Eine Maßgabe des Innenministeriums:Premiere auf Abstand

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Die konstituierenden Sitzungen der neu gewählten Gemeinde- und Stadträte müssen unter strengem Infektionsschutz stattfinden. Ratsstuben, Kurhaus und Schulaulen dienen als Ausweichsäle

Von Felicitas Amler und Klaus Schieder, Bad Tölz-Wolfratshausen

Es ist nicht das erste Mal, aber es bleibt eine außergewöhnliche Situation: Der Geretsrieder Stadtrat tagt am Dienstag, 5. Mai, nicht im Rathaus, sondern im großen Saal der Ratsstuben. Auf diese Weise will die Stadt den strengen Auflagen zum Infektionsschutz gerecht werden, die in der Corona-Krise gelten. Denn es handelt sich um den Auftakt zur Amtszeit des neuen Stadtrats, und dieser kann nicht auf bessere Zeiten verschoben werden. Der bayerische Innenminister hat es verfügt: Die konstituierenden Sitzungen der neu gewählten Stadt- und Gemeinderäte müssen allenthalben bis 14. Mai stattfinden. Die für die Corona-Krise geltenden Sicherheitsvorkehrungen müssen gewährleistet sein, ebenso die Öffentlichkeit der Sitzung. "Je wichtiger Entscheidungen, desto bedeutsamer ist größtmögliche Transparenz", hat Minister Joachim Herrmann (CSU) erklärt.

All dies ist im großen Sitzungssaal des Geretsrieder Rathauses kaum vorstellbar. Zwar konnte dort der eigens wegen Corona gegründete Ferienausschuss sicher tagen, da er nur zehn Mitglieder hat. Sie konnten sich mit gebührendem Abstand zueinander an dem für 30 Stadträte vorgesehenen Tisch niederlassen. Bei vollem Haus ist das nicht möglich. Die Ratsstuben bieten den Platz. Und da für die konstituierende Sitzung mit deutlich höherem Besucherandrang zu rechnen sei, so Rathaussprecher Thomas Loibl, sollen dort auch genügend Sitzgelegenheiten fürs Publikum geboten werden.

"Optimal vorbereiten"

Die Vorbereitungen für eine optimale Sitzordnung und gute Beschallung liefen, erklärt Loibl. Mit Blick auf die geheimen Wahlen der beiden Stellvertreter/innen des Ersten Bürgermeisters würden auch Wahlkabinen aufgestellt und mit Desinfektionsmitteln ausgestattet. "Das werden wir optimal vorbereiten", sagt Loibl.

Der Geretsrieder Stadtrat ist schon früher in die Ratsstuben ausgewichen. Loibl und Kulturamtsleiterin Nadine Wickert haben dazu auf Anhieb zwei Belege gefunden: Zuletzt habe eine öffentliche Ratssitzung dort am 29. April 2014 stattgefunden, "wohl wegen des größeren Andrangs anlässlich der Verabschiedung älterer Stadträte". Und am 10. Mai 1984 wurde ebenfalls die konstituierende Sitzung des neu gewählten Stadtrats in die Ratsstuben verlegt - offenbar wegen gesteigerten öffentlichen Interesses.

In Wolfratshausen wird man für die konstituierende Sitzung in die Aula der Hammerschmiedschule ausweichen. Dort ist genügend Platz, um untereinander auch Abstand halten zu können. "Wir müssen die Vorgaben zum Hygieneschutz eben zwingend einhalten", sagt Bürgermeister Klaus Heilinglechner (Bürgervereinigung Wolfratshausen). Um die 100 Leute fänden aber auch unter den erschwerten Bedingungen dort Platz.

In Bad Tölz wird sich der neue Stadtrat am Dienstag, 5. Mai, voraussichtlich im Kurhaus zu seiner ersten Sitzung treffen. Auf diesen Ausweichort will sich der neue Bürgermeister Ingo Mehner (CSU) zwar noch nicht festnageln lassen, ehe er mit allen Fraktionen darüber gesprochen hat. Aber eine andere Alternative zum Sitzungssaal unterm Rathausdach kann er sich kaum vorstellen. Der wäre für 24 Stadträte und einige Mitarbeiter der Verwaltung trotz seiner Größe zu eng, um die erforderliche Distanz zueinander zu wahren. Außerdem möchte Mehner auch "eine begrenzte Öffentlichkeit" zulassen, wenn Zweiter und Dritter Bürgermeister gewählt, diverse Ausschüsse besetzt, nötige Regularien erledigt werden.

Zuschauer kämen eh nicht, sagt Fadinger

Eine Herausforderung ist die konstituierende Sitzung in Corona-Zeiten auch für kleine Kommunen. Die Gemeinderäte sind zwar personell überschaubarer, dafür bieten die Sitzungssäle in den Rathäusern in der Regel auch weit weniger Platz als in den Städten. In Gaißach zum Beispiel findet der Auftakt zur neuen Sitzungsperiode deshalb in der Aula der Grund- und Mittelschule statt. Dort sei genug Raum, um jeden der 16 Mandatsträger an einem Einzeltisch unterzubringen, sagt der wiedergewählte Bürgermeister Stefan Fadinger (CSU/FW). Sollte der nötige Sicherheitsabstand noch verschärft werden, könne man den Teilnehmern auch einen Mundschutz anbieten. Der werde gerade von Kindergärtnerinnen in Gaißach genäht. Die Öffentlichkeit werde durch Pressevertreter hergestellt. Und Zuschauer? Bei einer konstituierenden Sitzung habe er in Gaißach noch nie welche gesehen, sagt Fadinger.

© SZ vom 16.04.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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