Gesundheit und Ernährung:Strahlende Schwammerl

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Pilze können nach wie vor erhöhte Belastung mit Caesium-137 aufweisen, auch im Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen. (Foto: Armin Weigel/dpa)

Auch 37 Jahre nach dem Atomunfall in Tschernobyl 1986 sind manche Pilze in den Wäldern der Region weiterhin belastet. Wer ganz sichergehen will, kann seine Funde testen lassen.

Von Celine Chorus und Hannah Mosbach, Bad Tölz

Infolge des Reaktorunglücks von Tschernobyl vor 37 Jahren sind manche Waldgebiete in Deutschland immer noch radioaktiv belastet. Besonders Südbayern wurde damals stark von den nuklearen Regenfällen getroffen. Während das Radionuklid Cäsium-137 in landwirtschaftlichen Flächen bereits in tiefere Bodenschichten ausgewaschen oder an Minerale gebunden worden sei, halte sich der radioaktive Stoff im Waldboden länger und werde dort vom weit verflochtenen Myzel einiger Pilzsorten stark aufgenommen, erklärt Hauke Doerk, Referent für Radioaktivität am Umweltinstitut München.

Auf Nachfrage sagt er, dass das Institut in den Tölzer Voralpen in letzter Zeit keine umfangreicheren Messungen durchgeführt habe. Jedoch wisse man, dass es insbesondere in Richtung Starnberger See und im Gebiet der Voralpen nach wie vor Waldgebiete gebe, in denen eine stärkere Belastung mit Radioaktivität vorkommen könne. Dies ergebe sich aus der Bodenkontaminationskarte des Bundesgesundheitsamts von 1986. Mithilfe der bekannten Halbwertszeit von Cäsium-137 könne man die aktuelle Kontamination für die einzelnen Regionen damit zumindest rechnerisch annäherungsweise bestimmen.

Zur radioaktiven Kontamination von Speisepilzen führt das Bundesamt für Strahlenschutz an einzelnen Fundorten in Süddeutschland immer wieder Messungen durch. In seinem letzten Bericht vom August dieses Jahres heißt es, dass in manchen Teilen Bayerns immer noch erhöhte Aktivitäten von Cäsium-137 in einigen Arten wild wachsender Speisepilze gemessen würden. Die ein oder andere Waldpilzsorte habe dabei sogar noch bis zu 4000 Becquerel des Radionuklids pro Kilogramm Frischmasse aufgewiesen. Im Handel erlaubt sind 600 Becquerel pro Kilo.

Pilze unterschiedlich stark belastet

Wie stark Wildpilze radioaktiv belastet sind, ist auch von der Bodenkontamination an der Fundstelle abhängig. Diese kann wegen den damals schauerartigen und oft lokal begrenzten radioaktiven Niederschlägen von Waldstück zu Waldstück stark schwanken. Auch bei den Sorten gibt es Unterschiede: Zu den besonders stark belasteten zählen zum Beispiel Maronenröhrlinge oder der Semmelstoppelpilz, Steinpilze und Pfifferlinge hingegen haben bei Messungen besser abgeschnitten.

Auch Tiere, vor allem Wildschweine, die sich von radioaktiv belasteten Waldfrüchten ernähren und auf der Suche nach eiweißreicher Nahrung im Boden wühlen, können immer noch Cäsium aufnehmen. Dies schädigt nicht nur das Erbgut des Wildes, sondern kann wiederum auch für den Menschen beim Fleischverzehr gesundheitliche Folgen haben.

Zuständig für die Überwachung der Radioaktivität ist das Bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit beziehungsweise das Bayerische Landesamt für Umwelt (LfU). Auf der Webseite des LfU kann man die Ergebnisse sämtlicher Messungen vom Abwasser über Boden und Nahrungsmittel der letzten drei Jahre regional abfragen.

Kostenloser Service für Pilz-Fans

Doch wie bedenklich ist es nun, seine selbst gesammelten Pilze zu verzehren? In einer Pressemitteilung des Umweltinstituts München meint Hauke Doerk dazu: "Solange jemand Waldpilze nicht in riesigen Mengen isst, dürfte die zusätzliche Strahlendosis innerhalb der Schwankungsbreite der natürlichen Strahlenbelastung liegen - zumindest, solange nicht erneut ein Atomunfall in Europa passiert. Da es aber keinen Schwellenwert gibt, unterhalb dessen Radioaktivität unschädlich ist, empfehlen wir grundsätzlich, zusätzliche Strahlenbelastungen zu vermeiden. Schließlich erhöht auch die Strahlenbelastung durch Flugreisen, aus der Natur oder medizinischen Anwendungen die Wahrscheinlichkeit, an Krebs zu erkranken. Vor allem Menschen, die besonderen Risiken ausgesetzt sind, sowie Schwangere und stillende Mütter sollten auf Zuchtpilze zurückgreifen."

Um das konkrete Risiko von selbst gesammelten Pilzen einschätzen zu können, hat das Umweltinstitut München eine interaktive Karte mit den Messergebnissen der vergangenen Jahre auf seiner Website veröffentlicht. Zusätzlich bietet es unter der Leitung von Doerk einen besonderen Service: Von August bis Oktober können Privatpersonen kostenlos die radioaktive Belastung selbst gesammelter Pilze und Waldbeeren sowie von geschossenem Wild messen lassen. Für eine Messung werden mindestens 150 bis 250 Gramm pro Pilz-, Beeren- oder Wildbret benötigt. Die Proben müssen sortenrein sein und sollten zudem möglichst genaue Angaben über Herkunft und Funddatum enthalten. Sie können entweder direkt beim Institut abgegeben oder feuchtigkeitsdicht verpackt per Post eingeschickt werden. Die Untersuchungsergebnisse bekommt man anschließend per E-Mail zugesendet. Die Messung dauere zwischen einigen Stunden bis zu einem Tag, das Ergebnis bekommt man laut Doerk je nach Andrang nach ein paar Tagen oder Wochen. Eine staatliche Untersuchungsstelle, die solche Messungen für Privatpersonen anbietet, gibt es laut Landratsamt nicht.

Weitere Informationen zum kostenlosen Messangebot gibt es auf der Webseite des Umweltinstituts unter https://umweltinstitut.org/radioaktivitaet/projekt-radioaktivitaetsmessungen/pilze-und-waldprodukte/ .

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