Dank Globalisierung und Digitalisierung:Freiraum für kreatives Arbeiten

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"New Work" ist auch schon im Wolfratshauser Rathaus angekommen. (Foto: Hartmut Pöstges)

Wie steht es um "New Work" in den Rathäusern im Landkreis? Bürgermeister und Geschäftsführer aus Geretsried, Wolfratshausen und Bad Tölz berichten, wie dieses Konzept die öffentliche Verwaltung verändert.

Von Celine Chorus, Bad Tölz-Wolfratshausen

Im Geretsrieder Rathaus ist die Arbeitswelt von morgen schon angekommen. Die Corona-Pandemie hat man dort dafür genutzt, um Spielräume für mobiles Arbeiten zu schaffen. Im Dachgeschoss des Rathauses entstehen derzeit neue und moderne Arbeitsräume. Schon jetzt haben Mitarbeitende die Möglichkeit eines Gleitzeitmodells, bei dem durch den Abbau von entsprechenden Überstunden Vollzeit-Angestellte dann nur vier Tage die Woche arbeiten. Zur systematischen Lösung von Problem- und Aufgabenstellungen wurden Zeitfenster eingerichtet, in denen die Mitarbeiter zusammenkommen und sich austauschen können. "Wir nennen das ,kreative Pausen', die die Mitarbeiter selbst gestalten", erklärt der Geretsrieder Bürgermeister Michael Müller (CSU). In der Stadt wird demnach umgesetzt, wie die Verwaltung der Zukunft aussehen könnte. Stichwort: New Work.

Für den Geretsrieder Bürgermeister Michael Müller ist das Arbeiten im Team ein wichtiges Kriterium bei der Jobwahl. (Foto: Hartmut Pöstges)

Die Digitalisierung hat die Arbeitswelt verändert, auch in der öffentlichen Verwaltung. Prozesse, die früher mit viel Aufwand verbunden waren, laufen inzwischen automatisch. Die Vernetzung von Mitarbei­tern ist einfacher geworden, standortübergreifende Zusammenarbeit kein Problem mehr. Durch diesen Wandel haben sich aber auch die Bedürfnisse von Arbeitnehmern verändert: Faktoren wie Einkommen oder Status- und Machtdenken stehen für sie nicht mehr an erster Stelle. Stattdessen gewinnen Werte wie eine flexible Arbeitsgestaltung oder die Vereinbarkeit von Beruf- und Privatleben an Bedeutung.

New Work heißt dieses neue Verständnis von Arbeit in Zeiten der Globalisierung und Digitalisierung. Der Begriff wurde vom austro-amerikanischen Sozialphilosophen Frithjof Bergmann geprägt und beruht auf der Annahme, dass das bisherige Arbeitssystem veraltet sei. Kern des Konzepts ist, den Mitarbeitenden echte "Handlungsfreiheit" zu ermöglichen. So setzen New-Work-Modelle auf eine höhere Eigenverantwortung des Arbeitnehmers, der mehr als früher in unternehmerische Entscheidungen einbezogen werden möchte.

Gleichzeitig sehnen sich Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen nach Modellen, die Beruf und Freizeit harmonisch ineinandergreifen lassen. Statt einer perfekten Balance heißt das neue Motto "Work-Life-Blending": ein fließender Übergang zwischen Arbeits- und Privatleben, der es Arbeitnehmern ermöglicht, selbstbestimmt zu arbeiten und dadurch produktiver zu sein. "Remote Work", also das Arbeiten von zu Hause oder unterwegs, ist seit der Corona-Pandemie nicht mehr aus der Arbeitswelt wegzudenken - und funktioniert. Wer Stillarbeit macht, kann das nun auch an einem x-beliebigen Ort tun. Die Büros von morgen werden stattdessen immer mehr zu Kommunikationszentren. Eine moderne Arbeitsumgebung soll viel Freiraum für kreatives, aber auch konzentriertes Arbeiten bieten.

