Flut in Pakistan:Regierung: 20 Millionen Obdachlose

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Laut Pakistans Regierung sind weit mehr Menschen von der Flut betroffen als bisher angenommen. Der Premier ruft nach Hilfe - doch ein Angebot des Erzfeindes stürzt ihn in ein Dilemma.

Wenn die Zahlen aus Islamabad stimmen, ist die Lage noch dramatischer als selbst von Pessimisten befürchtet: Nach Angaben der pakistanischen Regierung hat die Jahrhundertflut 20 Millionen Menschen ins Elend gestürzt. Das wären sechs Millionen Menschen mehr als von den Vereinten Nationen angenommen.

Sprung auf festen Boden: Rettungskräfte versuchen, so vielen Flutopfern zu helfen wie möglich. Nach pakistanischen Regierungsangaben sollen 20 Millionen Menschen ihr Heim verloren haben. (Foto: AFP)

Premierminister Yousuf Raza Gilani sagte in einer Fernsehansprache zum Unabhängigkeitstag, 20 Millionen Menschen seien vom Hochwasser aus ihren Häusern vertrieben wurden. Die Vereinten Nationen gingen von 14 Millionen Betroffenen aus, von denen sechs Millionen dringend Hilfe benötigten.

Vor 63 Jahren, am 14. August 1947, wurde Pakistan ein eigenständiger Staat. Im Moment ist allerdings niemandem im Land nach Feiern zumute. Präsident Asif Ali Zardari und das Militär sagten die Zeremonien für den Nationalfeiertag am Samstag ab. Die Armee lässt verlauten, sie wolle die Mittel, die für die Feierlichkeiten vorgesehen waren, Opfern der Katastrophe spenden.

Zardaris Reaktion auf die Katastrophe bringt ihm nach wie vor Kritik ein - er weilte während der schlimmsten Tage in Europa. Um die Flut kümmert sich hauptsächlich sein Premierminister Gilani: In dessen Rede ging es weniger um die Unabhängigkeit von Großbritannien, vielmehr um das Chaos im Land.

Gilanis Ansprache war eine Bestandsaufnahme der Zerstörung: Das Hochwasser habe Ernte und Lebensmittel im Wert von mehreren Milliarden Dollar vernichtet, sagte er. Brücken und Straßen seien fortgespült worden. Die Fluten hätten Infrastruktur zur Kommunikation und zur Energieversorgung zerstört. 1384 Menschen seien getötet und 1630 weitere Menschen verletzt worden. 730.000 Häuser seien durch das Hochwasser zerstört worden. Nach Angaben der Katastrophenschutzbehörde wurden 875.562 Häuser beschädigt.

Millionen-Hilfsangebot aus Indien

Gilani forderte das Ausland erneut zur Hilfe auf. "Es ist eine angemessene Erwartung, dass die Welt uns in Wort und Tat beisteht", sagte der Premierminister. Ein Hilfsangebot Indiens stürzt Pakistans Regierung in ein Dilemma. Die pakistanische Zeitung Dawn berichtet, der indische Außenminister S.M. Krishna habe seinem pakistanischen Amtskollegen Shah Mehmood Qureshi bei einem Telefonat fünf Millionen Dollar (3,9 Millionen Euro) angeboten. Der Vorschlag des Nachbarstaats sei nicht umgehend abgelehnt worden. Es werde demnächst entschieden, wie damit umzugehen sei.

Indien und Pakistan sind seit ihrer Unabhängigkeit von britischer Kolonialherrschaft verfeindet und haben drei Kriege gegeneinander geführt. Friedensgespräche liegen seit der Terrorangriffen von Mumbai im November 2008 wieder auf Eis, weil Indien Pakistan verdächtigt, hinter den Anschlägen zu stehen.

Die Bundesregierung stockt ihre Nothilfe von derzeit zehn auf 15 Millionen Euro auf. Wie das Auswärtige Amt mitteilte, erhöhen Außen- und Entwicklungsministerium ihre Hilfszusagen für Pakistan um jeweils 2,5 Millionen Euro. Die Mittel sollten insbesondere in medizinische Versorgung, Nahrungsmittel und den Zugang zu Trinkwasser fließen.

Wie groß das tatsächliche Ausmaß von Seuchenausbrüchen im Flutgebiet ist, bleibt unterdessen unklar: Die Organisation "Ärzte ohne Grenzen" sieht derzeit noch keine Anzeichen für eine Cholera-Epidemie. "In Pakistan gibt es immer wieder Fälle von Cholera. Derzeit haben wir aber keine alarmierenden Zahlen", sagte der Präsident der deutschen Sektion der Hilfsorganisation, Tankred Stöbe. Entwarnung könne er aber nicht geben: "Die Situation ist unsicher, weil wir nicht wissen, wie es weiter geht." Viele Gebiete seien noch gar nicht zugänglich. Im nordpakistanischen Swat-Tal war am Freitag nach Angaben der Hilfsorganisation Malteser International der erste Fall von Cholera bestätigt worden.

Auch der Himmel lässt den Menschen in Pakistan vorerst keine Ruhe: Meteorologen sagen vereinzelte, teilweise aber schwere Regenfälle in den kommenden Tagen voraus.

© dpa/AFP/jab - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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