Auf Bergen in der ganzen Welt hat der Kochler Fotograf Bernd Ritschel gestanden, um möglichst expressive Bildmotive zu finden. Für sein neuestes Projekt war der 59-Jährige zwei Jahre lang mit der Kamera in Europa unterwegs. Am Ende hatte er 21 heilige Berge auf dem Kontinent besucht. Im Gespräch berichtet Ritschel darüber, was diese Berge ausmacht und ob zu viele Menschen nicht den Zauber der Landschaft zerstören können.
SZ: Herr Ritschel, was hat der Mensch eigentlich auf einem heiligen Berg verloren? In vielen Kulturen galten und gelten Berge als Sitz der Götter und sollen nicht bestiegen werden.
Bernd Ritschel: Das ist eine Riesenfrage. Im Buddhismus haben Menschen Angst, dass ein Gipfel in seiner Heiligkeit entweiht wird, wenn jemand hinaufsteigt. Auf den Rocciamelone im italienischen Piemont pilgern im August Tausende Menschen. Dieses Gemeinschaftserlebnis kann große Kraft entfalten. Das ist wie bei einem Rockkonzert, wo die Menschen dicht an dicht stehen und im Miteinander etwas Besonderes erfahren. Wer will, kann zu anderen Zeiten aber auch ziemlich allein auf dem Gipfel stehen. Die Madonnenfigur dort oben hat mich sehr beeindruckt. Diese Freude, die ich auf den heiligen Bergen gespürt habe, ist etwas ganz besonderes.
Macht das einen heiligen Berg aus?
Der Bezug der umgebenden Bevölkerung oder der gesamten Gesellschaft zu einem Berg spielt eine Rolle. Da können religiöse Beweggründe dahinterstecken, aber auch Mythen und Sagen. Auf dem Tomorr in Albanien steht etwa das Grab des Abbas Ali. Der Halbbruder von Hussein, der ein Enkel Mohammeds war, soll dort begraben sein. Es gibt die Sage von König Watzmann, seiner Frau und den Kindern. Metéora bedeutet in die Höhe gehoben, in der Luft schwebend. Letztlich liegt es an uns, wie wir diese heiligen Berge erleben.
Verändert sich das im Leben?
Ja, klar. Den Watzmann habe ich etwa in jungen Jahren nur als Kletterer bestiegen. Es zählten nur die Schwierigkeitsgrade, die Höhenmeter. Mit Mitte 40 habe ich mit zwei Freunden die Ostwand durchstiegen. Das hat großen Spaß gemacht. Ich habe aber auch gemerkt, was das für ein kraftvolles und intensives Erlebnis ist. Jetzt hat sich das noch einmal völlig verändert. Das Gefühl am Berg ist etwas Besonderes, hat eine neue Dimension gewonnen.
Hätte etwa die Hohe Salve im Tiroler Bezirk Kufstein auch darunter sein können? Die Wallfahrtskapelle auf dem Gipfel steht allerdings mitten im Skigebiet.
Die Berge sollten mit einem gewissen Zauber verbunden sein. Der Pilatus ist zwar auch sehr erschlossen. Aber das ist der Berg der Schweizer.
Warum sind es genau 21 Berge?
21 ist eine heilige Zahl ( Diese gilt als Zahl der Vollendung, alle Augen des Spielwürfels ergeben etwa diese Summe, Anm. d. Red.). Es gäbe natürlich noch mehr heilige Berge. Um den ökologischen Fußabdruck so gering wie möglich zu halten, habe ich auf Flugreisen verzichtet. Daher sind auch keine Gipfel aus Spanien oder Portugal darunter. Es sollte einfach eine schöne geografische Verteilung sein.
Bernd Ritschel, Heilige Berge Europas, Vortragstermine, Kultur- und Tagungszentrum Murnau, 28. Oktober, 15.45 Uhr; Heimatbühne Kochel am See, 29. Dezember, 19.30 Uhr.