"Das Ziel schon beim Start verfehlt":Naturschützer gegen Geothermie

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Der BN sieht bei der geplanten Anlage in Icking zu viele Beeinträchtigungen der Umwelt.

Von Claudia Koestler, Icking

Der Bund Naturschutz (BN) lehnt den Bau der geplanten Geothermieanlage auf Ickinger Flur ab - und zwar "entschieden", wie es in einer Stellungnahme heißt. Sowohl Friedl Krönauer, Vorsitzender der BN-Kreisgruppe, also auch Beatrice Wagner von der BN-Ortsgruppe Icking betonen zwar ausdrücklich, dass regenerative Energiegewinnung grundsätzlich zu begrüßen und zu fördern sei. Auch dann, wenn sie im Umfeld des eigenen Wohnsitzes stattfindet. Doch im konkreten Fall würden die Beeinträchtigungen für Bürger, Natur und Umwelt gegenüber dem möglichen energetischen Nutzen aus ihrer Sicht überwiegen. Sie führen zudem Sicherheitsbedenken an, was die Stabilität des Untergrundes angehe, befürchten eine Form von Fracking und sprechen der Ressource ab, zeitlich unbefristet zu sein. Eine Antwort auf die Vorwürfe war am Donnerstag von Seiten der Erdwärme Bayern, die die Anlage plant, nicht zu erhalten. Nach Angaben von Ickings Bauamtsleiterin Cornelia Zechmeister wird sich der Gemeinderat mit der Stellungnahme in einer der kommenden Sitzungen auseinandersetzen.

Sechs Kritikpunkte begründen Wagner und Krönauer in ihrer Stellungnahme ausführlich. Zum einen monieren sie, dass die Anlage zwischen Dorfen und Attenhausen nur Strom produzieren soll. "Das heißt, 85 bis 90 Prozent der Wärme des nach oben beförderten Wassers bleibt ungenutzt." Das Heißwasser aus der Tiefe müsse folglich größtenteils entsorgt, also verschwendet werden. Darüber hinaus müsse das Thermalwasser an der Erdoberfläche abgekühlt werden, was Energie erfordere. Somit sei das System klimabelastend. Auch die beanspruchte Waldfläche für den Bau der Anlage verurteilt der BN. Das Kraftwerk soll zum Teil in den Wald gebaut werden, um die Anwohner besser vor Immissionen zu schützen. "Der Einsatz erneuerbarer Energien soll unter dem Aspekt des Schutzes der natürlichen Ressourcen und Lebensgrundlagen Wasser, Boden, Luft und Biomasse erfolgen. Die Rodung einer Waldfläche, mit dem Ziel des Schutzes derselben, verfehlt das gesteckte Ziel schon beim Start", heißt es in der Stellungnahme. Zwar seien vertraglich Pflanzungen vorgesehen, die die Rodung ausgleichen sollen, doch sei dies kein gleichwertiger Ersatz: Junge Bäume besäßen nicht die Kapazitäten eines alten Waldbestandes hinsichtlich Wasserspeicher, CO2-Speicher und als Lebensraum für Mikroorganismen und alle weiteren Lebewesen.

Darüber hinaus hegt der BN auch Sicherheitsbedenken: Icking liege auf einer Seitenarmmoräne. Es sei daher "nicht auszuschließen, dass der Untergrund durch die systembedingten Eingriffe an Stabilität verliert". Vorab müsse deshalb geklärt werden, wer im Falle von Massenverschiebungen oder seismischen Erschütterungen für Schäden aufkommt, die an Immobilien oder Straßen - auch an der nahe vorbeilaufenden Autobahn A 95 - entstehen könnten.

Wagner und Krönauer befürchten, dass eine Form von Fracking notwendig werde. "Das Wasser in 3000 bis 4000 Meter Tiefe kann offenbar nur durch den Einsatz von Salzsäure aus dem Kalkgestein dauerhaft herausgelöst werden." Fracking bedeute nur "Aufbrechen von Gesteinsschichten", ein Verfahren, das zur Erdgas- und Erdölförderung eingesetzt werde, aber auch zur Wassergewinnung bei der Geothermie. Verboten sei Fracking in Deutschland nicht, wenn horizontal gebohrt und Gas oder Wasser nach oben gepumpt werden. Untersagt sei lediglich das "unkonventionelle Fracking" mit chemischen Zusätzen. Doch für den BN komme der Einsatz mit Salzsäure unkonventionellem, also verbotenem Fracking gleich.

Zu wenig Informationen lägen laut BN hinsichtlich der zweiten Anlage vor, über die das Wasser wieder zurückgepumpt werden soll. Und bei allen bisherigen Diskussionen sei zu wenig beachtet worden, dass, so die Naturschützer, ein Standort nach 15 bis 20 Jahren thermisch ausgenutzt sei. Geothermiekraftwerke müssten daher nach einiger Zeit quasi "umziehen" und neu gebaut werden.

© SZ vom 05.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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