Sakralbauten im Oberland:Einzigartiger Stilmix

Lesezeit: 3 min

Die Eurasburger Schlosskirche ist bis ins Details so originalgetreu erhalten wie es Karl Bauer Anfang des 20. Jahrhunderts geplant hat. (Foto: Manfred Neubauer)

Für die Eurasburger Schlosskirche kombinierte Architekt Karl Bauer neobarocke Formen und Jugendstil. Das Ende der vierjährigen Renovierungsarbeiten feiert der Pfarrverband mit einem Gottesdienst.

Von Benjamin Engel, Eurasburg

Mit ihrem Zwiebeltürmchen scheint die Eurasburger Schlosskirche Mariä Empfängnis typisch für die Sakralbauten der Umgebung zu sein. Gleichzeitig ist das Gebäude viel jüngeren Datums als seine barocken Vorbilder, kunstgeschichtlich aber kaum minder interessant. Für die von 1908 bis 1909 errichtete Kirche hat Architekt Karl Bauer - einer der Baumeister des Ulmer Münsters - die neobarocke Formensprache mit jugendstilhaften Elementen kombiniert und so ein in sich äußerst einheitliches ästhetisch-stimmiges Erscheinungsbild geschaffen. Seitdem ist die Originalausstattung praktisch unverändert geblieben, was die denkmalgeschützte Kirche besonders macht.

Nach vierjähriger Renovierungsphase ist der Innenraum nun wieder so erleb- und erfahrbar wie für die Menschen vor etwas mehr als einem Jahrhundert. Das feiert der Pfarrverband Münsing am Sonntag, 22. Oktober. Weihbischof Rupert Graf zu Stolberg wird ab 10 Uhr den Festgottesdienst in der Eurasburger Schlosskirche halten. Pfarrer Martin Kirchbichler erwartet viele Ehrengäste, von den an der Restaurierung beteiligten Betrieben, Vertretern des Pfarrverbands bis zu Eurasburgs Bürgermeister Moritz Sappl, Traditionsvereinen und der Blaskapelle.

Nach abgeschlossener Restaurierung kommt die Gewölbestruktur mit den ockergelben Leisten vor weißem Deckenhintergrund wieder farbintensiv zur Geltung. (Foto: Manfred Neubauer)

So kurz die Bauzeit der Kirche einst war, so lang haben sich die Planungen für die Renovierung hingezogen. "Das war schon seit 2006/07 Thema, als ich in Münsing angefangen habe", sagt Pfarrer Kirchbichler. Wenigstens die Kosten blieben mit um die 900 000 Euro unter der Summe von einer Million, die schon einmal im Gespräch war.

Es sei darum gegangen, die Bausubstanz im Innenraum in ihrem Originalzustand zu erhalten, ohne die natürlichen Gebrauchsspuren zu tilgen, sagt der beauftragte Architekt Hermann Thurner aus Ellbach bei Bad Tölz. Das hieß behutsam vorzugehen, war doch die Schlosskirche noch nie renoviert worden. "Auf den Gewölbeflächen haben wir mit einer Latex-Reinigung den Schmutz entfernt", so Thurner. Die Restauratoren tragen für dieses Verfahren einen Latexfilm auf, der später vorsichtig wieder abgezogen wird - eine Form der schonenden Trockenreinigung.

So arbeitete das Team das mit den ockergelben Leisten der Reliefstuckierung kontrastierende ursprüngliche Weiß der Decken und Wände wieder heraus. So farbintensiv wie einst erscheint der Hochaltar mit den spangrünen Holzaufbauten, dem grauen, weißgeäderten Marmor an Mensa, Tabernakel und Goldornamenten.

Eine Glashütte hat die Leuchten nach Originalvorbild gefertigt

An den Leuchten im Kircheninnenraum waren beispielweise einige Gläser verlorengegangen. Daher beauftragte Architekt Thurner eine Glashütte bei Lindberg im bayerischen Wald, um mundgeblasenen Ersatz nach Originalvorbild anzufertigen. Allein bis das bewerkstelligt war, dauerte es um die eineinhalb Jahre. Denn ein erster Betrieb sei insolvent gegangen und habe den Auftrag nicht ausführen können. Ein anderes Unternehmen musste gesucht werden, so Thurner. "Insgesamt waren 25 Gewerke an der Restaurierung beteiligt."

Langwierig hatte sich schon der Planungsprozess der Kirche gestaltet. Ursprünglich hatte für Eurasburg nur eine im nahen Schloss integrierte Kapelle existiert. Weil sich Besitzer Georg Käß von den Kirchenbesuchern gestört fühlte, hatte er bereits in den 1890er-Jahren beschlossen, eine neue Kirche zu errichten. Erste Pläne lehnte das Erzbischöfliche Ordinariat ab. Erst die Tochter, Maria Gräfin von Tattenbach, sollte den Bau vollenden lassen.

Kontrastreich kombiniert der Hochaltar Materialien wie grauen Marmor, spangrüne Holzaufbauten und Goldornamente. (Foto: Manfred Neubauer)

Die Kirche zeichne ein seltener Grad von Einheitlichkeit aus, da der beauftragte Architekt Karl Bauer den gesamten Bau allein entworfen habe, so titelte die Zeitschrift des bayerischen Kunstgewerbevereins "Kunst und Handwerk" kurz nach der Fertigstellung. Das umfasste die ganze Ausstattung bis zu den Messgefäßen und Paramenten."Frommer Sinn und reiche Mittel vereinigten sich hier zu einem Werk, dass in seiner Art einzig genannt werden darf", hieß es etwas pathetisch.

Formenreichtum an einer aufgehängten Ampel mit aneinandergereihten Spiralen als Gestaltungsmotiv. (Foto: Manfred Neubauer)

Um die Restaurierung zu finanzieren, musste die Kirchenstiftung 15 Prozent der Gesamtsumme selbst aufbringen. Dafür sammelten Pfarreimitglieder Spenden oder organisierten Aktionen wie Konzerte. Von den 900 000 Euro machte der Eigenanteil 102 000 Euro aus. 656 000 Euro zahlte das Erzbischöfliche Ordinariat. Die Landesstiftung sagte 80 000 Euro, die Kommune Eurasburg 32 000 sowie der Bezirk Oberbayern 30 000 Euro zu.

In der Eurasburger Schlosskirche werden unter anderem Taufen und Hochzeiten gefeiert. Aufgesperrt und damit ganz zugänglich ist die Kirche nur zum monatlichen Werktaggottesdienst oder den Sonntagsgottesdiensten alle 14 Tage. Nach den Gottesdiensten am Sonntag bleibe der Zugang bis zum Gitter und der Orgelempore offen, so Kirchbichler.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Städtische Galerie an der Elbestraße
:Aha-Effekte in der Vertriebenenstadt

Ausstellung "Geretsried - Teil der bayerischen Moderne" von Fotograf Jean Molitor und Architekturhistorikerin Kaija Voss.

Von Felicitas Amler

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: