Angespannter Wohnungsmarkt:Bremse ohne Wirkung

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Angesichts gestiegener Preise und Zinssätze dürfte sich die Bauwirtschaft erst einmal schwertun, Projekte wie das an der Banater Straße in Geretsried mit knapp 800 Wohnungen zu stemmen. (Foto: Krämmel Wohn- und Gewerbebau GmbH by smpl/oh)

In fünf Kommunen im Landkreis gilt bereits die Mietpreisbremse. Geretsried wird bald dazukommen. Ohne einen Mietspiegel allerdings kann man gegen Wucherpreise kaum vorgehen - doch einen solchen gibt es noch nirgends

Von Felicitas Amlerund Konstantin Kaip, Wolfratshausen/Geretsried

Die Mietpreise haben bei anhaltendem Wohnungsmangel auch in Geretsried volle Fahrt aufgenommen - beim neuesten Bau am Karl-Lederer-Platz sind bis zu 13,44 Euro pro Quadratmeter fällig. Ob eine Mietpreisbremse da greifen kann? Ewald Kailberth ist äußerst skeptisch: "Ich glaube, dass es im Endeffekt nicht viel bringen wird", sagt der Fraktionsvorsitzende der CSU im Stadtrat. Er denke zwar, dass Geretsried Mietpreisbremse und Mietspiegel "einführen muss", aber als Instrumente gegen Wohnungsmangel und hohe Preise hält er beides für ungeeignet. "Welcher Mieter klagt denn da?", fragt er sich.

Die im Jahr 2015 von der Bundesregierung installierte Bremse regelt, dass der Preis einer Wohnung bei Neuvermietung höchstens zehn Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen darf. Einfordern muss dies der Mieter selbst. Auf dem Papier haben Wolfratshausen und Bad Tölz die Mietpreisbremse schon seit vier Jahren, und auch in Icking, Bad Heilbrunn und Greiling gilt sie längst. Jetzt soll sie in Geretsried eingeführt werden. Erste Untersuchungen des zuständigen bayerischen Justizministeriums kommen zu dem Schluss, auch Geretsried, die mit 26 000 Einwohnern größte Stadt im Landkreis, gehöre zu den "Kommunen mit angespanntem Wohnungsmarkt". Das Gutachten ist noch nicht abgeschlossen, die Tendenz aber eindeutig.

Der Geretsrieder Stadtrat hat dies zur Kenntnis genommen. Und SPD-Sprecher Wolfgang Werner hat einen sechs Jahre alten Antrag aus der Schublade geholt: Die Stadt braucht seiner Ansicht nach heute mehr denn je einen qualifizierten Mietspiegel, der im Streitfall auch vor Gericht standhält. "Wir haben das immer gefordert", sagt Werner. Und da die Nachbarstadt die Mietpreisbremse bereits hat, findet er einen gemeinsamen - "sozusagen interkommunalen" - Mietspiegel für Wolfratshausen und Geretsried erstrebenswert: "Das würde sich auszahlen", glaubt er.

Wolfratshausens Bürgermeister Klaus Heilinglechner (BVW) hatte bisher keinen Anlass gesehen, ein solches Instrumentarium für die Stadt zu erstellen. "Natürlich weiß man, dass wir nicht so viele freie Wohnungen haben und die Mieten in Wolfratshausen hoch sind", sagt er. Dass die Stadt aber auf der Liste für Gebiete mit angespannten Wohnungsmärkten des Instituts Wohnen und Umwelt stehe, sei ihm und der Verwaltung bislang nicht bekannt gewesen. "Wir sind von keiner Behörde darauf hingewiesen worden", sagt Heilinglechner. "Ich war selber erstaunt, als ich das gelesen habe."

Was das für Auswirkungen für die Stadt habe, müsse nun geklärt werden. Er wolle sich deswegen auch mit der Nachbarstadt Geretsried austauschen, sagt Heilinglechner. Und es müsse besprochen werden, wie sinnvoll ein Mietspiegel als Instrument für moderate Mieten sei. "Die Mietpreisbremse kann auch bewirken, dass die Mieten erst einmal ansteigen", befürchtet der Wolfratshauser Bürgermeister - etwa bei Neubauten. Die Stadt habe keinen großen Einfluss auf die Preise des privaten Wohnungsmarkts. Auf eigenen Flächen versuche Wolfratshausen jedoch, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, etwa mit dem Projekt der Wohnungsbaugesellschaft Stäwo, das an der Schlesierstraße in Waldram entsteht. Und wenn die Stadt Baugrund freigebe, fordere sie Grundflächen für geförderten Wohnungsbau ein.

Auf diese Art der Bodenpolitik hebt auch Ewald Kailberth ab: "Wir in Geretsried sind da auf dem richtigen Weg", sagt er, etwa mit dem Modell, das beim Neubaugebiet Banater Straße zugrunde gelegt wird: Der Investor muss dort im Verhältnis 30:30:40 frei finanzierte, öffentlich geförderte (Sozialwohnungen) und Eigentumswohnungen errichten. "Das ist der einzige Weg, um die Situation einigermaßen in den Griff zu bekommen", glaubt der CSU-Sprecher. Wie stark der Mangel an Wohnungen inzwischen sei, erfahre er seit einiger Zeit quasi vor der eigenen Haustür: Schon zwei Mal hätten Wohnungssuchende bei ihm zu Hause geklingelt, um ihn um Hilfe zu bitten; in einem Fall sei es sogar ein Bekannter gewesen: "Das habe ich in 23 Jahren Stadtrat noch nie erlebt." Der Druck sei offenbar "fast dramatisch".

Das kann die Leiterin der Wolfratshauser Wohnungslosenhilfe nur dick unterstreichen: "Am schlimmsten sind junge Familien dran", sagt Ines Lobenstein, und zwar durchaus solche aus der Mittelschicht. Ein Kind sei in der Region mit den hohen Mieten heutzutage ein Armutsrisiko. Dass in dieser Situation ein Wohnungssuchender einen potenziellen Vermieter mit der Mietpreisbremse konfrontiert, kann sie sich nicht vorstellen: "Der fällt doch gleich raus aus dem Raster." Lobenstein sagt, helfen könne nur eine massive staatliche Förderung sozialen Wohnungsbaus. Andernfalls sieht sie eine schlimme Entwicklung voraus: "Wir werden in einigen Jahren erleben, dass ganz viele Leute vor der Privatinsolvenz stehen."

© SZ vom 17.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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