Kommentar:Zu schön, um wahr zu sein

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Alfred Fraas' Idee einer Straßenbahn nach Geretsried statt der S-Bahn-Verlängerung klingt gut, verspricht aber auch keine schnelle Lösung.

Von Benjamin Engel, Wolfratshausen/Geretsried/Königsdorf

Schon die Idee von Alfred Fraas klingt zu einfach, um wahr zu sein. Die Deutsche Bahn (DB) hat den für 2024 angekündigten Baubeginn für die S-Bahn-Verlängerung Richtung Geretsried auf unbestimmte Zeit verschoben. Damit ist es unwahrscheinlich, dass das Projekt noch in diesem Jahrzehnt realisiert wird. Jetzt soll aus Sicht des früheren Wolfratshauser Stadtrats eine Straßenbahn die Lösung bringen. Damit das schneller geht, sollen die Kommunen entlang der Strecke selbst bauen. Die für die Tieferlegung des Wolfratshauser S-Bahnhofs vorgesehenen 30 Millionen Euro müssten nur umgeschichtet werden, meint Fraas. Damit wäre die Straßenbahn nach Geretsried und Königsdorf schon fast bezahlt. Das klingt toll, mehr aber auch nicht.

Allein die Kostenfrage erscheint wenig realistisch. Es mag sein, dass sich die Ausgaben begrenzen lassen, wenn das existierende Industriegleis ertüchtigt und im Geretsrieder Stadtgebiet auf Oberleitungen verzichtet wird. Doch ein beispielhafter Blick nach München zeigt, dass eine Summe von 30 Millionen Euro kaum reichen dürfte. Laut dem dortigen ÖPNV-Bauprogramm muss die Landeshauptstadt München allein für die 8,35 Kilometer lange Tram-Westtangente zwischen der Aidenbachstraße und dem Romanplatz mehr als 80 Millionen Euro ausgeben. Zum Vergleich: Fraas' Straßenbahnvorschlag umfasst um die zwölf Kilometer.

Und dann der Zeitfaktor. Der Münchner Stadtrat hat die Tram-Westtangente bereits 2018 beschlossen. Auf gesamter Strecke in Betrieb gehen soll die Linie erst im Jahr 2027. Das sind bereits nach jetzigem Planungsstand neun Jahre. Eins zu eins lässt sich das natürlich nicht auf die Situation im Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen übertragen. Vor Ende des Jahrzehnts erscheint aber auch eine Straßenbahn von Wolfratshausen nach Königsdorf kaum vorstellbar - die Diskussionen über Gleisverlegungen und Behinderungen auf Geretsrieder Straßen noch gar nicht mitgedacht. Ob die DB und das bayerische Verkehrsministerium sich überhaupt auf eine Straßenbahn einlassen würden, ist sowieso völlig unklar. Womöglich wäre es sinnvoller, bestehende Nahverkehrsangebote zu verbessern und viel intensiver zu bewerben. Die Expressbuslinie 970 etwa gibt es schon.

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