Die Venus von Milo zum Beispiel. Jeder, der schon mal im Pariser Louvre war, kennt die Skulptur, in Scharen versammelt sich die Handyherde vor ihr. Aber wer hat sie erschaffen? Name unbekannt. Ebenso die Namen der Künstler, die für das Mausoleum des Kaisers Qín Shīhuángdì die Terrakotta-Armee erschufen, auch die der Höhlenmaler von Lascaux.
Es ist also nicht ungewöhnlich, dass auch Hollywood zum diesjährigen hundertsten Geburtstag seines weltberühmten Schriftzugs zugeben muss: Keine Ahnung, wer den designt hat. So sieht es Betsy Isroelit von der Organisation Hollywood Sign Trust, die die gut 15 Meter hohen, mit Zaun und Kameras vor Vandalismus geschützten, mit 1500 Liter Lackfarbe gerade neu geweißelten Buchstaben am Mount Lee verwaltet. Beim Trust tendiert man am ehesten zu der im Jahr 1977 von der Los Angeles Times verbreiteten These, ein Mann namens John Roche könnte der Designer des 1949 von "Hollywoodland" auf "Hollywood" gekürzten und 1978 noch mal komplett neu errichteten Schriftzugs sein. Merkwürdig, dass sich Roche erst 54 Jahre nach dem Bau erstmals öffentlich an seine Urheberschaft erinnerte.
Hier setzt Buchautor Bruce T. Torrence ("Hollywood - The first 100 years") an. Durch "zahlreiche Artikel und historische Schriften" sieht Torrence die These belegt, der Inhaber der örtlichen Crescent Sign Company, Thomas Fisk Goff, sei Vater des Wahrzeichens. Der damals 33-Jährige habe im Auftrag einer Maklerfirma gehandelt, welche mit den blinkenden Buchstaben auf die zu dieser Zeit noch recht unbesiedelte Gegend hinweisen wollte. Als Vorbild habe ein deutlich unauffälligeres Billboard in den Whitley Heights gedient - später Wohnort von Stars wie Marlene Dietrich und Rudolph Valentino.
Freilich, Goffs Schilderfirma sei für die Umsetzung dieses Großauftrags zu klein gewesen, schreibt Torrence in einem Aufsatz von 2017. Wahrscheinlich habe sich Goff bei der großen Western Construction Company Hilfe geholt. Es galt ja, unzählige Rohre, Drähte, Telefonmasten und Metallplatten auf den Mount Lee zu wuchten. Auch die 4000 Glühbirnen, die die "Hollywoodland"-Silben einst abwechselnd erleuchteten, seien wohl nicht von Goffs Firma eingedreht worden. Da habe es andere Spezialisten gegeben. Bei der Behauptung des 1978 gestorbenen Broschüren-Zeichners John Roche jedoch, er sei der Schöpfer, handele es sich um Unsinn. Goff sei es.
Sicher ist: Der Schildermaler Thomas Fisk Goff war aus England Anfang des 20. Jahrhunderts in die USA eingewandert und wurde in den 1920er-Jahren Opfer der Weltwirtschaftskrise. Später arbeitete er für ein staatliches Kunstförderprojekt und beim Roten Kreuz und hielt sich mit dem Verkauf kitschiger Ölbilder über Wasser, bevor er 1984 im Alter von 93 Jahren im kalifornischen Atascadero starb. Mehr als 5000 Landschaften malte er, im Netz werden sie für wenig Geld angeboten. Doch als Designer des weltberühmten Schriftzugs hat er sich zeitlebens nie in Szene gesetzt. Womöglich war ihm das schlicht zuwider. Seine Bilder aber signierte er stets in auffälligen Großbuchstaben, hübsch geschwungen, wie der Schriftzug über Hollywood.