Neukonzessionierung Walchenseekraftwerk:Mehr Rücksicht auf den Naturschutz

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Das Rißbachwehr aus der Luft: Links die Wasserableitung in den Rißbachstollen zum Walchensee und rechts das trockene Flussbett unterhalb des Wehrs. (Foto: Manfred Neubauer)

Bei der Isartour 2023 diskutieren der Verein "Rettet die Isar jetzt", Fachleute aus der Wasserwirtschaft und der Naturschutzverwaltung, Vertreter des Kraftwerksbetreibers und der Kommunalpolitik kontrovers über den Weiterbetrieb des Kraftwerks.

Von Lorenz Szimhardt, Jachenau

Das grundsätzliche Problem an der Isar und ihren Zuflüssen ist für Karl Probst klar: Für das Walchenseekraftwerk werde aus der Isar selbst, aber auch aus ihren Zuflüssen, wie zum Beispiel dem Rißbach, zu viel Wasser abgeleitet, kritisiert der Vorsitzende des Vereins "Rettet die Isar jetzt". Mit der Folge, dass der Rißbach die meiste Zeit nicht mehr als ein trockenes Flussbett sei. Darunter leide die Natur an den Ufern, ebenso die biologische Vielfalt. Essenziell seien für den Verein vor allem Restwasser in den Flussbetten und eine Durchgängigkeit aller Wehre für Fischwanderungen, so Probst.

In fachlicher Diskussion über die Zukunft von Isar, Rißbach und das Walchensee-System (v.l.): Korbinian Zanker (Wasserwirtschaftsamt), Karl Probst ("Rettet die Isar jetzt"), Joachim Kaschek (Untere Naturschutzbehörde) und Theodoros Reumschüssel (Uniper) (Foto: Manfred Neubauer)

Zum Thema Walchensee-System hat "Rettet die Isar jetzt" auf seiner Isartour 2023 zu einem Austausch zwischen Kraftwerksbetreiber, Fachleuten aus der Wasserwirtschaft und der Naturschutzverwaltung sowie Kommunalpolitikern eingeladen. Damit wolle man einen ersten Schritt in Richtung eines Kompromisses gehen, sagt Probst. Man sei während der Tour die "Brennpunkte des Walchensee-Systems" abgefahren - unter anderem das Isarwehr bei Krün und das Rißbachwehr. Dort habe man alle Mitgereisten über die Sachlage informiert und mögliche Vorgaben für den Weiterbetrieb des Kraftwerks diskutiert. Die Isartour sei "eine ordentliche und wertschätzende Veranstaltung gewesen", konstatiert Probst, und das "trotz der unterschiedlichen Meinungen".

Das Krüner Wehr und das Rißbachwehr sind essenziell für den Betrieb des gesamten Walchensee-Systems

Der Kraftwerksbetreiber Uniper hat naturgemäß eine andere Ansicht als die Naturschützer des Vereins "Rettet das Isar jetzt". Das Krüner Wehr und das Rißbachwehr seien essenziell für den Betrieb des gesamten Walchensee-Systems, erklärt Theodoros Reumschüssel, Pressesprecher Wasserkraft bei Uniper, dem aktuellen Betreiber des Walchenseekraftwerks. "Jedes bisschen Wasser", dass dort nicht abgeleitet werde, gehe nämlich "für die nachhaltige Energiegewinnung verloren". Reumschüssel sieht in diesem Zusammenhang einen Konflikt zwischen Natur- und Klimaschutz. Jeder Kubikmeter Wasser, der weniger abgeleitet werde, trage nichts mehr zur nachhaltigen Energiegewinnung bei. "Jede Bewegung zum einen Ziel, bringt einen vom anderen Ziel weg", sagt Reumschüssel.

