Pilzwanderung:Finger weg vom Gallenröhrling!

Lesezeit: 4 min

Die Teilnehmer des Pilzlehrgangs schwärmen im Wald aus. (Foto: Sophie Burkhart)

Im Herbst beginnt in Bayern die Pilzsaison und selbst gesammelte Schwammerl werden immer beliebter. In Lehrgängen erhalten Anfänger Grundwissen - und erfahren, warum sie sich nicht auf Apps verlassen sollten. Unterwegs im Wald.

Von Sophie Burkhart, Bergheim

Die Sonne spitzt schon über die Baumkronen und langsam heizt sich die Luft auf an diesem Samstagmorgen Ende August. In der Nacht hat es geschüttet, der Waldboden ist noch feucht, die Tautropfen sammeln sich in Blätterkelchen. Ideale Bedingungen, um in die Pilze zu gehen.

Im Augsburger Stadtteil Bergheim sind an diesem Tag 30 Sammler unterwegs - angeführt von Günther Groß, dem Vorsitzenden des Pilzvereins Augsburg-Königsbrunn. Im Halbkreis haben sich die Pilzgänger um ihn versammelt und lauschen seinen Anweisungen. Eine von ihnen ist Cornelia Günther aus Reinharthausen. "Beim Spazierengehen habe ich eine Frau getroffen, die hatte ihren Korb voller Pilze, die ich mich nie getraut hätte, mitzunehmen. Davon war einer der Hexen-Röhrling, den fast niemand kennt und deshalb auch jeder stehenlässt", erzählt sie. So hat sie hierher gefunden, sie will mehr solcher Geheimtipps wissen. Sie ist eine der Teilnehmerinnen des Pilzlehrgangs, der komplett ausgebucht sei, wie Günther Groß sagt.

Newsletter abonnieren
:Mei Bayern-Newsletter

Alles Wichtige zur Landespolitik und Geschichten aus dem Freistaat - direkt in Ihrem Postfach. Kostenlos anmelden.

Allein fünf neue Mitglieder hat der Verein diese Woche dazugewonnen; der Run auf selbst gesammelte Pilze ist groß. Der Vereinsvorsitzende hat eine Erklärung: "Die Ursache war damals Corona, als viele die Natur wiederentdeckt haben - glücklicherweise. Wir sind ja froh, dass sich wieder mehr Menschen in der Natur bewegen. Bloß wollen wir halt versuchen, das in geordnete Bahnen zu bringen." Beim Pilzlehrgang will er den Leuten vermitteln, wie man Pilze sicher erkennt, denn es sind auch Anfänger mit dabei. Vorgabe für den heutigen Lehrgang: Jeder darf nur ein ihm nicht bekanntes Exemplar ins Körbchen legen. Alles mit Maß und Ziel.

Dann geht es auch schon los. Die Pilzfreunde wandern, die Körbe um den Arm geschlungen und die Lust aufs Suchen ins Gesicht geschrieben, ins Waldesinnere hinein. Nach einem kurzen Marsch bekommen die Teilnehmer die Erlaubnis, den eingezeichneten Weg zu verlassen. Schon schwärmt der Trupp auseinander. Die Blicke sind nach unten gerichtet, die Augen scannen den Waldboden ab. Es geht übers Gehölz und Brombeerranken; die Sammler kümmert das nur wenig. Voller Eifer streifen sie durch den Wald und schreien auf, wenn sie ein Schwammerl gefunden haben. Günther Groß beobachtet das Treiben aus der Entfernung und lässt die Pilzjäger gewähren - vorerst.

Alle hören genau zu, wenn Günther Groß (rechts), der Vorsitzende des Pilzvereins Augsburg-Königsbrunn, erklärt, worauf man bei der Pilzsuche achten muss. (Foto: Sophie Burkhart)

Plötzlich schrillt ein hoher Ton durch die friedliche Morgenluft. Mit seiner orangenen Trillerpfeife ruft Groß die Gruppe wieder zusammen. Es gibt einen Rüffel, einen ganz kleinen. "Ihr seid viel zu schnell unterwegs. Wenn ihr Pilze sammeln wollt, müsst ihr aufmerksam durch den Wald gehen", sagt er. "Ihr habt jetzt einige Pilze liegen gelassen." Dann zeigt er auf einen kleinen Ast am moosbedeckten Boden. Ob ihn jemand identifizieren kann? Ein Teilnehmer beugt sich nach vorne: "Das müsste eine Lärche sein". Korrekt, Groß ist zufrieden.

