Großprojekt in Geretsried und Wolfratshausen:S7-Verlängerung wird neu berechnet

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Geduld auf ganzer Linie: Die Züge der S7 enden bis auf Weiteres in Wolfratshausen. (Foto: Hartmut Pöstges)

Die Regierung will die Ergebnisse der Nutzen-Kosten-Analyse bis Mitte des Jahres vorlegen. Zum Abschluss des Planfeststellungsverfahrens gibt es keine Prognose.

Von Konstantin Kaip, Wolfratshausen/Geretsried

2024 sollte einmal ein sehr wichtiges Jahr für den öffentlichen Nahverkehr im Landkreis werden. Schließlich wurde vor noch gar nicht allzu langer Zeit der Baubeginn des wohl wichtigsten Infrastrukturprojekts in der Region mit dieser Jahreszahl taxiert: Im Januar 2020 präsentierte die Bahn in der Wolfratshauser Loisachhalle die Planungen für die S-Bahn-Verlängerung nach Geretsried, mit neun Kilometern Gleis und insgesamt vier neuen Bahnhöfen inklusive dem tiefergelegten in Wolfratshausen. "Wir gehen weiterhin davon aus, dass wir 2024 mit dem Bauen anfangen", erklärte DB-Projektleiter Michael Hatzel damals.

Die Skeptiker, die an dieser Aussage zweifelten, sollten jedoch bald Recht bekommen. Keine zwei Jahre später, im Januar 2022, konnte der damalige CSU-Landtagsabgeordnete Martin Bachhuber dem bayerischen Verkehrsminister und Parteifreund Christian Bernreiter entlocken, dass der Baubeginn für die S7-Verlängerung "auf unbestimmte Zeit verschoben" sei. Sicher: Die Corona-Pandemie hatte sich bereits kurz nach der Loisachhallen-Veranstaltung weltweit ausgebreitet und das Leben durcheinandergewirbelt, und die Kosten für das Prestigeprojekt Zweite Stammstrecke in München waren explodiert. Die beteiligten Akteure im Kreis und den beiden Kommunen, die ja bereits seit vielen Jahren immer wieder vertröstet werden in Sachen S-Bahn-Ausbau, konnten ihre Enttäuschung jedoch nicht verhehlen. Die ersehnte Anbindung Geretsrieds war mal wieder in weite Ferne gerückt.

So soll der Trogbahnhof in Wolfratshausen einmal aussehen, für den auch der Kreis und die Kommunen zahlen müssen. (Foto: DB Netz AG/Vectorvision/oh)

Für das Großvorhaben aber könnte 2024 dennoch entscheidend werden. Denn immerhin soll es in diesem Jahr endlich neue Zahlen geben. So heißt es zumindest auf Anfrage zum Sachstand des Projekts. "Derzeit wird eine neue Nutzen-Kosten-Untersuchung für die Verlängerung der S7 nach Geretsried durchgeführt", erklärt die stellvertretende Pressesprecherin der Regierung von Oberbayern, Corinna Korn. "Mit Ergebnissen kann Mitte 2024 gerechnet werden."

Diese wären überfällig. Nicht nur, weil Minister Bernreiter die neue Rechnung ja bereits vor zwei Jahren für Ende 2022 angekündigt hatte. Sondern auch, weil alles, was zu den Kosten der S 7-Verlängerung im Raum steht, längst nicht mehr belastbar ist. Die jüngste Kostenschätzung stammt schließlich aus dem Jahr 2012. Auf Basis einer Machbarkeitsstudie kam die Deutsche Bahn damals auf ein Investitionsvolumen von rund 167 Millionen Euro. Ein Dutzend Jahre später dürften die Millionen etliche mehr sein. Verantwortliche der Bahn hatten die Kosten ja bereits im Sommer 2017 schon einmal auf 200 Millionen Euro taxiert. Selbst die größten Optimisten gehen heute von einer erheblichen Teuerung aus, die auch den Kreis und die Kommunen treffen wird.

Schließlich gibt es eine Vereinbarung zu den Mehrkosten für den tiefergelegten Bahnhof in Wolfratshausen. Den Löwenanteil trägt demnach zwar der Freistaat. Doch sollte der Landkreis mehr als ein Viertel der Kosten übernehmen, 11,9 Millionen der damals veranschlagten 44 Millionen Euro. Die Zuschüsse, die Geretsried und Wolfratshausen zu leisten haben, wurden mit jeweils 2,6 Millionen Euro berechnet, knapp sechs Prozent also. Es ist davon auszugehen, dass auch diese Beträge deutlich in die Höhe schnellen. Mit einer neuen Nutzen-Kosten-Berechnung hätten der Kreis und die Kommunen immerhin eine Hausnummer, um Sonderrücklagen aufzubauen.

"Keine verbindliche Prognose zum Zeithorizont"

Reichlich Zeit zu sparen hätten sie dann wohl auch noch. Zum Sachstand teilt die Bahn nur mit, dass sich das Projekt der S7-Verlängerung "weiterhin im Planfeststellungsverfahren" befinde. "Parallel führt die DB aktuell Verhandlungen über die Realisierungs- und Finanzierungsvereinbarungen mit dem Freistaat Bayern", so ein Bahn-Sprecher. Erst wenn diese abgeschlossen seien und das Baurecht erteilt worden sei, könne die Bahn die Ausführungsplanung ausschreiben. "Ein genauer Termin zur Erlangung des Baurechtes kann von uns aktuell nicht genannt werden", heißt es. Die dafür benötigte Nutzen-Kosten-Berechnung führe gerade der Freistaat durch. Zum Verfahren erklärt Regierungssprecher Wolfgang Rupp, dass die Bahn gerade Planunterlagen für die dritte Tektur im laufenden Anhörungsverfahren vorbereite. "Diese liegen der Regierung von Oberbayern als Anhörungsbehörde aktuell noch nicht vor"; erst nach Eingang und Prüfung könne man entscheiden, ob eine erneute Öffentlichkeitsbeteiligung erforderlich sei. Man könne "auf Basis der aktuellen Datenlage derzeit keine verbindliche Prognose zum Zeithorizont für den Abschluss des Anhörungsverfahrens abgeben", so Regierungssprecher Rupp. Für den weiteren Fortgang einschließlich des Planfeststellungsbeschlusses sei dann das Eisenbahn-Bundesamt zuständig.

Kritische Stimmen befürchten jedoch, dass dieser mit aktuellen Zahlen gefährdet sei. Das Planfeststellungsverfahren sei seinerzeit ohnehin nur angelaufen, weil man die Kosten-Nutzen-Berechnung "gerade so" über den notwendigen Faktor eins bekommen habe, sagte etwa der einstige Wolfratshauser Bürgermeister und derzeitige Wirtschaftsreferent im Stadtrat, Helmut Forster (Wolfratshauser Liste) schon vor drei Jahren. "Wenn man die Kosten heute neu berechnen würde, läge er weit darunter." In Geretsried aber ist man nach wie vor überzeugt, dass an dem Großprojekt S7-Verlängerung nichts vorbeiführt, wie Thomas Loibl dazu auf Anfrage erklärt. "Die S-Bahn wird kommen", so der Pressesprecher der Stadt, "weil sie für ein Gelingen der Mobilitätswende kommen muss."

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