Roland Herzog war lange als Rettungssanitäter aktiv. Ein Beruf, in dem die Einsatzkräfte ständig mit Situationen zwischen Leben und Tod konfrontiert sind. Dass sich davon Bilder im Gedächtnis einprägen, sei eine normale menschliche Reaktion, sagt Herzog. "Immer wenn starke Emotionen mit dabei sind, erinnert man sich daran." Das sei etwa bei der Geburt eines Kindes nicht anders. Sehr genau kann sich Herzog auch noch an seinen ersten Toten im Einsatz erinnern. "Ich weiß immer noch, wie er ausgesehen hat", sagt der Sozialpädagoge. Heute, als Mittvierziger, leitet Hezog nicht nur die Jugendsiedlung Hochland bei Königsdorf, sondern ehrenamtlich auch den Kriseninterventionsdienst im Landkreis.
In Akutsituationen fühlen sich Menschen, die plötzlich nahe Familienangehörige verloren haben oder Zeugen eines schweren Unfalls geworden sind, oft besonders rat- und hilflos, traurig oder wütend. Das kann sie schnell überfordern oder dauerhaft traumatisieren. Um ihnen zu helfen, sind seit den 1990er-Jahren sogenannte Kriseninterventionsteams (KIT) oder Kriseninterventionsdienste (KID) in Deutschland unterwegs.
Im Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen existiert ein solcher beim Bayerischen Roten Kreuz angesiedelter KID seit 25 Jahren. Mittlerweile leitet Roland Herzog das hiesige Team aus Ehrenamtlichen. Das setzt sich aus 20 bis 25 Personen zusammen, darunter kirchlich ausgebildete Notfallseelsorger, aber auch Steuerberater, Lehrer oder Schulpsychologen. Alle haben Grund- und Fachlehrgänge zur psychosozialen Notfallausbildung absolviert sowie bei Einsätzen hospitiert.
"Wir sind Brückenbauer", definiert Herzog die Hauptaufgabe der KID-Mitglieder. Ausschließlich die Integrierte Leitstelle alarmiere die Ehrenamtlichen in Akutsituationen. Meistens handele es sich um Todesfälle im häuslichen Bereich. Für Angehörige sei es oft schon unverständlich, dass die Kriminalpolizei ermittle, wenn ein älterer Angehöriger zusammengebrochen und gestorben sei, berichtet Herzog. Darüber aufzuklären, dass es sich dabei um das übliche Procedere bei unklarer Todesursache handle, sei eine der zentralen Brückenbauerfunktionen des KID.
"Das Wichtigste, was wir tun, ist, einfach da zu sein."
Es gehe aber auch darum, einen "würdigen Rahmen" zu organisieren, damit sich Angehörige von den Gestorbenen verabschieden können. Zudem gelte es oft, das soziale Netzwerk des Betroffenen zu aktivieren, also herauszufinden, wer aus der Familie oder dem Bekanntenkreis die Betreuten in solch einer außerordentlichen Situation weiter unterstützen könne. Das KID kläre auch darüber auf, welche weiterführenden professionellen Therapieangebote existieren. Für die nahen Angehörigen sei es oft wohltuend, sich nach einem Todes- oder Unglücksfall eines Angehörigen wahrgenommen zu fühlen, sagt der Sozialpädagoge. "Das Wichtigste, was wir tun, ist, einfach da zu sein."
60 bis 80 Mal pro Jahr ist das Team des Kriseninterventionsdienstes im Landkreis laut Herzog im Einsatz. Die Ehrenamtlichen seien meistens ein- bis eineinhalb Stunden bei den Betroffenen, manchmal auch mehrere Stunden. Es gehe darum, den Menschen in der unmittelbaren Akutsituation zu stabilisieren, erklärt Herzog, der Soziale Arbeit studiert hat, nachdem er als hauptberuflicher Rettungsassistent und für die Feuerwehr aktiv war. Als Sozialpädagoge leitet er inzwischen die Jugendliedlung Hochland.
Das KID-Team im Landkreis sucht ständig Ehrenamtliche
Der Altersdurchschnitt im KID-Team des Landkreises liegt bei um die 60 Jahren, also relativ hoch. Für die Gruppe suche er jederzeit Menschen ab 25 Jahren aufwärts, die "ihren Platz im Leben gefunden haben und anderen Menschen in belastenden Situationen beistehen können", sagt Herzog. "Wir freuen uns immer über neue Mitglieder." Die braucht es auch, um das ganze Jahr rund um die Uhr im Alarmfall einsatzfähig zu sein. Bei 20 bis 25 Personen wie momentan sei das gar nicht so leicht zu organisieren, sagt Herzog. Denn der ein oder andere höre auf oder sei krank. Daher wäre ein Team von um die 30 Ehrenamtlichen gut.
Das Einsatzgebiet erstreckt sich bis in die Täler der Voralpen. Höher Richtung Gipfel hinauf geht es aber für die KID-Ehrenamtlichen nicht. Dafür hat die Bergwacht eigene im Kriseninterventionsdienst geschulte Mitglieder. Generell haben die Rettungsorganisationen laut Herzog auch interne Strukturen aufgebaut, um die eigenen Einsatzkräfte nach besonders belastenden Situationen psychosozial zu unterstützen. Für die Ehrenamtlichen in den Kriseninterventionsdiensten werde immer wieder Supervision angeboten, die ihnen helfen soll, belastende Situationen besser zu verarbeiten.