Das besondere Café:Löten, schrauben, Anschluss finden

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Am Obermarkt in Wolfratshausen hat ein Werkstatt-Café aufgemacht, in dem es nicht nur ums Reparieren geht. Die Betreiber wollen auch eine interkulturelle Begegnungsstätte schaffen.

Von David Holzapfel, Wolfratshausen

Innen wird gehämmert und gebohrt. Ab und an dringt leiser Applaus durch die Türritzen der Werkstatt in den Hinterhof. Draußen haben es sich Menschen gemütlich gemacht und genießen den lauen Herbstabend. Sie unterhalten sich, trinken Kaffee und essen frisch gebackene Waffeln.

Am Obermarkt 20 in Wolfratshausen wurde jüngst ein ganz besonderes Café eröffnet. "Wir wollen hier ein kleines Licht in der Dunkelheit entzünden", sagt Erwin Brauckmann. Dunkelheit bedeutet für ihn: Entfremdung, Spaltung und Hass in der Gesellschaft. Seit einiger Zeit engagiert sich der Wolfratshauser nun schon für die Nachbarschaftshilfe Wolfratshausen und den Asylhelferkreis der Stadt, aus dem dieses Projekt hervorgeht. Das Konzept ist simpel: Wer ein kaputtes Elektrogerät, Spielzeug oder Fahrrad hat, kann in das Café kommen und sich bei der Reparatur fachkundig anleiten lassen. Getreu dem Motto "Hilfe zur Selbsthilfe". Positiver Nebeneffekt: Kaffee und kleine Naschereien sind inklusive.

Ums Reparieren geht es den ausschließlich ehrenamtlichen Helfern dabei jedoch nur sekundär. Wer jemanden zum Reden braucht, dem wird zugehört. Wem es schwer fällt Kontakte zu knüpfen und Anschluss zu finden, der wird offen aufgenommen. Das Angebot richtet sich, neben allen Interessierten, vor allem an ältere Menschen und Flüchtlinge. Dabei ist es dem Helferkreis wichtig, dass jeder seine individuellen Stärken und Fähigkeiten einbringen kann.

"Alle, die etwas zu geben haben, sind willkommen", sagen die Betreiber. Sei es in Form von Kleinigkeiten zum Essen oder durch handwerkliches Geschick. So auch Hassan Mansour. Der junge Syrer, vor einiger Zeit nach Deutschland geflohen, repariert defekte Handy und Computer. "Das hier ist der beste Weg Leuten zu helfen", sagt er. Durch die Begegnungen in der Werkstatt sollen Vorurteile gegenüber Flüchtlingen abgebaut werden und ein bunter Austausch entstehen. Auch das ist eines der erklärten Ziele.

Unter dem Stammpersonal des Werkstatt-Cafés findet sich unter anderem ein Schreinermeister, ein Bildhauer und ein Hochspannungs-Elektriker. "Wir sind jedoch kein Fachgeschäft", betonen sie unisono. Man müsse erst schauen, was kaputt ist, oder wer überhaupt gerade in der Werkstatt sei, bevor man ein Angebot zur Reparatur machen könne.

Der Gedanke der Nachhaltigkeit ist für sie bei diesem Projekt auch von Bedeutung. Anstatt Altes oder Kaputtes wegzuwerfen und, häufig kurzlebige, Neuanschaffungen zu tätigen, soll instand gesetzt und erneuert werden. Die Reparatur an sich ist kostenlos, eine Spende für entstehende Kosten, beispielsweise durch anfallende Ersatzteile, wird aber erbeten. Geplante Öffnungszeit ist jeden Donnerstag von 15 bis 20 Uhr, je nachdem, ob das Projekt Anklang findet. Unterstützt werden die Ehrenamtlichen maßgeblich durch die Stadt Wolfratshausen, die unter anderem das für die Reparaturen notwendige Werkzeug sponsort.

Ausreichend Platz zum Werkeln bietet Ulrich Panick. Der Bildhauer stellt die Räumlichkeiten und sein handwerkliches Geschick zur Verfügung. Zusammen mit Brauckmann führt er seit Anfang des Jahres 2016 auch eine Radl-Werkstatt für Asylbewerber und bedürftige Deutsche in Wolfratshausen, die als Vorbild für das Reparatur-Café dient. "Dort habe ich oft zu wenig Zeit, mich mit den Menschen richtig zu unterhalten", berichtet Brauckmann. Das soll sich ändern, im Café sieht er sich eher als Kommunikationsbeauftragter. Er steht in der Küche der Werkstatt und kocht Kaffee auf einem kleinen Gasherd. Von der Decke hängen Fahrradschläuche, es riecht nach Holz und Öl. Erneuter Applaus aus dem Werkraum, ein defekter Küchenmixer wurde soeben wieder in Gang gebracht. Sein Besitzer grinst zufrieden und erntet Schulterklopfen von den versammelten Schaulustigen.

© SZ vom 17.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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