Zudem werde das abgeleitete Wasser nicht nur einmal, sondern zweimal zur Energiegewinnung genutzt, so Reumschüssel. Am Obernach-, respektive Niedernachkraftwerk und danach am Walchenseekraftwerk selbst. Dieses Argument will Probst allerdings nicht so stehen lassen, denn "auch wenn das Wasser nicht abgeleitet werden würde, würde es zur Energiegewinnung genutzt werden" - an weiteren, kleineren Kraftwerken flussabwärts. "Aber wesentlich weniger", entgegnet Reumschüssel.

Das Flussbett der Isar nahe Vorderriß. (Foto: Manfred Neubauer)

Auch Joachim Kaschek von der Unteren Naturschutzbehörde im Landratsamt Bad Tölz-Wolfratshausen findet, dass mehr Wert auf den Naturschutz gelegt werden müsse. Die aktuelle staatliche Erlaubnis für das Walchenseekraftwerk, die Gewässer zur Stromproduktion zu nutzen, sei fast 100 Jahre alt, so Kaschek. Hätte das Landratsamt Bad Tölz-Wolfratshausen den Ablauf der Wasserrechte nicht zum 31. März 2020 fristgerecht angekündigt, hätte sich die Bewilligung sogar automatisch um weitere 25 Jahre verlängert. Im Rahmen der Neuvergabe der jetzt 2030 auslaufenden Wasserrechte müsse der Naturschutz definitiv "mehr Berücksichtigung finden als bisher". Zudem müsse man geltende Naturschutzverordnungen integrieren, sagt Kaschek. Aufgrund ihrer "hochwertigen Natur" und dem "Lebensraum für herausragende Tiere und Pflanzen" seien die Isar und ihre Zuflüsse besonders schützenswert.

Die konkreten Folgen für den Kraftwerksbetrieb bei der Umsetzung aller Forderungen der Umweltschützer seien schwer abzuschätzen, erklärt Reumschüssel. "Die Dinge sind außerordentlich komplex, weil vieles zusammenhängt", führt er fort. Man sei aber "natürlich bereit für Kompromisse, die einen ökologischen Mehrwert stiften". Allerdings gibt Reumschüssel gleichzeitig zu bedenken, dass mehr Wasser nicht gleich einer besseren Natur entspreche. Auch die großen trockenen Kiesflächen der Flussbette würden nämlich eine artenreiche Flora und Fauna beherbergen, die diese ökologische Nische als Lebensraum nutzt. Die Grenze der Kompromisse sei jedoch erreicht, wenn es um die Wirtschaftlichkeit des Betriebes gehe, sagt Reumschüssel. "Das Walchensee-System muss erhalten werden", fügt er hinzu.

Wenn alles so bleibt, wie es ist, könnten viele bedrohte Arten aussterben

Wenn alles so bliebe, wie es jetzt ist, werde sich in den kommenden Jahrzehnten der ökologische Zustand weiter verschlechtern, prognostiziert Kaschek. Man werde Arten, wie beispielsweise den Flussuferläufer, der auf der Roten Liste der Brutvögel Deutschlands stehe, möglicherweise komplett verlieren, da die Wasseraufstauungen und -ableitungen dessen Lebensraum zerstören. Auch andere bedrohte Tiere, die fast nur noch an der Isar und ihren Zuflüssen leben, zum Beispiel die Gefleckte Schnarrschrecke, könnten laut Kaschek aussterben.

Derzeit stehe man allerdings noch ganz am Anfang des Prozesses der Neukonzessionierung des Walchenseekraftwerks, sagt Kaschek. Zunächst müsse Uniper einen Antrag inklusive aller nötiger Unterlagen, wie beispielsweise Umweltverträglichkeitsprüfungen und Lebensraumstudien, vorlegen. Die Bayerische Naturschutzverwaltung prüfe diese anschließend und stelle daraufhin möglicherweise gewisse Bedingungen für eine Genehmigung. Im Rahmen dieses Verfahrens gebe es auch eine Öffentlichkeitsbeteiligung, kündigt Kaschek an. Dort könne sich jeder äußern und seine Einwände formulieren.

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