Interview:"Tierschutz und Umweltschutz sollen gleichberechtigt nebeneinander stehen"

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Jetzt auch Gegenstand einer Klimaschutz-Debatte: Küken. (Foto: dpa)

Geflügelhalter Michael Häsch hält das Verbot des Kükentötens für vorschnell - und warnt vor Folgen für den Klimaschutz.

Von Petra Schneider, Dietramszell

Legehennen produzieren Eier, Hähne sind dagegen für Geflügelhalter wertlos. Nach dem Schlüpfen werden männliche Küken getötet und als Tierfutter den Raubtieren in Zoos oder den Greifvögeln in Falknereien zum Fraß vorgeworfen. Die Bundesregierung möchte das verbieten und hat einen Gesetzesentwurf zum grundsätzlichen Verbot von Kükentöten vorgelegt. Das Gesetz soll im Januar 2022 in Kraft treten. Michael Häsch, Geflügelhalter vom Bertenbauernhof in Dietramszell und stellvertretender Vorsitzender des Bayerischen Geflügelhalterverbands, hält den Entwurf für vorschnell und politisch motiviert. Seine Kritik hat er in einem offenen Brief an Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) und Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) formuliert.

SZ: Herr Häsch, was passiert mit den männlichen Geschwistern Ihrer Legehennen?

Michael Häsch: Wir bekommen unsere Legehennen von einer Brüterei mit Aufzuchtbetrieb. Die männlichen Eintagsküken werden dort mit CO₂ begast. Sie schlafen ein und wachen nicht mehr auf. Das ist für die Tiere völlig schmerzfrei.

Geplant ist nun, dass die Geschlechtsbestimmung bereits im Ei stattfindet und männliche Küken einfach nicht mehr ausgebrütet werden.

Ja, da bin ich dafür. Allerdings nur, wenn das rechtzeitig gemacht wird. Dafür gibt es aber noch keine technische Lösung. Denn das Schmerzempfinden des Embryos setzt ab dem siebten Tag ein, das Geschlecht kann derzeit aber erst ab dem neunten Tag bestimmt werden. Das bedeutet, dass die Eier aus der Wärmekammer genommen werden und die bereits voll entwickelten männlichen Küken im Ei quasi erfrieren.

Könnte man die männlichen Küken nicht am Leben lassen?

Doch, aber Aufwand und Ertrag stehen dann in keinem Verhältnis mehr. Kleinere Betriebe würden eingehen, die Kosten für die Verbraucher steigen. Oder männliche Küken werden nach Polen exportiert und dort unter teils fragwürdigen Tierschutzbedingungen gemästet. Für ausschlaggebender halte ich aber die Folgen für die Umwelt: Wir würden für die Aufzucht mehr klimaschädliches CO₂ produzieren, mehr Flächen für zusätzliche Stallungen versiegeln und mehr Futtermittel importieren müssen, weil wir hier nicht genügend Flächen haben. Die Flächen fehlen auch für die Ausbringung des zusätzlichen Mists. Die Bundesumweltministerin hat die Landwirtschaft verpflichtet, ein Drittel CO₂ in den nächsten zehn Jahren und 29 Prozent Düngemittel einzusparen. Gleichzeitig zwingt uns das Gesetz dazu, genau das Gegenteil zu machen. Es ist niemandem geholfen, wenn die deutschen Legehennenhalter von der Rolle der herzlosen Kükentöter in die der verantwortungslosen Klima- und Umweltzerstörer gedrängt werden.

Was fordern Sie?

Tierschutz und Umweltschutz sollen gleichberechtigt nebeneinander stehen, so wie es auch im Grundgesetz und in der Bayerischen Verfassung steht. Solange es noch keine technische Lösung für eine ausreichend frühe Geschlechtsbestimmung gibt, die auch für kleine Betriebe bezahlbar ist, sollte der Entwurf ausgesetzt werden.

Haben Sie eine Rückmeldung bekommen?

Ja, die Tierschutzreferentin von Frau Klöckner hat mich zu einem Gespräch eingeladen.

© SZ vom 30.01.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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