SZ-Kolumne "Bester Dinge":Buchrücken, die entzücken

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(Foto: Imago/Pond5 Images)

Microsoft plant eine neue Funktion für Teams-Videokonferenzen: Man kann sich das Bücherchaos im Hintergrund virtuell sortieren lassen.

Von Martin Zips

Menschen mit aufgeräumten Bücherregalen sind langweilig. Sehr langweilig. Langweiliger sind nur noch Menschen, welche gar keine Bücher im Regal haben. Aber denen würden wir hier keinen Text widmen, wir sind ja nicht verrückt. Daher zurück zu jenen, die sich im Wohnzimmer gleich kiloweise bunte, sehr repräsentative Buchreihen über den Flachbildschirm stellen, weil sie ihren Gästen zeigen wollen: Schau mal, wie belesen ich bin! Stimmt natürlich nicht, denn meist haben sie darin nicht einmal geblättert, aber die optisch aufeinander abgestimmten Buchrücken sehen einfach toll aus.

Die Firma Microsoft plant jetzt einen neuen Button für Videokonferenzen. Wem sein Regal im Home-Office-Hintergrund zu unaufgeräumt ist, der kann es mithilfe künstlicher Intelligenz für die Teams-Konferenz virtuell aufräumen lassen. Manche glauben ja, es mache einen schlechten Eindruck, wenn sie vor einem munter bestückten Regal sitzen. Und, richtig: Was bringt es einem schon, wenn man sich die Zähne und die Falten hat teuer richten lassen, die Haare gezupft und die Haut gecremt - und dann macht einem so ein umgestürzter Noam Chomsky die ganze Optik kaputt. Ein neuer Button ergibt da schon Sinn. Sogar das ganze Zimmer kann man sich damit herausputzen lassen.

Jetzt braucht es nur noch einen einzigen weiteren Knopf. Einen, der diesen ganzen verbalen Müll, den man so täglich von sich gibt und der einem schon seit Jahren wirklich jede Beförderung versaut, in Hundertstelsekunden und möglichst lippensynchron zu eindrucksvoller Prosa umwandelt. Gute Inhalte sind ja so wichtig!

Ist die Kamera dann aus, ziehen wir uns einfach wieder den Frottee-Mantel an, setzen uns noch einen Espresso auf und ziehen den völlig vergilbten Gedichtband von Ingeborg Bachmann aus dem Regal. Oder die restlos zerfledderte Monika-Helfer-Ausgabe, die genauso sandgestrahlt und von Meerwasser gewellt ist wie dieses fantastische Werk von Sally Rooney, Sie wissen schon. Und die lesen wir dann.

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