DJ Rupen im Porträt:"Ich weiß nicht, wie ich das richtig beschreiben soll. Es war wie ein Blitz"

Lesezeit: 5 min

Der Sannyasin und heutige DJ Rupen Gehrke hat seine legendären Tanzveranstaltungen in die virtuelle Welt verlegt. "Homedancing" nach dem Home-Office quasi.

Von Alexandra Vecchiato, Penzberg

Zufälle gibt es nicht, heißt es. Es mag daher wohl eher eine Fügung gewesen sein, dass Rupen Gehrke, damals Barmann, für den erkrankten Discjockey in einer Kölner Tanzhalle einsprang. Das war in den 1980er-Jahren. "Eine Offenbarung" sei dieser erste Abend gewesen, erzählt er. Menschen zum Tanzen zu bringen, "das macht mich einfach glücklich", sagt Gehrke alias DJ Rupen. Doch die Corona-Pandemie gebot den Tanzbegeisterten und ihrem Meister jähen Einhalt und zwang Gehrke zum Umdenken. Seine Partys waren in gewohnter Form nicht mehr möglich. Dann soll es eben "Homedancing" sein, sagte er sich. Seit mehr als einem Jahr bringt der Wahl-Penzberger deshalb seine Musik via Streaming in die Wohnzimmer von Tanzbegeisterten.

Musik bedeutete dem gebürtigen Kölner schon in jungen Jahren viel. Er zog als Straßenmusiker durch Europa und spielte Querflöte, Saxofon und Klarinette in verschiedenen Jazzbands. "Ich merkte, dass ich ein Talent besaß, Leute mit Musik zu fesseln. Das war meine Gabe." Doch immer nur selbst zu spielen, reichte Gehrke, der heute als DJ, Veranstalter und Produzent unterwegs ist, in gewisser Weise nicht. So viele Stücke, wie er gewollt habe, habe er gar nicht einstudieren können, sagt er.

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"Mein Musikempfinden wuchs einfach schneller." Als DJ stand ihm ein anderer, perfekter Kosmos offen: "Da habe ich alle Musik der Welt zur Verfügung." Sechs Jahre lang legte er in Köln in der legendären "Zorba"-Diskothek auf, deren Chef er war. "2000 Leute gingen da rein. Wir haben gefeiert, was das Zeug hält."

Natürlich habe sich technisch viel getan, erklärt er. In seinen Anfängen gab es einen Plattenspieler mit Nadel und Teller und einige Scheiben. Heutzutage kann DJ Rupen mit mehreren Tausend Musiktiteln auf seinem Laptop regelrecht spielen und Effekte nach Lust und Laune einbauen. Wobei Gehrke immer seinen eigenen Weg ging. Als er in den 90er-Jahren nach Bayern zog, erfand er die erste Ü-30-Party in München. "Elternabend" hieß der montägliche Event im "Schlachthof". "Das waren dann schon mal 600 Menschen an einem Abend", erzählt er. Gängige Hits herunterzuspulen, war indes nicht sein Ding. "Zum 100. Mal Depeche Mode aufzulegen, war mir zu langweilig."

Bald darauf fand er mit dem "Jalla Club", den Gehrke 2002 zusammen mit Dimitri Voulgarakis ins Leben rief, sein Konzept. Klänge aus aller Welt mischte er zu einem Gesamtkunstwerk. Darunter Musik oft unbekannter Bands vom Balkan, aus dem Orient, aus Afrika oder aus Südamerika. Alles am besten wild durcheinander, doch stets stimmig - und damals eben eine zuvor nie gehörte Mischung, weshalb der "Jalla Club" im Münchner Völkerkundemuseum Erfolge feierte. "Es war ein Glücksfall, in das Museum reinzukommen. Aber es hat sich bei mir immer das eine zum anderen gefügt."

2018 eröffnete er im Münchner Gasteig das Faustfestival mit einer DJ-Party. Regelmäßig ist er zu Gast im "Ampere" im Muffatwerk, seinem "zweiten Wohnzimmer". Und immer wieder baute er vor Corona sein Mischpult im Buchheim-Museum in Bernried auf und lud zum "Rupidoo Music Club". Mit Letzterem sorgte er bei den "Seemadames" in Iffeldorf für Furore. Etwa 400 Männer und Frauen, Jung und Alt feierten zu seinen Klängen an lauen Sommerabenden. "Der ganze Parkplatz tanzte", erzählt er.

Um neue Ideen ist Rupen Gehrke nicht verlegen, was ihn international zu einem gefragten DJ macht. Er legte schon in Paris, Südkorea oder Mexiko-Stadt auf. Und er liebt außergewöhnliche Orte für seine Events: Kirchen, das Bayerische Nationalmuseum oder eben auch mal ein Parkplatz. Die Partys sind eine Mischung aus Plattenauflegen und Live-Performances.