"Das sind ganz bestimmte Voraussetzungen", erklärt der Kenner, der seit 60 Jahren in die Pilze geht. Denn die Lärche ist ein Indiz für den Lärchen-Röhrling. "Deshalb ist es ganz wichtig, sich umzuschauen, wo man sich befindet. Da muss man auch die Bäume kennen und dann kommt das Naturerlebnis zustande. Nicht nur die Pilze in die Pfanne hauen", sagt Groß. Die Teilnehmer spitzen die Ohren und saugen das Wissen des Experten begierig auf. Dieser greift in den Korb einer Sammlerin und zieht einen Pilz heraus. Den will er jetzt gemeinsam mit den anderen bestimmen.

"Und wenn man an dem leckt, schmeckt er scheiße"

"Auf den ersten Blick sieht der Pilz hier aus wie ein Steinpilz. Der Hut ist braun, das passt. Wenn ich mir jetzt aber die Fruchtschicht angucke, ist die altrosa, das heißt, es kann kein Steinpilz sein", erklärt der 79-Jährige. Es ist ein Gallenröhrling, kein Speisepilz. Cornelia Günther flüstert: "Und wenn man an dem leckt, schmeckt er scheiße. Ein Stück davon kann dir ein ganzes Gericht versauen." Mit allen Sinnen Pilze bestimmen - das macht auch Günther Groß. Immer wieder riecht er an den Fruchtkörpern; der eigentliche Pilz, das Mycel, liegt unter der Erde. Groß warnt vor allem vor Apps, mit denen man Pilze bestimmen können soll. Die könnten das aber gar nicht leisten. "Die größte Gefahr ist immer wieder, dass die Leute nicht bereit sind, genau hinzuschauen", berichtet der Pilzkenner. Mit der Plastiktüte auf Schwammerl-Suche? Auch das ein absolutes No-Go! Die Pilze schwitzten darin und seien kaputt, bis man nach Hause komme, sagt Günther Groß.

Johanna Stegmann hat nach eigener Auskunft so gut wie keine Ahnung von Schwammerln. Zusammen mit ihrem Vater Roland nimmt sie deshalb an dem Pilzlehrgang teil. (Foto: Sophie Burkhart)

Die Gruppe zieht mittlerweile wieder durch den Wald, diesmal bedachter und aufmerksamer. Johanna Stegmann und ihr Papa Roland sind zum ersten Mal bei einem Pilzlehrgang dabei. Mit Sträuchern und Früchten kenne sie sich aus, sagt die 25-Jährige. "Bei Pilzen bin ich komplett blank. Klar, ich kenne die Champignons und Kräuterseitlinge aus dem Supermarkt, aber ich war noch nie Pilze sammeln im Wald", erzählt die Augsburgerin. Der Pilzlehrgang soll das ändern.

"Das Grundwissen kann man sich anlesen, aber wenn man es erklärt bekommt, wie die Zusammenhänge sind und welche Arten es gibt, ist es noch besser", ergänzt Roland. Nur ein Pilz liegt bisher einsam in ihrem Korb. Doch Johanna hat schon den nächsten gefunden, der nun dem anderen Gesellschaft leisten darf. "Wir sind gerade in einer Zwischenzeit", klärt Günther Groß auf. "Man hat gemeint, weil jetzt vor 14 Tagen mehr Pilze da waren - weil es da stark geregnet hat -, dass es jetzt schon losgeht mit der Pilzsaison." Die starte aber erst Mitte September, aktuell finde man eher wenig. Für eine gute Ausbeute müsse es warm und feucht sein. "Wenn es in der Früh im Wald dampft, das mögen die Pilze am liebsten", verrät Groß.

Auf der Mauer liegt die komplette Pilzausbeute des Tages, darunter Krause Glucke, Grauer Wulstling, Perlpilze und Stinkmorcheln. (Foto: Sophie Burkhart)

Nach knapp drei Stunden lotst er die Gruppe wieder aus dem Wald heraus. Ein letzter Stopp auf dem Parkplatz; die Pilzsucher breiten ihre Funde auf einer Mauer aus. Es ist allerhand dabei: Stinkmorcheln, eine Krause Glucke, Perlpilze, der Graue Wulstling und natürlich der Gallenröhrling. Zwar keine klassischen Speisepilze wie Maronen oder Steinpilze, aber auch keine tödlich giftigen. Wobei man aufgrund der radioaktiven Belastung bei Pilzen durchaus noch vorsichtig sein müsse. Man sollte nicht kiloweise selbst gesammelte Pilze verzehren, empfiehlt der Verein. Denn auch hier gilt: Die Dosis macht das Gift.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusMeinungFlugblatt-Affäre
:Aiwanger ist am Ende

Der Chef der Freien Wähler hat alle Chancen vertan, die Wahrheit über seine Jugend zu sagen und sich rechtzeitig zu entschuldigen. Wenn Ministerpräsident Markus Söder nicht die Werte der CSU verraten will, muss er ihn umgehend entlassen.

Kommentar von Sebastian Beck

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: