Bundestag:Duisburger Dichtkunst

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Gestatten, Felix Banaszak, Bundestagsabgeordneter von Bündnis 90/Die Grünen und Verfechter des Paarreims. (Foto: Kay Nietfeld/dpa)

Mit seinem humorvollen Vierzeiler, der wohl bisher kürzesten Ansprache im Deutschen Bundestag, hat sich der Abgeordnete Felix Banaszak um die parlamentarische Demokratie verdient gemacht.

Von Martin Zips

Als Stadt bedeutender Dichterinnen und Dichter fiel Duisburg zuletzt nicht immer auf. Sicher, es gibt hier das widerspenstige "Dichter-Viertel" im Stadtteil Obermarxloh, eine zu Beginn des 20. Jahrhunderts errichtete Arbeitersiedlung, in der Straßen nach Lyrikern benannt sind. Auch traf Goethe in Duisburg mal einen Bekannten im Gasthaus, eine Gedenktafel erinnert noch heute daran. Später machte sich Goethe übrigens einige interessante Gedanken über Duisburger Schwarzbrot, aber das nur am Rande. Nicht verschwiegen werden sollten an dieser Stelle jedoch große Duisburger Dichterinnen wie Amalie Weidner-Steinhaus ("Liewe olde Ruhr") oder Elise Polko ("Was kümmert mich die Zahl der Haare, / Das Herz bleibt jung, doch Schelme sind die Haare").

Seit dieser Woche nun darf sich die Duisburger Dichterschaft mit einem neuen Namen schmücken. Es ist der studierte Kulturanthropologe, ehemalige Zivildienstleistende und Abiturient des Duisburger Steinbart-Gymnasiums Felix Banaszak. In Anlehnung an Goethes Erlkönig ("Wer reitet so spät durch Nacht und Wind?") formulierte Banaszak am Donnerstag die wohl kürzeste Rede, die jemals im Deutschen Bundestag zu hören war. Und er sprach in Reimform. Als die AfD-Fraktion zu bereits fortgeschrittener Stunde einen (mal wieder) sehr schlecht gelaunten Antrag zur, wie sie es formulierte, "Abschaffung der CO₂-Bepreisung" stellte, ging Banaszak zum Rednerpult und sprach: "Wer belastet so spät den Bundestag? / Es ist die Fraktion, die keiner mag. / Sie stellt einen Antrag, dem du nicht entkommst. / Wir lehnen ihn ab - ja, was denn auch sonst?" Banaszak verabschiedete sich mit "Schönen Abend noch" und ging, vom aufbrandenden Applaus begleitet, zurück an seinen Platz.

Schon Victor Hugo und Ludwig Uhland wirkten zugleich als Politiker und Lyriker

Mit seinem Vierzeiler im AABB-Reimschema zielte Banaszak inhaltlich auf Folgendes ab: Stellt eine Fraktion selbst noch zu später Stunde einen Antrag, welcher kaum Aussicht auf Erfolg hat, so könnte es sich hierbei um einen für die parlamentarische Demokratie womöglich destruktiven Vorgang handeln. Mit der von Banaszak gewählten jambischen Metrik, der ungefähr der Viervierteltakt in der Musik entspricht und sich daher gut mitklatschen lässt, unterstrich der Abgeordnete stellvertretend für die meisten anderen noch anwesenden Parlamentarier (m/w/d) ein, wie er es nannte, Gefühl der "Belastung". Laut gesprochen klingt sein Sekundentext monoton und leiernd, womit - offenbar bewusst - an eine nicht ganz rund laufende Maschine erinnert werden soll (das sprachliche Nachahmen eines Klangs nennt man Onomatopoesie).

Dass Politik auf Lyrik trifft, ist übrigens nicht ungewöhnlich. Wie viele andere betätigten sich schon Victor Hugo, Ludwig Uhland oder Hans-Ulrich Klose zugleich als Politiker wie auch als Lyriker - an humorvolle Kurzgedichte jedoch wagten sich bislang nur wenige. Zu groß die Gefahr, missverstanden oder gar ausgelacht zu werden. Auf der politischen Bühne so rüberzukommen wie der beliebte Morgengruß in der Lokalzeitung ("Kaum zu glauben, aber wahr, / Lisa wird heute 30 Jahr'"), das möchte natürlich niemand im seriösen Fach.

Der 34-jährige Duisburger Felix Banaszak aber ist dieser Gefahr entgangen. Sein Gedicht besitzt weit mehr als nur eine Ebene. Daher ist es dem Grünen hoch anzurechnen, dass er sich in seiner kurzen, prägnanten Ansprache mutig auf die Spuren eines Eugen Roth oder Wilhelm Busch begab. Zudem sprang Banaszak mit "Wer belastet so spät den Bundestag? / Es ist die Fraktion, die keiner mag" eben nicht über das Stöckchen, welches man ihm noch zu später Stunde hingehalten hatte, sondern reagierte gleichermaßen charmant, bestimmt und mit Humor. Typisch duisburgerisch eben, könnte man sagen, denn bereits in der heimlichen Hymne dieser sympathischen Schwarzbrot-Stadt, also der des Fußballvereins MSV Duisburg, heißt es: "Früher gab's hier nur Kohle / früher war hier nur Stahl. / Für die Zukunft kämpfen, das ist für uns normal." Respekt.

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