Eine Eheschließung im Standesamt kann nur im Rathaus organisiert werden

New Work wird nicht nur im Geretsrieder Rathaus sehr aktiv umgesetzt Auch die Stadt Wolfratshausen ist in vielen Bereichen mit dem Thema vertraut. Mitarbeitende können einzelne Tage festlegen, an denen sie im Homeoffice arbeiten möchten. Im Herbst wird ein Katalog an die Mitarbeitenden verschickt, aus denen sie sich Fort- und Weiterbildungen aussuchen können. Und auch Jobsharing - ein Modell, bei dem sich zwei Arbeitnehmer eine Vollzeitstelle teilen - gewinnt in der Stadtverwaltung zunehmend an Beliebtheit. "Der Prozess ist im Gange, bedarf aber einer gewissen Zeit, bis er abgeschlossen ist, weil alles nebenbei gemacht werden muss", erklärt Bürgermeister Klaus Heilinglechner.

Der Umbau der städtischen Verwaltungen brauche seine Zeit, sagt Klaus Heilinglechner, Bürgermeister der Stadt Wolfratshausen. (Foto: Ralf Gerard/oh)

Bei der Digitalisierung stößt die Stadtverwaltung aber auch an faktische Grenzen: Der Arbeitsalltag ist sehr davon geprägt, unmittelbaren Kontakt mit den Bürgern zu haben. Eine Reisepassverlängerung oder eine Eheschließung im Standesamt kann schließlich nur im Rathaus organisiert werden. Die Stadtverwaltung werde also lange Zeit zweigleisig fahren und sowohl digitale Verfahren als auch solche mit direktem Bürgerkontakt anbieten müssen. "Das bedeutet zwangsläufig auch, dass nicht alle aus der Ferne arbeiten können", sagt der Geschäftsleiter der Stadt Bad Tölz, Falko Wiesenhütter, der dort unter anderem für Personalthemen zuständig ist.

Nicht alle Arbeiten lassen sich im Homeoffice erledigen, betont Falko Wiesenhütter, Geschäftsführer im Tölzer Rathaus. (Foto: Manfred Neubauer)

Wie können sich die Kommunen also als attraktive Arbeitgeberinnen positionieren? Schon jetzt habe die öffentliche Verwaltung viele Dinge zu bieten, die den Nerv der Zeit träfen, so die Verantwortlichen. Kommunen bieten einen sicheren Arbeitsplatz und die Möglichkeit, sich fortzubilden und aufzusteigen. Mitarbeitende erhalten ein 13. Monatsgehalt, können auf Flexibilität bei der Elternzeit hoffen und haben Zeitarbeit- und Gleitzeitregelungen. Doch hat die öffentliche Verwaltung seit Langem mit einem Imageproblem zu kämpfen. Vakante Stellen können nicht mehr so einfach wie noch vor fünf Jahren besetzt werden.

Die Kehrseite: Durch die Digitalisierung gehen indes in vielen Bereichen Arbeitsstellen verloren. Gleichzeitig werden Fachkräfte für Berufe benötigt, die es vor einigen Jahren noch nicht gegeben hat. Diese Situation stellt die Kommunen vor neue Herausforderungen: Soll die Babyboomer-Generation, also die geburtenstarken Jahrgänge, ersetzt werden können, muss eine neue Arbeitskultur etabliert werden. Das höchste Gut sei ein positives Image und die damit verbundene Mund-zu-Mund-Propaganda, sagt Geretsrieds Bürgermeister Michael Müller. Da sei zum Beispiel ein Jobfahrrad nicht unbedingt ausschlaggebend, betont er. "Wichtige Schlagworte sind für mich vielmehr: spannende und abwechslungsreiche Arbeiten, wertschätzender Umgang sowie ein gewisses Maß an Verantwortungsübernahme und Spaß im Team."

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