"Er gehört zu mir wie mein Name an der Tür", singt Marianne Rosenberg, und das wirft gleich mehrere Fragen auf. Erstens: Wie kommt ein Mensch dazu, einen anderen als seinen Besitz zu betrachten? Warum, zweitens, braucht man eine Tür mit Namen drauf? Würde nicht auch eine Wohnungsnummer ("Top 123") reichen? Und zuletzt: Würde "er" selbst dann noch "zu mir" gehören, wenn sich "mein Name" nicht mehr "an der Tür" befände?
Wie auch immer die Antworten lauten: Die Liedzeile beschreibt ihn ganz gut, den menschlichen Markierungsdrang. Türen kann er ebenso treffen wie Liebespartner. Hotel-Liegen gleichermaßen wie Parkplätze. Länder ebenso wie Planeten. Mal wird das beanspruchte Territorium mit einem Handtuch gekennzeichnet, dann mit einem Ehering oder einem Mülleimer, schlimmstenfalls mit einer Flagge.
Bis zum 11. Dezember noch kann sich jeder kostenlos in das sogenannte "Message in a Bottle"-Programm der Nasa eintragen, bisher haben das rund eine Million Menschen getan. Wer es macht, dessen Name wird 2024 in einer US-Raumsonde in fremde Welten befördert: in die noch zu erobernde Umlaufbahn des Jupitermondes "Europa" nämlich. Zum Glück passen alle Namen auf einen einzigen Mikrochip, Papier wäre zu schwer für die 628-Millionen-Kilometer-Reise.
Hat die Nasa womöglich Hintergedanken?
Dass der eigene Name für den Menschen das "schönste und bedeutungsvollste Wort in seinem Sprachschatz" sei, hat bereits der US-amerikanische Motivationstrainer Dale Carnegie (1888 bis 1955) einmal festgestellt. Die Türschilder-, Visitenkarten- und die Social-Media-Industrie wissen das schon längst und packen uns ständig an der eigenen Eitelkeit. Carnegie schrieb sich übrigens ursprünglich "Carnagey", weil aber auch er schon großen Wert auf "Reichweite" legte, nannte er sich "Carnegie" - ein PR-Trick, der dem erfolgreichen Selbstvermarkter sogar einen Auftritt in der New Yorker Carnegie Hall bescherte. Auch bei der Aktion der Nasa dürfte es sich vor allem um PR handeln. Wer nämlich seinen Namen in die Liste einträgt, der wird den Rest seines Lebens Raumstationen und Raketen sicher nicht mehr als teuer, absurd und klimaschädlich verurteilen.
Und wirklich nichts liebt der Mensch ja mehr als sich selbst und das, was zu ihm gehört. Seit jeher ritzt er deshalb Namen in Baumrinden oder kritzelt sie auf Wände. Das alles ist - glaubt man der Evolutionsbiologie - Teil seines Revierverhaltens. "Oliver" und "Phil" etwa haben es aktuell zu Wetterpaten zweier Tiefdruckgebiete zwischen Norwegen und der Türkei gebracht! (Namenspatenschaften für Tiefdruckgebiete sind deutlich günstiger als die für Hochdruckgebiete.) Doch Vorsicht, schon der österreichische Schriftsteller Peter Rosegger warnte einst: "Leute, die einen Namen haben, müssen gefasst sein auf Zuschriften, die keinen haben." Wie recht er hat.
Sollte die Nasa-Namensliste in sieben oder acht Jahren jedenfalls tatsächlich mal den Jupitermond "Europa" erreichen, so wäre es aus Sicht aller Erdenbürger mit Namen an der Tür natürlich schon wünschenswert, wenn dort bei minus 220 Grad die Mikrochip-Lesegeräte noch funktionieren würden.