Südtirol:Streit um den gläsernen Turm

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  • Der renommierte Südtiroler Architekt Werner Tscholl hat einen fünfstöckigen gläsernen Turm geplant, der auf 2337 Metern Höhe gebaut werden soll, nur wenige Meter entfernt vom Naturpark Schlern-Rosengarten, einem Teilgebiet des UNESCO-Weltnaturerbes Dolomiten.
  • Darüber hat sich ein Streit über moderne Architektur in den Alpen entzündet: Alpenvereine sowie Umweltschutzverbände laufen Sturm gegen den geplanten "Fremdkörper ohne Daseinsberechtigung".

Von Titus Arnu

Das schönste Bauwerk der Welt - so bezeichnete der Architekt Le Corbusier die Dolomiten. Auch wenn die Felsentürme, Hochplateaus und Gipfel nicht von Menschenhand konstruiert wurden, sondern aus prähistorischen Korallenriffen entstanden sind - beim Anblick der Dolomiten kann man verstehen, was der Vorreiter der modernen Architektur mit seinem Superlativ meinte. Ikonisch geformte Berge wie die Drei Zinnen, der Langkofel oder das Rosengarten-Massiv sind so sagenhaft schön, dass sie schon seit jeher die Fantasie der Menschen angeregt haben. Die Berge beflügelten Künstler immer wieder dazu, ihre Begeisterung in Märchen, Liedern und Gemälden auszudrücken - neuerdings auch in Bauwerken.

Aber was davon gilt als "schön" und passt zur Landschaft? Über Geschmack sollte man ja eigentlich nicht streiten, aber gerade über zeitgemäße Architektur am Berg gibt es oft heftige Auseinandersetzungen. Traditionalisten beharren darauf, dass nur klassische Folklore mit Holzfassaden, Schrägdach und blumengeschmückten Balkonen zugelassen sei, und verurteilen alles, was nicht in dieses Schema passt, als Verschandelung des Gebirges. Aktuelles Beispiel: der Streit um den geplanten "Laurin-Kristall", einen gläsernen Turm am Rosengarten in Südtirol.

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Die Betreiber der Bergbahnen Carezza-Latemar wollen ihr kleines, familiäres Skigebiet aufwerten und planen neben der Modernisierung einiger Lifte einen neuen Aussichtsturm. Das Projekt heißt auf Englisch "Touch the Dolomites" und auf Deutsch "Laurin-Kristall". Der fünfstöckige gläserne Turm soll direkt neben der Kölner Hütte auf 2337 Metern Höhe entstehen, zu Füßen des mächtigen Rosengarten-Massivs, direkt an der Grenze zum Naturpark Schlern-Rosengarten, einem Teilgebiet des Unesco-Weltnaturerbes Dolomiten. Der Panorama-Kristall soll unterirdisch mit der Bergstation einer neuen Gondelbahn verbunden werden, eine Lounge, ein Restaurant und Aussichtsplattformen enthalten.

Die Alpenvereine von Südtirol (AVS) und Italien (CAI), Umweltschutzverbände, Heimatpfleger und die Lokalpresse laufen Sturm gegen den geplanten "Fremdkörper ohne Daseinsberechtigung". Das Glasgebäude stehe für "Event-Tourismus" und "Größenwahn", polemisiert der Alpenverein in einer Pressemitteilung. Das Bozener Nachrichtenportal Salto bezeichnete das Projekt in einem leicht schrägen Bild gar als "gläsernen Dorn im Auge". Aber ist ein transparenter, 18 Meter hoher Glas-Kristall wirklich hässlicher als all die Gondelbahnen, Großparkplätze und klotzigen Bergrestaurants, die sowieso schon in der Gegend rund um den Rosengarten existieren?

"75 Prozent der Gemeinde Welschnofen wollen den Glasturm, die Entscheidung auf Landesebene steht allerdings noch aus", sagt Werner Tscholl, der Architekt des umstrittenen Projektes. Tscholl gilt als einer der renommiertesten Architekten Italiens, er hat unter anderem das Messner Mountain Museum Firmian, die Kellerei Tramin, einen Ausstellungsraum am Timmelsjoch und ein Felsenhaus für Reinhold Messners Familie konstruiert. Für das Skigebiet Carezza-Latemar plant er nicht nur den Laurin-Kristall, sondern auch den Neubau der Pendelbahn Tiers-Frommer Alm. Berg- und Talstation verschwinden unterirdisch in den Hängen, sichtbar bleiben nur die Ein- und Ausgänge. "Der markante Rosengarten mit den Vajolet-Türmen bleibt das prägende Bild, die Stationen der Bahn sollen nicht in Konkurrenz treten, sondern landschaftsverträglich und störungsmindernd eingebettet werden", sagt Werner Tscholl. Der Nachhaltigkeitsgedanke des "Klimaskigebietes Carezza" werde auch in der Architektur fortgeführt.

Ob nachhaltig oder nicht - wenn moderne alpine Architektur in den Bergen inszeniert wird, stehen die Kritiker sofort bereit. "Es geht dabei dann nicht mehr unbedingt um die Frage, ob es schön ist oder nicht", sagt Werner Tscholl, "sondern eher um die grundsätzliche Frage, ob man so etwas überhaupt braucht." Schwierige Frage - braucht man denn Skilifte, Bergstationen, Gipfelrestaurants? Auch jede Schutzhütte war früher mal ein Fremdkörper in der Natur. Über spektakuläre Neubauprojekte wie die Edelrauthütte in Südtirol, die futuristische Seilbahnstation am Gaislachkogel bei Sölden oder die Monte-Rosa-Hütte bei Zermatt kann man sich trefflich aufregen - allerdings haben sie jeweils ältere, weniger funktionale und hässlichere Gebäude ersetzt. Und wenn sich Architekten im Jahr 2019 von der dimpfligen Hollarähdulliöh-Optik der 1950er-Jahre abwenden, muss das grundsätzlich ja auch kein Fehler sein.

Edelrauthütte

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(Foto: Public domain)

Die Edelrauthütte ist eine Schutzhütte in Südtirol. Sie liegt auf 2545 Metern Höhe am Eisbruggjoch.

Monte-Rosa-Hütte

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(Foto: Bernard van Dierendonck/dpa)

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Gaislachkogel

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(Foto: Otto Domes/CC-by-sa-4.0)

Das Gipfelrestaurant Ice Q am Gaislachkogel.

Eine Konkurrenz zum "schönsten Bauwerk der Welt" könnte der "Laurin-Kristall" sowieso nicht werden. Denn im Vergleich zum gewaltigen Rosengarten-Massiv ist er viel zu klein, um aufzufallen, und König Laurin persönlich wird schon dafür sorgen, dass die Berge alles überstrahlen. Der Legende nach belegte der Zwergenkönig seinen Rosengarten unterhalb des Gipfels mit einem Fluch, der die Schönheit bei Tag und bei Nacht vor den Augen der Menschen verstecken sollte. Dabei vergaß er jedoch, die Dämmerung in seine Verwünschung einzubeziehen - weshalb der Rosengarten heute noch im Sonnenuntergang rosarot glüht.

© SZ vom 01.10.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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