Oft lädt er andere Künstler und Musiker zu seinen Events ein, wie den Schriftsteller und "Russendisco"-Pionier Wladimir Kaminer, Manuel da Coll Aka Cpt. Yossaria, der Drummer von La Brass Banda, oder den Percussionisten Roland Peil von den Fantastischen Vier. Mit von der Partie ist meistens der Fotograf Massimo Fiorito, der Gehrkes Auftritte mit sogenannten Visuals unterlegt - was die DJ-Partys zu einem unverwechselbaren Erlebnis macht.

Die Corona-Pandemie hat auch DJ Rupen wie so viele andere Künstler hart getroffen. Jammern mag er dennoch nicht. "Die Situation ist schwierig, aber nicht unmöglich", sagt er, "mir geht es gut." Das Streaming ersetze zwar keine Party mit echtem Publikum, aber immerhin könne er weiterhin die Menschen erreichen, sie überraschen und ihre Glieder zum Zucken bringen. "Und das mit Musik, die kein Schwein kennt", lacht er.

Dabei verlässt er sich ganz auf sein Gefühl. "Ich bereite mich marginal auf einen Auftritt vor", erzählt er. "Ich überrasche mich selber und vertraue auf meine Erfahrung und Intuition." Manchmal ergebe es sich einfach, welches Stück den gesamten Abend trägt. Eine Vorbereitung bis ins Detail entspreche nicht seiner Herangehensweise. "Ich möchte unbekannte Musik so präsentieren, dass es letztlich eine Party wird", betont Rupen Gehrke, der als Klaus Heinrich Josef Gehrke das Licht der Welt erblickte.

Wann das war, darüber möchte er anfangs nicht sprechen. "Sonst hält man mich für einen alten Sack. Schreiben Sie doch einfach 53", meint er und schiebt hinterher: "Ich fühle mich nicht alt und mache mir keinen Kopf." Das Leben werde ihm zeigen, wo es ihn hinführen wolle.

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Anfang der 1970er-Jahre führte es ihn zu Bhagwan Shree Rajneesh, dem Guru aus Indien, der einst in Poona residierte. In Amsterdam sei es gewesen, erzählt Gehrke. In einem Café, das Wetter war mies, die Eingangstür schlug zu. Er drehte sich um und sein Blick fiel auf ein Plakat mit Bhagwans Konterfei. "Da war es um mich geschehen", erzählt er. "Ich weiß nicht, wie ich das richtig beschreiben soll. Es war wie ein Blitz." Er wollte mehr über diesen Mann erfahren. "Es war, als ob er mein bester Freund ist." Gehrke folgte dem Guru nach Poona in Indien und lebte nach seinen Lehren. "Ich war nicht auf Sinnsuche. Es hatte nichts Spirituelles, das hätte mich abgestoßen. Aber es musste so sein."

Gehrke wurde Sannyasin, ein Jünger Oshos, wie sich der indische Guru, der auch als Sektenführer in der Kritik stand, in seinem letzten Lebensjahr nannte. "Das bin ich heute noch." Aus jenen Tagen rührt auch sein Vorname Rupen oder genauer gesagt: Swami ( Anrede für Männer, Anmerk. d. Red.) Anand Rupen. Das bedeutet "glückselige Schönheit". "Damit ist die innere Schönheit gemeint", lacht Gehrke. Die Kölner Diskothek, in der alles anfing, gehörte zum Bhagwan-Imperium, ebenso wie jene Tanzhalle, die Gehrke später mit Freunden leitete.

Sein größtes Geschenk aus dieser Zeit sei die "Meditation", sagt er. Doch braucht er heutzutage keinen Ashram wie vor vielen Jahren in Indien. "Meditieren kann ich auch beim Joggen." Dazu hat er sich ein idyllisches Plätzchen ausgesucht. Gemeinsam mit seiner Frau lebt er seit zwölf Jahren in Zist. In seiner Kindheit habe die Familie stets Urlaub an der Nordsee oder in den Bergen wegen des Reizklimas gemacht. Deshalb sei er auch nach Bayern gekommen. "Ich wollte irgendwie Berge, also war München die Wahl." Wohnen wollte er allerdings im Grünen. Wiesen, Berge, Weiher - all das hat er in unmittelbarer Nähe letztlich in Penzberg gefunden. "Musik ist wunderbar, aber die Ruhe ist es auch."

Gestreamt wird samstags von 20 bis 22.30 Uhr auf dem Youtube-Kanal von Rupen Gehrke (www.youtube.de/RupenGehrke). An diesem Samstag, 15. Mai, heißt es wieder "Homedancing - Live aus dem Wohnzimmer" mit DJ Rupen. Mit dabei ist Massimo Fiorito. Alle Informationen und Termine unter: www.rupidoo.de

© SZ vom 15.05.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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