vor Ort noch nicht mit, es sei denn, der Strandbadbetreiber schüttet sein Herz aus. Noch findet das heftige Ringen zwischen der Regierung in Rom und den EU-Gremien in Brüssel eher in den Kulissen statt. Seit sage und schreibe 17 Jahren, seit 2006, fordert die EU hier Wettbewerb wie auch sonst im europäischen Wirtschaftsleben. Die Konzessionen für die Strandabschnitte sollen neu ausgeschrieben und frei vergeben werden, Bewerber aus der ganzen EU könnten dann zum Zuge kommen.

Die Konzessionen sind preiswert, die Erlöse betragen ein Vielfaches

Viele der zehntausend s tabilimenti balneari aber sind seit Menschengedenken in den Händen derselben Familien, und so soll es nach deren Willen bitte auch bleiben. Wir sind Italien, sagen ihre Interessenvertreter und verweisen auf die Gastronomie in den Urlaubsorten, die mancherorts in ausländische Hände gerät. Nebenbei ist das Ganze ein überaus einträgliches Geschäft: Die Konzessionen sind preiswert, die Erlöse betragen ein Vielfaches. Eine Betriebsgenehmigung gibt es ab 2700 Euro im Jahr, im Schnitt sind es geschätzt 8200 Euro. Dem stehen Jahreseinnahmen von durchschnittlich 260 000 Euro pro Strandbad gegenüber.

Die Macht der Betreiber ist groß, das Thema emotional aufgeladen. Bisher hat es noch jede Regierung gleich welcher Ausrichtung geschafft, dafür zu sorgen, dass alles so bleibt, wie es ist. Aber Ende 2023 laufen die bestehenden Lizenzen aus, die aktuellen Betreiber müssen sich dann gegen andere Interessierte um eine Betriebserlaubnis bewerben, der Europäische Gerichtshof hat das gerade noch einmal bestätigt. Jetzt hat die Regierung - reichlich spät - beschlossen, die Strände neu zu vermessen, man muss ja schließlich wissen, worüber man streitet.

Man kann das als Spiel auf Zeit interpretieren, aber eines ist klar: Die Stunde der Wahrheit naht, und es wird Leidtragende geben. Manch ein Gast verliert vielleicht seine angestammte Betreiberfamilie. Wahrscheinlich ändern sich auch die Preise, ob es billiger oder nicht sogar teurer wird, ist noch die Frage.

Umgekehrt gedacht: Ist erst mal der noch verfügbare Platz definiert, wird die Versuchung groß sein, womöglich neue Bäder zu bewilligen. Die könnte man in den Wettbewerb geben, um die alten Lizenznehmer nicht allzu sehr quälen zu müssen. Das träfe dann die Liebhaber freier Strände ebenso wie womöglich den Naturschutz. Schade eigentlich.

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