SZ-Adventskalender 2023/2024:Ein gutes Zuhause für benachteiligte Kinder

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Fahrradständer und neue Helme wünscht sich die Inselhaus Kinder- und Jugendhilfe für ihre Schützlinge. Ganz links: Betreuerin Alina Rotter. (Foto: Hartmut Pöstges)

Im Heim der Inselhaus-Jugendhilfe in Lengenwies wohnen 18 junge Leute. Ihnen steht ein Betreuer-Team zur Seite. Für das Alltagsleben sind insbesondere Freizeitaktivitäten wichtig. Doch für Fahrradhelme für alle oder ein neues Sofa reicht der normale Etat nicht.

Von Benjamin Engel, Eurasburg

Wie wichtig etwas ist, fällt oft erst dann auf, wenn es fehlt. So sind die Sofas in den beiden Wohngruppen der Inselhaus Kinder- und Jugendhilfe in Lengenwies bei Eurasburg mehr als nur funktionale Möbelstücke. "Das ist das Herzstück des Wohnzimmers", sagt Elke Burghardt, die für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig ist. Schließlich sind die Couches für die je neun Kinder und Jugendlichen einer Gruppe der zentrale Platz, um gemeinsam Zeit miteinander zu verbringen - zum Quatschen, Video-Konsole spielen oder Fernzusehen. Entsprechend beansprucht werden die Sofas. Eines davon ist mittlerweile so alt und verschlissen, dass es nicht mehr geflickt werden kann. Das Inselhaus braucht darum ein neues.

In Lengenwies wohnen aktuell Kinder und Jugendliche zwischen sechs und 20 Jahren

Zwischen sechs und 20 Jahre alt sind die 18 Kinder, Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die derzeit in der Einrichtung der gemeinnützigen GmbH wohnen und leben. Ihnen zur Seite stehen in dem Haus auf halber Strecke zwischen Eurasburg und Beuerberg etwa eineinhalb Dutzend Betreuer. Die Kinder und Jugendlichen sind oft durch schwierige Familienkonstellationen belastet. Zum Beispiel, weil die Eltern drogenabhängig sind. Oder weil sie psychisch, respektive physisch schwer erkrankt sind.

Je fünf Vollzeitstellen sind jeder Wohngruppe zugeordnet. Zudem arbeiten zwei Psychologen im Team mit. Eine von ihnen ist die 23-jährige Alina Rotter. Die junge Frau hat Soziale Arbeit studiert. Im Kinderhaus begann sie im Dezember 2021 als Wirtschaftsstudentin, seit Mitte 2022 ist sie fest angestellt. Das Team arbeitet schichtweise: unter der Woche in der Regel von 12 Uhr bis 9 Uhr am kommenden Tag, am Wochenende von 10 bis 10 Uhr.

Die Nachwirkungen der Pandemie sind bei einigen Kindern und Jugendlichen zu spüren

Wer so nahe an den betreuten jungen Leuten dran ist, bekommt ihre Sorgen und Nöte unmittelbar mit. Spürbar wird dies etwa an Ängsten, die noch aus der Corona-Pandemie nachwirken. Rotter berichtet von einer kürzlichen Erkältungswelle: "Da war bei einigen sofort die Angst da, wenn der Test coronapositiv ist, dann muss ich allein aufs Zimmer", sagt sie. Denn während der Hochphase der Pandemie sei es die Regel gewesen, dass sich positiv Getestete isolieren sollten. Auch schulische Wissenslücken seien noch zu bemerken, vermutlich eine Folge des ausgefallenen Präsenzunterrichts in der Corona-Zeit.

Inselhaus-Gründerin Dörte Sambraus kaufte in den Achtzigerjahren das Haus, in dem das Kinderheim untergebracht ist. (Foto: Hartmut Pöstges)

Vor allem Freizeitaktivitäten sind wichtig, damit sich die jungen Leute in der Lengenwieser Einrichtung wohlfühlen und ihren Alltag gut meistern können. Dafür stellt das Inselhaus etwa 18 Fahrräder bereit. Damit sind die Kinder und Jugendlichen zu Ausflügen unterwegs oder fahren zur Bushaltestelle an der durch Lengenwies führenden Staatsstraße. Gerade kleinere Kinder seien auch vielfach direkt auf dem Gelände mit dem Rad zu sehen, sagt Burghardt. Anschließend lägen die Fahrräder oft kreuz und quer vor dem Hauseingang herum, weil es zu wenig Abstellplätze gebe.

Ein ausreichend großer Fahrradständer fehlt - daher herrschen vor dem Eingang oft chaotische Zustände

Dieses Chaos soll Vergangenheit sein. Dafür stellt sich das Inselhaus-Team laut Burghardt vor, zwei rund zwei mal sechs Meter lange Baumstämme mit ausgeschnittenen Kerben für die Reifen der Fahrräder zu installieren. So wie im Tabalugahaus der Peter-Maffay-Stiftung auf Gut Dietlhofen bei Weilheim, wie sie sagt. Dringend nötig seien auch 18 neue Fahrradhelme, damit jedes Kind künftig einen eigenen habe. Die derzeit vorhandenen müssten sich die Kinder teilen, weshalb nicht alle gleichzeitig unterwegs sein können. Zudem seien dieser Kopfschutz schon alt und entsprechend ramponiert. "Bei manchen sind die Schließmechanismen kaputt, so dass sich das nicht mehr verstellen und an die Kopfform anpassen lässt", sagt Burghardt.

Den Abstellplatz und die Helme kann das Inselhaus aus dem Etat kaum stemmen. Dafür brauche es zusätzliche Unterstützung, sagt die Assistentin der Geschäftsführung. Ohne die lasse sich auch das bei Badeausflügen zum Starnberger See beliebte alte Schlauchboot nicht ersetzen, was dringend erforderlich sei.

Anfang der 1980er-Jahre hat Dörte Sambraus das Inselhaus initiiert

Das Inselhaus ist eine seit Jahrzehnten etablierte Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung in der Region. Das Team betreibt inzwischen unter anderem eine heilpädagogische Tagesstätte, zudem werden beispielsweise Familien zu Hause beraten und unterstützt. Den Grundstock hat einst Dörte Sambraus gelegt. Die Montessori-Lehrerin setzte Anfang der 1980er-Jahre ihr Erbe von damals mehr als zwei Millionen Mark dafür ein, die Institution aufzubauen und das Haus, in dem heute das Kinderheim untergebracht ist, zu kaufen.

Die alte Fichte am Inselhaus wurde vor Kurzem durch eine starke Böe gefällt. (Foto: Hartmut Pöstges)

Aus dem Areal war die mächtige Fichte am Hang südwestlich des Gebäudes für Elke Burghardt kaum wegzudenken. Sie spricht in der Vergangenheitsform, weil dieser Baum durch eine starke Windböe kürzlich nachts knapp über dem Boden abbrach. Die Überreste krachten auf den darunter stehenden Schuppen, in dem die Reifen für die Autos der Einrichtung gelagert sind. Das Häuschen wurde völlig zerstört, zwei parkende Autos schwer beschädigt. Glücklicherweise sei kein Mensch verletzt worden, sagt Burghardt. Der Baum sei wohl innen faul gewesen. Doch den Hergang müsse nun ein Gutachten klären. Offen sei auch, was diese Untersuchung und der Abtransport der verbliebenen Baumreste kosteten. Vor allem aber kann Burghardt nicht fassen, dass die Fichte nun weg ist. "Der Baum war wie ein Schutzwächter für uns", sagt sie.

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